Rennvorschau Spielberg: Mercedes-Dominanz im Red-Bull-Land?
Mercedes ist in Spielberg seit dem Formel-1-Comeback der Strecke ungeschlagen - In diesem Jahr könnte die Chance für Ferrari und Red Bull aber so gut wie nie sein
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist in der Saison 2018 so offen wie lange nicht mehr. Die Jahre der Mercedes-Dominanz sind endgültig vorbei, Ferrari und Red Bull konnten die Silberpfeile in diesem Jahr bereits mehrfach schlagen. Am Wochenende in Spielberg kann es - auf dem Papier - aber eigentlich trotzdem nur einen Sieger geben. Denn seit der Red-Bull-Ring 2014 in den Formel-1-Kalender zurückkehrte, ist Mercedes dort ungeschlagen.
Zweimal triumphierte Nico Rosberg in Österreich, einmal Lewis Hamilton und im Vorjahr Valtteri Bottas. Der letzte Nicht-Mercedes-Sieger in Spielberg war 2003 ein gewisser Michael Schumacher im Ferrari. Red Bull hatte beim eigenen Heimspiel hingegen nur selten etwas zu feiern. Zwei magere Podestplätze stehen bislang zu Buche. 2018 könnte die Chance auf einen Heimsieg allerdings so gut wie noch nie stehen.
Hintergrund: Mercedes profitierte auf der Powerstrecke - vor allem 2014 und 2015 - stets von der überlegenen Antriebseinheit. In den ersten beiden Jahren der Hybridära standen ausschließlich Fahrer mit Mercedes-Motor auf dem Podium. Doch so groß wie damals ist der Vorsprung anno 2018 bei weitem nicht mehr. Bereits 2017 bröckelte die Dominanz der Silberpfeile, als Bottas den Sieg nur hauchdünn vor Sebastian Vettel ins Ziel rettete.
Reifen-Nachteil für Mercedes?
Einen Alleingang der beiden Silberpfeile an der Spitze sollte man in diesem Jahr also nicht zwangsläufig erwarten."Das ist sicherlich nicht ganz einfach", warnt auch 'ORF'-Experte Alex Wurz und erklärt: "Der erste Sektor mit dem schnellen Einlenken hat ihnen (Mercedes; Anm. d. Red.) bis jetzt nicht so ganz geschmeckt. Dort könnte Ferrari vielleicht sehr gut sein. Und der Red Bull ist beim Reifenverschleiß über die Renndistanz sehr gut."
"Vielleicht haben wir also einen Dreikampf in Spielberg", so der Österreicher. In der Tat könnte das Reifenthema an diesem Wochenende wieder interessant werden. Zwar kommen mit den Mischungen Soft, Supersoft und Ultrasoft die gleichen Pneus zum Einsatz wie zuletzt in Le Castellet. Allerdings verzichtet Pirelli in Spielberg auf die dünnere Lauffläche, die scheinbar ein Vorteil für Mercedes ist.
Die leicht modifizierten Reifen kamen bisher in Spanien und Frankreich zum Einsatz. Beide Rennen konnten die Silberpfeile - relativ ungefährdet - gewinnen. Das kann Zufall sein, doch ein Muster ist hier durchaus erkennbar. In Österreich bringt Pirelli nun wieder die Standard-Pneus mit. Mit diesen konnte Mercedes in diesem Jahr bisher nur in Baku gewinnen. Eine Chance für die Gegner?
Motoren in Mittelpunkt
Für Mercedes spricht - Reifen hin oder her - die Performance in Le Castellet. Unter anderem dank des Motoren-Updates, das eigentlich bereits für Kanada geplant war, hatte man die Nase im Qualifying und im Rennen klar vorne. Erst zum zweiten Mal nach Barcelona gab es in diesem Jahr eine rein silberne erste Startreihe. Und ohne den Crash zwischen Vettel und Bottas in Kurve 1 wäre wohl auch der zweite Doppelsieg des Jahres drin gewesen.
Allerdings kann man die Sache auch umgekehrt sehen: Was wäre in Frankreich für Ferrari möglich gewesen, wenn Vettel nicht gleich nach dem Start gecrasht wäre? So ist das Momentum jedenfalls auf Seiten der Silberpfeile. Und gerade auf der Powerstrecke in Spielberg an diesem Wochenende sollte sich das Motoren-Update 2.1 noch einmal so richtig auszahlen. Deshalb tut sich auch bei Renault etwas an der Motorenfront.
Für Spielberg bringen die Franzosen das lang erwartete Upgrade ihrer MGU-K an den Start. Cyril Abiteboul kündigte aber bereits an, dass nicht alle Piloten das Update auch verwenden werden. Hintergrund sind drohende Gridstrafen. Daniel Ricciardo und Max Verstappen dürfen beispielsweise nicht mehr straffrei wechseln. Entscheidet man sich bei Red Bull für die neue MGU-K, geht es also ausgerechnet beim Heimspiel in der Startaufstellung nach hinten.
Enge Spitze - Vorentscheidung im Qualifying?
Das kann man sich eigentlich nicht erlauben, denn das Überholen wird in Spielberg wieder einmal nicht einfach werden. "Auf dieser Strecke kannst du nicht wirklich überholen. Obwohl es diese langen Geraden gibt, ist das Überholen sehr, sehr schwierig", warnt Hamilton. Die FIA führt in diesem Jahr extra eine dritte DRS-Zone ein, doch dieser Schritt führte auch in Kanada bereits nicht zum gewünschten Erfolg.
Gut möglich also, dass eine Vorentscheidung über Sieg und Niederlage wieder einmal schon im Qualifying beziehungsweise beim Start fällt. Nicht unbedingt die besten Karten für Red Bull, denn 2018 startete lediglich in Monaco ein "Bulle" (Ricciardo) von ganz vorne. Viermal stand bisher ein Ferrari auf dem besten Startplatz (Vettel in Bahrain, China, Baku und Kanada) und dreimal ein Mercedes (Hamilton in Australien, Spanien und Frankreich).
Ein klarer Trend ist hier allerdings überhaupt nicht erkennbar. In den vergangenen drei Grands Prix standen Ferrari, Mercedes und Red Bull je einmal auf Pole und gewannen je ein Rennen. Und dass die Erfolge der vergangenen Jahre 2018 nichts mehr wert sind, beweist ein Blick auf Kanada. Dort war Lewis Hamilton seit 2015 ungeschlagen, schaffte es in diesem Jahr aber nicht einmal auf das Podium. Mercedes ist also gewarnt.
Verfolgerfeld: Gute Aussichten für Haas
Ähnlich offen ist der Kampf hinter den drei Topteams. Dort hat sich Renault in der WM zwar mittlerweile als vierte Kraft etabliert, doch zuletzt in Le Castellet zeigte Kevin Magnussen mit einem starken sechsten Platz endlich wieder einmal, dass der Haas eigentlich das Potenzial hat, regelmäßig an der Spitze des Mittelfelds zu stehen. Die US-Truppe könnte in Spielberg, auch dank des Ferrari-Motors, sehr gute Karten haben - falls es keine Zwischenfälle gibt.
Gleiches gilt für Sauber, wo Charles Leclerc mittlerweile ein regelmäßiger Gast in den Top 10 ist. Der Rookie punktete in vier der vergangenen fünf Rennen und fährt seinem Teamkollegen Marcus Ericsson aktuell um die Ohren. Den Red-Bull-Ring kennt Leclerc zudem unter anderem bereits aus seiner Formel-2-Zeit. Im Vorjahr konnte er hier in der Nachwuchsserie gewinnen. Ihn sollte man also auch wieder auf der Rechnung haben.
Punktlos blieben in Frankreich Force India und Toro Rosso. Beide Autos sind grundsätzlich auch schnell genug für Zähler. In Le Castellet knallte es aber bereits in der ersten Runde zwischen Pierre Galsy und Esteban Ocon. Das beendete für beide die Chance auf Punkte beim Heimrennen. Auch in Österreich wird es für die Piloten im Mittelfeld darum gehen, gut durch die enge erste Kurve zu kommen - das schafften in den Vorjahren nicht immer alle.
Rutschen Williams und McLaren weiter in die Krise?
Je weiter hinten man steht, desto größer ist das Unfallrisiko beim Start. Ein Problem vor allem auch für die kriselnden Traditionsteams McLaren und Williams. In Frankreich schieden alle vier Piloten bereits in Q1 aus. Das Rennen in Spielberg könnte den Williams-Absturz noch einmal mehr verdeutlichen. 2014 und 2015 stand man hier noch auf dem Podium, holte 2014 sogar die Pole-Position durch Felipe Massa.
Vier Jahre später wäre es ein mittleres Wunder, wenn Lance Stroll und Sergei Sirotkin den Sprung in Q2 schaffen würden. Während man sich bei Williams bereits daran gewöhnt hat, die Piloten am Ende des Feldes zu suchen, war das Qualifying in Le Castellet für McLaren ein neuer Tiefpunkt in diesem Jahr. Die Probleme mit der Aerodynamik am MCL33 sind noch immer nicht gelöst und das Team blieb zum dritten Mal in Folge ohne Punkte.
Hoffnung könnte den Hinterbänklern theoretisch Regen machen, doch in Spielberg soll es am Samstag und Sonntag trocken bleiben. Schauer sind lediglich am Freitag möglich. Für die Teams gibt es derweil keine Pause. Spielberg ist das zweite Rennen des ersten "Triple-Headers" der Formel-1-Geschichte. Von Frankreich ging es für den Zirkus direkt weiter nach Österreich, und von dort wird man anschließend unmittelbar nach Silverstone weiterreisen.
Ein Mammutprogramm, dass sich am Ende der drei Wochen nicht für alle Teams gelohnt haben wird.