• 28. April 2018 · 20:24 Uhr

Trotz Beinahe-Katastrophe: Gasly nicht sauer auf Hartley

Trotz des zweiten Zwischenfalls in zwei Wochen können sich die Toro-Rosso-Piloten in die Augen schauen - Brendon Hartley entschuldigt sich nach Baku-Desaster

(Motorsport-Total.com) - Trotz der Fast-Katastrophe im Qualifying zum Großen Preis von Aserbaidschan gibt es kein böses Blut zwischen den Toro-Rosso-Teamkollegen Pierre Gasly und Brendon Hartley. Der Franzose wäre dem viel langsameren Neuseeländer auf dem Baku City Circuit beinahe mit 320 km/h ins Heck geknallt, was einen Riesen-Unfall zur Folge gehabt hätte. Hartley schleppte seinen nach einem Mauerkuss havarierten Boliden auf der Ideallinie um Kurve 15 und übersah den von hinten heraneilenden Gasly, der nur um Haaresbreite noch ausweichen konnte.

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Pierre Gasly (l.) und Brendon Hartley kamen sich in Baku erneut zu nahe Zoom Download

Unmittelbar nach dem Zwischenfall hatte der 22-Jährige am Boxenfunk getobt und das Verhalten seinen Teamkollegens als "inakzeptabel" bezeichnet. Nach dem China-Grand-Prix in Schanghai vor zwei Wochen, bei dem die beiden Piloten im Rennen eine Kollision hatten, ist es bereits der zweite teaminterne Vorfall bei der kleinen Truppe aus Faenza/Italien. Dennoch bemühen sich beide Fahrer, dem Zoff auf der Strecke keinen Krieg der Worte folgen zu lassen und schlagen versöhnliche Töne an.

"Er hat es ja nicht mit Absicht gemacht. Wir haben uns vor zehn Minuten gesehen und ausgesprochen. Er hat sich entschuldigt, denn er traf die Mauer und hatte einen Plattfuß. Er hat dann langsam gemacht und unser Geschwindigkeitsunterschied war so groß, dass es schon zu spät war, eine Entscheidung zu treffen, als er mich im Rückspiegel sah", schildert Gasly im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' den missglückten Ausweichversuch seines Stallgefährten. Auch wenn der junge Franzose die Entschuldigung Hartleys akzeptiert, moniert er dennoch weiterhin, dass der Neuseeländer trotz des Reifenschadens auf der Ideallinie unterwegs war.

Das nächste Mal weg von der Ideallinie

"Kurve 14 fährst Du blind, ich konnte ihn also erst im letzten Moment vor Kurve 15 sehen. Ich sah, dass er in der Mitte der Strecke fuhr, also dachte ich, dass ich nach links ausweichen würde. Dann aber bewegte er sich nach links und ich entschied mich, nach rechts zu gehen. Im gleichen Moment zuckt er auch nach rechts und ich musste noch schärfer ausweichen. Als ich das Lenkrad rumriss, war ich mir sicher, dass ich ihn berühre und über sein Hinterrad abheben werde. Es war furchteinflößend und ich war natürlich sauer, dass mir das meine Runde versaute", erklärt Gasly.

Auch wenn der erste Ärger verraucht sei, müsse Hartley aus dieser Situation lernen. "Das war echt Hochgeschwindigkeit. Hoffentlich geht er das nächste Mal von der Linie, wenn er wieder einen Schaden hat. Er kann entweder ganz nach links oder ganz nach rechts, die Runde ist doch eh hinüber." Mahnende Worte, die Hartley kleinlaut akzeptieren muss: "Ich habe es verbockt", bekannte er schon unmittelbar nach dem Beinahe-Crash und entschuldigte sich noch via Boxenfunk bei Team und Fahrerkollegen.

"Ursprünglich wollte ich mich nach links aus dem Staub machen. Da sah ich, dass er auf der linken Seite heranrauschte. Also zog ich nach rechts und er tat dasselbe. Das Problem war, dass wir solch einen großen Geschwindigkeitsunterschied hatten. Ich wusste nicht, wann er mich einholen würde und zögerte deshalb, mich für eine Seite zu entscheiden", erklärt der 28-Jährige sein Missmanagement der Situation. "Außerdem war ich natürlich mit meinem beschädigten Auto beschäftigt, ich wollte schließlich nicht abfliegen mit einem komplett platten Reifen. Auf einem Straßenkurs ist sowas immer schwierig und ich sah ihn einfach zu spät - aber letztendlich hätte ich es anders handeln sollen", gibt Hartley zu.

Wollte Toro Rosso seinen Piloten Windschatten geben?

Und so suchte er unmittelbar nach Rückkehr in die Box das Gespräch mit seinem jüngeren Teamkollegen. "Er hat es glücklicherweise total verstanden. Es gab kein böses Blut. Er weiß, dass ich das nicht gemacht habe, um ihm seine Runde zu versauen. Es ging alles so schnell. Mein Reifen verlor nach dem Mauerkontakt urplötzlich Luft und ich musste sehr langsam machen. Ich habe ihn nicht gesehen, und habe einfach eine schlechten Job gemacht, als ich ihm im Weg stand", offenbart der Neuseeländer zerknirscht.

Für Gasly hätte es ohne den Zwischenfall nach eigenem Bekunden locker für Q2 gereicht. "Ich war zu dem Zeitpunkt rund sechs Zehntel schneller als in meiner vorigen Runde. Ich dachte, ich könnte mich leicht um acht oder neun Zehntel verbessern." Im letzten Sektor hätte der Franzose sogar vom Windschatten seines Teamkollegens profitieren können - wohl auch aus dieser Kalkulation schickte der Toro-Rosso-Kommandostand seine beiden Piloten unmittelbar hintereinander auf die Zeitenjagd in Q1. "Als ich aus Kurve 12 kam, dachte ich noch, er würde mir einen richtig guten Windschatten für die lange Gerade in Sektor 3 geben", so Gasly.

Doch dann kam alles anders und Hartley wäre um ein Haar zum Katapult geworden. "Ich mache ihn jetzt nicht zum Sündenbock. Er war mit seinem eigenen Auto beschäftigt. Alles ging so schnell und ich sah mich schon durch die Luft fliegen. Es war ein schlimmes Gefühl und keine tolle Situation, aber okay..." Einen großen Rüffel gab es zumindest unmittelbar danach in der Box auch von Teamchef Franz Tost nicht für Hartley: "Er war ziemlich ruhig. Ich bin schon selbst genügend enttäuscht", so der 28-Jährige.

Aussprache schon nach China-Unfall

Einig sind sich beide Piloten übrigens auch, dass nicht einmal das Team den Zwischenfall durch eine rechtzeitige Nachricht am Funk hätte verhindern können. "Es ging alles so schnell. Sie wussten noch nicht einmal, warum Brendon so langsam wird. Als sie es kapierten, war es schon zu spät, das war ich schon vorbei", schildert Gasly.

Dass nach dem zweiten teaminternen Zwischenfall innerhalb von zwei Wochen atmosphärische Störungen bleiben, glaubt der Franzose nicht. Obwohl er am China-Crash noch immer Hartley die Schuld gibt, sagt er: "Wir hatten uns auch nach Schanghai ausgesprochen. Es war alles gut. Das jetzt war eine neue Situation, aber da bleibt nichts zurück." So sieht es auch der Neuseeländer: "Da gibt es keinen Bezug zu China. Wir haben uns ausgesprochen und machen jetzt weiter."

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