• 27. April 2018 · 21:53 Uhr

Beinahe Crash mit 340 km/h: Haas-Piloten drängen Gasly ab

Pierre Gasly hat eine Schrecksekunde im zweiten Freien Training in Baku mit den Haas-Piloten unbeschadet überstanden - Toro Rosso spekuliert mit Windschatten

(Motorsport-Total.com) - Das Toro-Rosso-Team konnte sich am Freitag in Baku nicht in Szene setzen. Nach der Achterbahnfahrt von Bahrain und China hofften Brendon Hartley und Pierre Gasly am gestrigen Mediendonnerstag noch auf den Q3-Einzug. Allerdings lagen die Piloten am Freitag außer Reichweite der Top 10. Im Durchschnitt fehlten zwei Sekunden auf die Spitze. Allerdings könnten die unerfahrenen Teamkollegen am Samstag auf einen Trick zurückgreifen, der eine halbe Sekunde bringen könnte. Für einen Schockmoment sorgte der Franzose außerdem, als er Rad-an-Rad gegen Kevin Magnussen kämpfte.

Foto zur News: Beinahe Crash mit 340 km/h: Haas-Piloten drängen Gasly ab

Pierre Gasly wäre in Baku am Freitag fast mit den Haas-Piloten kollidiert Zoom Download

"Wir hatten schon vor dem Rennen einen kleinen Kampf", kommentiert Gasly die Szene. Bereits im ersten Freien Training kam ihm ein Haas-Pilot auf Start-Ziel in die Quere, im zweiten Training wiederholte sich die Szene. "Ich war gerade auf einer schnellen Runde, sie sind aber langsam herumgefahren. Im ersten Training hat mich Kevin überholt, als ich meine Runde beginnen wollte. Ich musste die Runde dann abbrechen, er hat mich rausgedrückt. Das war ziemlich gefährlich. Dann hat Romain genau das Gleiche gemacht", schildert der Franzose.

Vor allem der Schreckmoment gegen Magnussen hat sich bei ihm im Gedächtnis festgesetzt: "Ich weiß nicht, wie viel Platz da zwischen den Autos war, aber ich dachte, dass er mir meinen Frontflügel gleich abfahren wird. Wir fahren da mit 340 km/h rum. Manchmal ist es eben doch besser, etwas mehr Platz zu lassen." Nach der anfänglichen Aufregung ist Gasly mittlerweile wieder entspannt, denn noch vor dem Fahrerbriefing am Freitagabend gab es ein klärendes Gespräch mit Magnussen und Grosjean.

Motorproblem bei Gasly im ersten Training

Mit einer Zeit von 1:44.712 Minuten platzierte sich Gasly im zweiten Training als besserer Toro-Rosso-Pilot nur auf Position 15. Seinen Teamkollegen hatte er in beiden Sessions im Griff, jeweils drei Zehntelsekunden trennten die beiden. Und das obwohl Gasly im ersten Training ein Problem mit dem Honda-Antrieb hatte: "Wir mussten ein paar kleinere Eingriffe an der Antriebseinheit vornehmen, außerdem haben wir ein paar Aero-Tests ausprobiert. Diese Änderungen haben dazu geführt, dass wir nicht das Beste aus der ersten Trainingssession holen konnten", erklärt Chefingenieur Jonathan Eddolls.

Hartley beendete den Trainingstag auf Platz 18, ihm fehlten bereits 2,1 Sekunden auf die Bestzeit von Kumpel Daniel Ricciardo. Der Neuseeländer stand gleich mehrmals in verschiedenen Auslaufzonen und beklagte sich über fehlenden Grip. In den Kurven 1, 8 und 15 ritt er mit dem STR13 aus. Er misst den Ausrutschern und Verbremsern vom Freitag aber keine große Bedeutung bei. "Die Strecke war heute zu Beginn noch sehr rutschig. Ich bin ein paar Mal im Notausgang gelandet, war aber nicht der einzige Fahrer. Auch bei der Mauer bin ich ein paar Mal knapp angekommen, aber zum Glück habe ich das Auto nicht beschädigt."

Beide Piloten konnten sich von der Vormittags- auf die Nachmittagssession um rund 1,7 Sekunden steigern. Dennoch waren die Top 10 - Gasly war im ersten Training noch Neunter - am kühleren Nachmittag unerreichbar. "Die Strecke hat sich stark verändert hin zu Nachmittag, man konnte einen großen Unterschied spüren. Das erste Training war okay von der Performance her. Ich hatte aber nicht viele freie Runden, vielleicht nur fünf." Das zweite Training sei hingegen "ziemlich schwierig" gewesen.

Longrun schwieriger als schnelle Runde

Gasly geht ins Detail: "Das Auto hat sich nicht so toll angefühlt, was die Balance und das Potenzial angeht. Auf dem Longrun hatten wir große Probleme mit den Reifen. Auf der langen Geraden im letzten Sektor sind wir nicht so konkurrenzfähig. Das ist nicht einfach", zählt er die Probleme mit dem STR13 auf. Vor allem auf dem Ultrasoft habe er sich nicht wohlgefühlt, die Reifen seien nur erschwert ins Arbeitsfenster zu bringen.

Auch Harltey bestätigt diesen Eindruck: "Zu Beginn des zweiten Trainings sahen wir auf dem Supersoft ganz gut aus. Auf dem Ultrasoft war die Leistung allerdings nicht gut genug. Auch auf dem Longrun mit dem Ultrasoft hat uns definitiv Pace gefehlt." Generell beklagten die beiden fehlende Balance im Auto, Instabilität in den Kurven und fehlende Traktion.

Hartley präzisiert: "Die Wahrheit ist, dass wir bei der Balance morgen noch ranmüssen. Da sind wir vom ersten auf das zweite Training in die falsche Richtung abgebogen. Aber selbst, wenn wir das lösen, würde uns das nicht viel weiter nach vorne spülen." Beide betonten aber auch das vor allem der Windschatten große Auswirkungen auf die Rundenzeiten haben kann. "Manche hatten Glück, daher sind ihre Rundenzeiten um eine halbe Sekunde schneller", glaubt der Neuseeländer. Auch Gasly meint: "Schon mit Windschatten gewinnt man eine halbe Sekunde. Damit wären wir mitten im Kampf."

Setzt Toro Rosso im Qualifying auf den Windschatten?

Rechnet man die halbe Sekunde von Gaslys Rundenzeit ab, dann wäre der Franzose mit einer niedrigen 1:44er-Zeit wohl auf Position 12 oder 13 gelandet. Zwar fehlt trotzdem etwas Zeit auf die Top 10, dennoch überlegt man bei Toro Rosso anscheinend, ob man den Windschatten im Qualifying für beide Fahrer ausnutzen könnte. "Windschatten ist auf dieser Strecke sehr wichtig", weiß auch Chefingenieur Eddolls.

"Damit können allein nur aus der letzten Kurve heraus vier oder fünf Zehntel gewonnen werden. Ein paar Autos hatten diesen Vorteil auf ihrer schnellsten Runde, unsere Runden haben wir hingegen ohne diesen Vorteil herausgefahren. Allerdings ist es im Qualifying sehr schwierig, den Windschatten zu orchestrieren, dennoch muss man das in Betracht ziehen."

Auch Harltey ist skeptisch, ob sich die Toro-Rosso-Piloten im Qualifying tatsächlich gegenseitig Windschatten-Schützenhilfe geben könnten: "Das ist schwierig, vorherzusehen. Du musst dich auf jemanden verlassen, der seine gezeitete Runde startet, während du deine zu Ende bringst. Wenn man das aber perfekt timt, dann liegt eine halbe Sekunde drin. Aber das dürfte schwierig werden mit der Koordination. Ich denke, es könnte riskant sein, die Runde eines Fahrers so zu kompromittieren", gibt er zu bedenken.

Topspeed-Schwäche und Windanfälligkeit bereiten Sorgen

Hinzukommt, dass Toro Rosso durch den Honda-Motor auf den langen Geraden einen weiteren Nachteil erfährt. Hartley schätzt zwar, dass das Team beim Topspeed im Mittelfeld liegt, Gasly merkt aber kritisch an: "Wir verlieren im letzten Sektor Zeit. Da es dort nur eine Kurve gibt, sieht es so aus, als verlieren wir Zeit auf der Geraden. Mit den beiden langen Geraden wussten wir bereits, das das ein schwieriger Kurs für uns werden könnte. Vielleicht können wir da mit weniger Abtrieb etwas unternehmen." Tatsächlich ist der dritte Streckenabschnitt eindeutig der schwächste der Toro-Rosso-Fahrer.

Erschwerend kommen für die Truppe aus Faenza an diesem Wochenende auch die Wetterbedingungen hinzu. Denn schon in China bemerkte das Team unter der Leitung Franz Tost, dass der STR13 besonders windanfällig ist. Am Sonntag sollen Windböen mit bis zu 80 km/h über die Hauptstadt am Kaspischen Meer hinwegfegen. "Das wird uns nicht gerade helfen. Da das ein Straßenkurs ist, hoffen wir, dass es weniger Einfluss haben wird als in China", gibt sich Gasly zuversichtlich. "Aber wir wissen, dass das unserem Paket nicht entgegenkommt."


Fotos: Toro Rosso, Grand Prix von Aserbaidschan


Er ortet das Team derzeit noch in "keiner kritischen" Position, allerdings liege man derzeit noch am Ende des Mittelfeldes. "Auf einer schnellen Runde können wir etwas unternehmen, im Longrun hatten wir größere Probleme. Aber wir werden kämpfen und uns nicht sofort auf das Spanien-Rennen konzentrieren." Ein Q3-Einzug dürfte dennoch schwierig werden - mit oder ohne Windschatten-Hilfe. "Von Q3 sind wir im Moment recht weit entfernt, aber wenn wir ein bisschen mehr Pace oder Windschatten finden, dann könnte es klappen. Aber das wird hier schwieriger als auf anderen Strecken." Dass muss nun auch Hartley einsehen, der am Donnerstag noch guter Dinge war. "Nach dem heutigen Tag glaube ich, dass das Q3 ein sehr ambitioniertes Ziel ist. Ich werde es dennoch in Angriff nehmen."

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