• 09. Juni 2018 · 11:08 Uhr

Longrun-Analyse Kanada: Warum Mercedes klarer Favorit ist

Ohne Hypersoft und mit alten Motoren war Mercedes klar am schnellsten: So muss man das Freitagstraining in Montreal wirklich bewerten

(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Motoren haben acht der letzten zwölf Kanada-Grands-Prix gewonnen. Lewis Hamilton ist auf dem Circuit Gilles Villeneuve seit 2015 ungeschlagen, und hätte nicht die MGU-K den Geist aufgegeben, hätte ein Silberpfeil auch 2014 in Montreal gewonnen. Eindeutige Vorzeichen also, wer sich für den Rennsonntag (Formel 1 2018 live im Ticker) in der Favoritenrolle befindet.

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Lewis Hamilton ist nach den Freitagstrainings Favorit auf den Sieg Zoom Download

Vorzeichen, die durch unsere Longrun-Analyse untermauert werden. Denn absolut gesehen belegte Hamilton im zweiten Freien Training nur den vierten Platz, mit 0,6 Sekunden Rückstand. Aber das ist insofern nur die halbe Wahrheit, als Red-Bull-Pilot Max Verstappen seine Bestzeit von 1:12.198 Minuten auf Hypersoft-Reifen erzielt hat. Die sind laut Pirelli-Angaben um eine Sekunde schneller als Hamiltons Ultrasofts.

Die Longruns auf Ultrasoft und Supersoft im zweiten Freien Training hat Mercedes dominiert. Auf Ultrasoft ist die Mercedes-Pace nur mit Kimi Räikkönens Ferrari vergleichbar. Die Red Bulls fuhren damit ebenso wenig wie Vettel.

Das Ergebnis: Hamilton kam (bereinigt um sogenannte "Ausreißer-Runden") auf einen Schnitt von 1:16.3 Minuten. Und war damit um 0,4 Sekunden schneller als Räikkönens Mittel. Genau zwischen den beiden lag das Tempo von Valtteri Bottas.

Den Supersoft-Longrun absolvierten die meisten Fahrer am Ende des Freitagstrainings, weshalb dieser auch kürzer ausfiel. Aber auch auf diesem Reifen gab Mercedes klar den Ton an. Hamilton fuhr im Schnitt 1:15.7, Bottas 1:16.0 Minuten. Sonst kam niemand unter 1:16.2 Minuten (Verstappen).

Um diese Zeiten richtig einordnen zu können, muss man wissen: Mercedes hatte eigentlich vor, in Montreal ein Motorenupdate zu zünden. Das musste aber auf Le Castellet verschoben werden. Und weil nun immer noch die Motoren der ersten sechs Saisonrennen im F1 W09 EQ Power+ stecken, muss mit deren Lebensleistung sorgfältig umgegangen werden. Im Qualifying sollte mehr Power da sein, als das am Freitag der Fall war.

Dass freilich keine Hypersofts gefahren wurden, war keine taktische Ausrichtung, sondern schlicht und einfach ein Fehler. Als die Reifen für Montreal nominiert werden mussten, entschied sich Mercedes nur für fünfmal Hypersoft. Alle anderen haben mindestens sieben Sätze von der weichsten Mischung. Das bedeutet, dass Mercedes vor dem dritten Freien Training nicht damit fahren kann.

Im Hypersoft-Longrun gab Ferrari den Ton an. 1:16.3 Minuten legte Räikkönen als Schnitt vor und war unwesentlich schneller als Vettel. Verstappen kam auf 1:16.7 Minuten und war damit erster Verfolger. Das zeigt: Je nach Reifensatz und äußeren Bedingungen könnte entweder Ferrari oder Red Bull zweite Kraft sein.

In diesem Zusammenhang wichtig: Am Freitag war es mit rund 20 Grad Celsius relativ kühl, trotz des strahlenden Sonnenscheins. Im Rennen soll es um fünf Grad wärmer werden. Das würde mutmaßlich Red Bull am meisten helfen.

Allerdings ist die Longrun-Analyse wie immer mit Vorsicht zu genießen. Diesmal umso mehr, als es von Vettel und Ricciardo keine wirklich aussagekräftigen Daten gibt. Vettel verlor durch einen Mauerkuss Fahrzeit. Die Reparatur der Vorderradaufhängung dauerte länger als erhofft. So kam von ihm nur ein Vier-Runden-Longrun in die Wertung.

Ricciardo wiederum kam mit Verdacht auf ein Antriebsproblem an die Box. Es dauerte rund eine Dreiviertelstunde, bis er wieder auf die Strecke gehen konnte - übrigens ohne Wechsel einer Antriebskomponente. Die paar Runden am Ende waren eine Mischung aus Zeitenjagd und Longrun. Aber repräsentativ sind seine Daten nicht.

Hinter den drei Topteams gibt es bei genauerem Hinsehen auch die eine oder andere Überraschung. Dass Force India in Montreal Top-10-Material ist, weniger. Aber dass die beiden Toro Rossos mit ihren Honda-Motoren auf der Powerstrecke im Top-12-Bereich mitmischen, das war nicht zu erwarten.

Interessanterweise war Brendon Hartleys Hypersoft-Run noch mäßig beeindruckend, aber als er auf Ultrasoft und Pierre Gasly auf Supersoft gewechselt hatten, fuhren sie mittige 1:17er-Zeiten und lagen damit im vorderen Mittelfeld. Wie übrigens auch Fernando Alonso im McLaren mit verbessertem Renault-Motor.

Zum heißen Außenseitertipp erklären wir indes erneut Charles Leclerc. Sein Supersoft-Longrun mit 1:17.8 Minuten Schnitt war angesichts der Länge des Runs eine solide Vorstellung. Und Teamkollege Marcus Ericsson zeigte mit dem siebtbesten Ultrasoft-Run im Feld, dass Sauber auch in Montreal eine kleine Überraschung zuzutrauen ist.

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