Stunk bei Red Bull: Ricciardo meckert, Verstappen ist im Recht
Windschattenfahrten für eine schnelle Qualifyingrunde am Grand-Prix-Wochenende 2018 in Spielberg: Verstappen (5.) lässt sich von Ricciardo (7.) ziehen - Australier genervt
(Motorsport-Total.com) - Red Bull hinkt beim Formel-1-Heimspiel 2018 in Österreich weiter hinterher. Im Qualifying realisierten Max Verstappen und Daniel Ricciardo die Startplätze fünf und sieben. Bei den "Bullen" brennt die Hütte - nicht wegen des mäßigen Ergebnisses, sondern wegen eines Vorfalls in Q3 der Zeitenjagd. Daniel Ricciardo hatte seinen Teamkollegen auf der Einrollrunde vor dem letzten Versuch am Heck und wurde plötzlich langsam. Verstappen solle ihn bitteschön überholen, so die Ansicht des Australiers.
"Was geht denn da ab?", funkt der Niederländer an seine Box. "Überhol ihn einfach, geh einfach vorbei", so die Antwort. Daraufhin entgegnete Verstappen mit etwas zickigem Unterton: "Nein. Am vergangenen Wochenende war ich vorn, jetzt ist er dran." Der Hintergrund: Auf dem Red-Bull-Ring können die Piloten auf der Zufahrt zum gezeiteten Umlauf mehr Schwung aufnehmen, sobald ein Vordermann entsprechenden Windschatten spendet. Verstappen profitierte davon insgesamt dreimal - und war schneller als Ricciardo.
"Ich bin nicht so begeistert, um ehrlich zu sein. Wir sind drei Versuche gefahren. Ich habe immer für alle ein Loch in die Luft gerissen. Wenn jeder einen Versuch bekommt, dann ist es okay. Ich bin einfach nicht so glücklich", sagt der Australier nach dem Qualifying genervt. Ricciardo fügt an: "Wir hätten fairer agieren können." Ist der am Samstag unterlegene Red-Bull-Pilot im Recht? Nein! Das findet nicht nur Verstappen, sondern auch die Chefetage des Teams.
Klare Regeln im Team: Wer vorne fährt, wer reden darf
"Es gibt bei uns eine ganz klare und einfache Regel, die seit sieben Jahren gilt: Wir wechseln von Rennen zu Rennen ab, wer als erster mit seinem Auto aus der Garage fährt. Nur auf diesem Weg kann es fair sein. Diesmal war eben Daniel dran, vor Max aus der Box zu fahren. Er war dann der Ansicht, dass Max sehr und zu oft davon profitiert. Deswegen hat er plötzlich wohl langsam gemacht", schildert Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Bei den "Bullen" ist sogar geregelt, wer in den Meetings zuerst seinen Senf abgeben darf. Auch diesbezüglich gilt die klare Regel, dass dies von Rennen zu Rennen abgewechselt wird.
"Wir machen uns immer schon vor dem Wochenende aus, wer vorne fahren wird. Ich bin in Paul Ricard vorne gewesen und er war's beim Rennen vorher. Das haben wir einfach diskutiert. Dieses Wochenende sollte er vorne sein. So ist das eben. Es ist sehr einfach", zuckt Verstappen mit den Schultern. Dass sich aufgrund der kurzen Umläufe in Spielberg sogar ein dreimaliger Vorteil zugunsten eines Fahrer ergibt, ist dem Niederländer herzlich egal. "Ich war in Paul Ricard in jedem Versuch vor ihm. Wir müssen das Gleiche auch hier machen."
Während Ricciardo etwas schmollt, sieht Verstappen die Situation aus dem Qualifying gelassen. Das Verhältnis der beiden Red-Bull-Fahrer leide darunter keinesfalls. "Wir wollen natürlich das beste Quali abliefern, und man will sich natürlich auch gegenseitig schlagen. Man möchte natürlich einen Vorteil daraus ziehen. Aber wenn sie sagen, du musst das gesamte Quali vorne fahren, dann mache ich das - wie in Le Castellet. Hier war es eben Daniel. Wir sind aber total okay."
Der Frust seines Teamkollegen ist natürlich erhöht, denn Ricciardo wurde nicht nur von Verstappen geschlagen, sondern er musste sich auch noch hinter dem bestens aufgelegten Haas-Piloten Romain Grosjean (6.) anstellen. "Das ist eine kurze Runde hier, daher können andere aufzeigen. Alles ist etwas komprimierter durch die kurze Rundenzeit. Grosjean ist Sechster, er hat also einen guten Job gemacht", lobt Ricciardo seinen Widersacher, der ihm einen Platz in der dritten Startreihe verweigerte.
Auch "Partymodus" bringt kaum Vorteile im Wettbewerb
"Unser Hauptproblem war, dass wir nicht die richtige Balance von Auto und Reifen gefunden haben", bilanziert Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko die Schwächephase seiner Mannschaft ausgerechnet vor heimischer Kulisse. Auf dem kurzen Kurs in der Steiermark ist Motorenpower gefragt. Red Bull sollte vom "Partymodus" des Renault-Aggregats profitieren. 15 PS mehr hatte man versprochen. Dies entspricht in Spielberg einem Zeitvorteil von rund 0,25 Sekunden pro Runde.
"Das war vielleicht etwas trügerisch, aber das allein war es nicht. Nochmals: Wir haben nicht die Abstimmung und Balance gefunden, die wir normalerweise haben. Jetzt kann man nur hoffen, dass es im Rennen besser geht", sagt Helmut Marko. "Wir starten mit dem härteren Reifen (auf Supersoft; Anm. d. Red.). Vielleicht können wir etwas länger damit fahren." Den Haas von Grosjean könnte man mit einem längeren ersten Stint womöglich packen, aber viel mehr? Eher unwahrscheinlich.
"Die Plätze fünf und sieben waren das, was für uns im Qualifying drin war. Hoffentlich werden wir morgen ein besseres Tempo haben", meint Teamchef Horner. Red Bull hatte vor dem Qualifying gepokert und nach den mäßigen Rundenzeiten aus den Freien Trainings die Abstimmung noch einmal grundlegend verändert. Aber auch die neuesten Anpassungen brachten keinen sichtbaren Fortschritt.
Für den morgigen Renntag kann Red Bull am Set-up der Fahrzeuge nicht mehr viel verändern. Man muss auf gute Strategie, einen Wetterwechsel, Safety-Car-Phasen hoffen - oder das Allerbeste aus den nun drei DRS-Zonen machen. "Ich bin glücklich mit der extra DRS-Zone. Das könnte alles etwas spannender machen. Ich habe das GP3-Rennen gesehen und das war gute Unterhaltung. Es ging hin und her. Hoffentlich ist das morgen im Rennen bei uns auch so", sagt Ricciardo.