Mercedes: Entscheidung über Motor-Update am Freitagabend?
Lewis Hamilton und Valtteri Bottas würden sich über das Motor-Update beim Comeback-Rennen in Frankreich freuen - Beide sehen Ferrari in der Favoritenrolle
(Motorsport-Total.com) - Die Rennstrecke in Le Castellet ist auf dem Papier mit den langen Geraden ein Kurs, der dem Mercedes-Team entgegenkommen sollte. Allerdings sind sich Lewis Hamilton und Valtteri Bottas ihrer vermeintlichen Favoritenrolle nicht sicher. Am Donnerstag vor dem Rennwochenende war vor allem das Motoren-Update in aller Munde. Kommt es nun oder doch nicht? Wohl erst am Freitagabend sei mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen, vertröstet das Team. Eine weitere Verschiebung der modifizierten Antriebseinheit, die eigentlich schon in Kanada gezündet werden sollte, scheint nicht ausgeschlossen zu sein.
"Schon in den vergangenen beiden Rennen hatten wir immer wieder Kämpfe mit den anderen beiden Teams, das wird an diesem Wochenende gleich sein. Wir hoffen aber natürlich, dass wir besser abschneiden als an den vergangenen Wochenenden. Wir wollen einfach einen besseren Job machen", schildert Hamilton die Ausgangslage. In Kanada wurde der Brite zuletzt nur Fünfter - sein bislang schlechtestes Resultat 2018.
Mit Paul Ricard, dem Red-Bull-Ring und der Strecke in Silverstone stehen nun an drei Wochenenden in Folge drei Strecken auf dem Programm, die ihm eigentlich liegen müssten. Mit einem neuen Motor-Update im Heck scheint Hamilton der klare Favorit zu sein. Wäre eine erneute Verschiebung eben dieser ein Nachteil? "Ich weiß es nicht. Ich werde vielleicht einen meiner drei neuen Motoren einsetzen. Der Motor, mit dem wir die ersten sieben Rennen gefahren sind, war toll. Eine frischere, neuere Version davon wäre großartig", so Hamilton.
"Wäre nicht besorgt, sollten wir den alten Motor einsetzen"
Damit einhergehen würde auch ein Power-Boost für den amtierenden Weltmeister, allerdings sei das gar nicht so sehr das Problem. "Die Power ist nicht wirklich ein Problem für uns. Mercedes war als Team seit Jahren an der Spitze der Motorentwicklung. Wir haben die besten Jungs in Brixworth. Sie haben Jahr für Jahr abgeliefert. Wir sind das erfolgreichste Team dieser Ära und kämpfen jetzt noch immer an der Spitze. Wir können nicht dauernd perfekt sein, aber wir versuchen, besser zu werden und innovativ zu sein", verteidigt er die Verzögerung. Derzeit würden bei Mercedes "sehr viele positive Entwicklungen" gemacht, versichert er.
Der WM-Zweite zeigt sich nicht besorgt, sollte die Ausbaustufe auch nicht in Frankreich eingesetzt werden. "Es geht um sehr kleine Abstände", beschwichtigt er. In der Vorwoche war Hamilton laut eigenen Angaben mehrfach mit Mercedes-Motorenchef Andy Cowell in Kontakt. Allerdings bleibt der Brite vage: "Ich möchte auch gar nicht zu viel sagen im Moment, da ich nicht weiß, was Andy plant. Aber egal welche Entscheidung er trifft, er wird die richtigen Gründe dafür haben. Der eine Motor hat bereits sieben Rennen mit toller Power und Leistung abgeliefert bisher, also wäre ich auch nicht besorgt, sollten wir den alten Motor einsetzen."
Teamkollege Valtteri Bottas denkt ähnlich. Natürlich müsse Mercedes einen neuen Motor verwenden. "Dieser jetzt ist sieben Rennen alt und wir wollen wirklich mit dem neuen fahren. Das müssen wir aber erst morgen bestätigen, ob wir ihn einsetzen können oder nicht. Am Ende des Tages wissen wir mehr", gibt er sich zuversichtlich. Nachdem die Einführung in Kanada abgesagt wurde - aus Qualitätsgründen - wurde auf dem Prüfstand weiterentwickelt. Da Updates über einen gewissen Zyklus geprüft werden müssen, könnte eine endgültige Entscheidung erst sehr spät fallen.
"Ferrari ist von der Pace her der Favorit"
Würde die Modifikation nicht freigegeben werden, dann würden Bottas und Hamilton wohl mit einer neuen ersten Version des Motors ausgestattet werden. "Ich vertraue darauf, dass sich die Dinge seit zwei Wochen mit dem neuen Motor verbessert haben. Wenn wir uns dafür entscheiden, ihn einzusetzen, dann sind wir auch hundert Prozent zuversichtlich", so der Finne. Er glaubt, dass Mercedes die Verbesserung brauchen würde - vor allem im Hinblick auf die Weltmeisterschaft. Denn Ferrari und Renault haben ihre Ausbaustufen bereits in Kanada eingeführt.
"So wie es jetzt aussieht, ist Ferrari der Favorit basierend auf der Leistung in Montreal, einfach von ihrer puren Pace im Qualifying und im Rennen. Wir müssen daher Verbesserungen anstreben, wenn wir um Siege kämpfen wollen. Auch das Auto müssen wir verbessern", fordert Bottas. Der Finne meint, dass es schon sehr lange nicht mehr so eng zwischen drei Teams herging. "Es wechselt sich von Rennwochenende zu Rennwochenende ab. Jede Verbesserung, die wir kriegen können, wird sehr wichtig sein, wenn wir den Titel gewinnen wollen. Wir alle hoffen, dass wir den neuen Motor einsetzen können. Im Moment sieht das unser Plan vor, aber wir müssen es erst bestätigen."
Bottas selbst schlitterte bereits des Öfteren an einem Sieg in dieser Saison vorbei. Er wurde in Bahrain, China, Spanien und zuletzt in Kanada Zweiter, außerdem schied er in Baku in Führung liegend mit Reifenschaden aus. Dem Finnen reicht es daher schön langsam, das Podium in Montreal habe sich jedenfalls keineswegs wie ein "kleiner Sieg" angefühlt. "Es war gut, die Punkte mitzunehmen, aber ich war schon ziemlich oft Zweiter in dieser Saison, daher ist das kaum noch erfreulich."
Härtere Reifen ein Vorteil, Asphalt ein Nachteil?
Besonders die Reifen könnten an diesem Rennwochenende eine Rolle spielen: "Ich bin nicht zu hundert Prozent zuversichtlich. Zuerst sah es so aus, als wäre der Asphalt dem von Barcelona sehr ähnlich, nun scheint er aber aufzubrechen und rauer zu werden", gibt Bottas zu bedenken. Der Finne konnte in der Vergangenheit besonders bei glatter Asphaltbeschaffenheit glänzen (Sotschi). "Die Reifenmischungen sind etwas härter hier. Wir neigen dazu, die härteren zu bevorzugen, von daher ist es okay", sieht der 28-Jährige hingegen wieder einen Vorteil. Reifenlieferant Pirellit hat die Mischungen Ultrasoft, Supersoft und Soft nach Le Castellet mitgenommen.
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Die Formel 1 ist zurück in Le Castellet. 1990 fand der letzte Formel-1-Grand-Prix auf dem Circuit Paul Ricard statt. Seitdem ist der Kurs kaum wiederzuerkennen. Aus der veralteten Anlage ist eine der modernsten Strecken der Welt geworden, die aber ihre Probleme mit sich bringt. Die Reaktionen der Fahrer: Fotostrecke
"Wir kommen jetzt nicht hierher, und denken, dass wir die Schnellsten sind", klärt er aber auf. "Wir glauben, dass Ferrari das Team ist, dass es zu schlagen gilt." Ist der erste Saisonsieg für den Finne also auch in Frankreich unrealistisch? "In der Theorie sollten wir gut dabei sein, aber in der Theorie hätte auch Montreal sehr gut für uns sein müssen, Ferrari war dennoch schneller", gibt er zu bedenken. Bottas erwartet ein enges Wochenende mit Siegchancen für die drei Topteams.
Schließlich sei vor allem das stabile Reglement dafür verantwortlich, dass Mercedes immer weiter an Dominanz einbüßt, erklärt Bottas. Er habe bereits erwartet, dass die Saison 2018 härter werde. "Alle Teams sind sehr motiviert, um uns zu schlagen. Wir sind aber auch motiviert, unsere Position zu halten und zu verteidigen."
Ricciardo macht Druck auf Vettel - Hamilton könnte nachziehen
Teamkollege Hamilton sprach bereits von einem womöglich strauchelnden Ferrari-Team, doch davon will er am Donnerstag nichts wissen. "Ich meine nur, dass die Saison sehr lang sein wird und sie generell einen sehr guten Saisonstart hingelegt haben. Ich habe es nicht negativ gemeint - im Sinne von, sie würden straucheln. Aber neben der Zuverlässigkeit könnten auch Fehler diese Weltmeisterschaft entscheiden."
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Nachsatz: "Ich habe einen starken Glauben in meine Jungs, dass sie den besseren Job abliefern werden." Bislang steht Sebastian Vettel bei drei Saisonsiegen, Hamilton und Daniel Ricciardo von Red Bull stehen bei jeweils zwei. In Frankreich hat der Brite die Gelegenheit nachzuziehen - aber auch der Australier. "Das ist eine ähnliche Situation wie im Vorjahr. Und dann hat Mercedes richtig zugelegt."
"Würde man sich nur die Vorsaison ansehen, würde man Mercedes als Favoriten sehen, aber die scheinen derzeit nicht so konstant stark zu sein wie im Vorjahr", analysiert Ricciardo die aktuelle Lage. Er glaubt, dass der Ferrari-Erfolg von Vettels Form abhängt. "Mal sehen, wie Seb sich anstellt. Es hängt von ihm ab. Ich lege jetzt einfach mal all den Druck auf seine Schultern", schmunzelt der Red-Bull-Pilot.