• 25. April 2018 · 08:15 Uhr

Rennvorschau Baku: Wieso Mercedes erneut Probleme drohen

Geht die Mercedes-Durststrecke weiter? Wieso Baku einige Fallen für die Silberpfeile bereithält und das Mercedes-Safety-Car im Leitplankenkanal Ferraris Freund ist

(Motorsport-Total.com) - Drei Rennen - und noch kein Mercedes-Triumph. Wer hätte das nach den Wintertests in Barcelona, wo der Silberpfeil so gut funktionierte, gedacht? Und wird die bislang längste Mercedes-Durststrecke seit der Reglement-Revolution 2014 in Baku (Formel 1 2018 live im Ticker) enden? Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff würde darauf offenbar nicht wetten: "Niemand kann das Ergebnis voraussagen, und es wird auf jedes Detail ankommen. Im vergangenen Jahr erlebten wir einen harten Kampf gegen Ferrari. Dennoch war das nichts im Vergleich zum Dreikampf in diesem Jahr."

Die Vorzeichen deuten darauf hin, dass dem Mercedes-Team in Baku dieses Jahr ein rauer Wind ins Gesicht blasen wird. Denn nicht nur der F1 W09 hat sich dieses Jahr als Auto mit dem kleinsten Reifenfenster als unberechenbar erwiesen, sondern auch die Verhältnisse dürften auf dem schnellen Stadtkurs kaum berechenbar sein.

"Der Grand Prix von Aserbaidschan findet in diesem Jahr zum ersten Mal im April statt. Entsprechend herrschen dort ganz andere Bedingungen vor als in den vergangenen Jahren, als wir im Juni ans Kaspische Meer gereist sind", weiß Wolff. Daher ist davon auszugehen, dass die Lufttemperaturen dieses Jahr um zehn Grad niedriger sein wird.

Set-up-Suche in Baku als Herkulesaufgabe

Und da der Rennstart um kurz nach 16:00 Uhr Ortszeit geplant ist, wird die Asphalttemperatur durch den Sonnenuntergang deutlich sinken. Das wird die Teams unvorbereitet treffen, da kein Freies Training zu dieser Tageszeit stattfindet. Der Wechsel zwischen Licht und Schatten wegen der Gebäude und die somit entstehenden unterschiedlichen Asphalttemperaturen werden die Set-up-Suche, bei der sich Mercedes ohnehin schwer tut, zusätzlich erschweren.

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Licht und Schatten, lange Geraden: Mercedes steht in Baku auf dem Prüfstand Zoom Download

Und dann wäre da noch die Streckencharakteristik: Der Kurs in der aserbaidschanischen Hauptstadt verfügt über eine zwei Kilometer lange Gerade, auf der die Reifen rasch auskühlen - ein Problem, das Mercedes schon in China besonders zu schaffen machte. Von Reifenhersteller Pirelli, der dieses Jahr weichere Mischungen nach Baku bringt, hört man, dass erneut das "gleichmäßige Erwärmen der Vorder- und Hinterreifen" eine Herausforderung sein könnte. "Kühlere Bedingungen werden dieses Problem wahrscheinlich noch verschärfen."

Genau aus diesem Grund war Hamilton im Vorjahr im Freitag-Training völlig von der Rolle, ehe man erkannte, dass die Vorderräder des Boliden beim Räubern über die Randsteine zu oft den Bodenkontakt verloren hatten und sich das auf die Reifentemperatur an der Vorderachse auswirkte. Man wird sehen, ob die Mercedes-Ingenieure aus dieser Lektion gelernt haben.

Die Stärken von Ferrari und Red Bull

Doch es gibt noch andere Gründe, warum es für Hamilton, der im Vorjahr von Vettel gerammt wurde, und Bottas erneut ein schwieriges Wochenende werden könnte: Auf den langen Geraden ist der dieses Jahr vor allem im Qualifying bärenstarke Ferrari-Motor eine ernsthafte Bedrohung, außerdem ist der SF71H, dem man das Untersteuern vom Saisonauftakt ausgetrieben hat, das gutmütigere Auto.


Fotos: Grand Prix von Aserbaidschan


Red Bull ist zwar im Qualifying unter normalen Umständen keine Konkurrenz, dafür hat Daniel Ricciardo bei seinem Sieg im Vorjahr mit dem flachen "Monza-Heckflügel" und bei seinem Triumph eben erst in China gezeigt, dass man mit dem Red Bull überholen kann. Und Baku hat vor allem im Vorjahr mit seinen 42 Überholmanövern gezeigt, dass sich die Führenden nach dem Qualifying nicht in Sicherheit wähnen dürfen. Außerdem könnte sich die Qualifying-Schwäche im Rennen als Trumpf erweisen, denn der RB14 schont die Reifen wie kaum ein anderes Auto.

Verstappen unter Druck

"Wie vor einer Woche in Schanghai hatte das Team im Vorjahr eine hervorragende Strategie und traf einige großartige Entscheidungen im Rennen", sieht auch Vorjahressieger Ricciardo Parallelen zwischen seinem Baku-Sieg 2017 und dem Schanghai-Triumph. Und Teamkollege Max Verstappen ist topmotiviert, endlich Kapital aus dem Potenzial des Red-Bull-Boliden zu schlagen.

Und sich für den Baku-Ausfall im Vorjahr zu rehabilitieren. "Ich habe damals sogar einen möglichen Sieg liegenlassen", verweist er auf seinen Motorschaden. "Das möchte ich dieses Jahr wieder gutmachen." Vor allem in den engen Schluchten von Baku wird es für den 20-Jährigen aber auch darum gehen, nicht erneut zu ungeduldig zu agieren, sonst droht ihm, im Titelrennen endgültig den Anschluss zu verlieren.

Derzeit liegt Verstappen mit 18 WM-Punkten nur auf dem achten Platz, während Vettel mit insgesamt 54 Zählern neun Punkte vor Hamilton, 14 vor Bottas und 17 Zähler vor Ricciardo an der Spitze des Klassements rangiert.

Warum das Safety-Car Ferraris Freund ist

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Viele Zwischenfälle: Im Vorjahr war das Safety-Car in Baku im Großeinsatz Zoom Download

Gibt es viele Zwischenfälle, dann würde das übrigens eher den Mercedes-Konkurrenten entgegenkommen, solange sie sich aus allen Scharmützeln heraushalten können. Denn der Baku City Circuit, auf dem die Mauern bedrohlich nahe am Asphaltband liegen und die engste Stelle nur acht Meter breit ist, sorgt mit seinem Stop-and-Go-Charakter in der Regel für einen hohen Spritverbrauch. Diesbezüglich ist die Mercedes-Antriebseinheit überlegen, während Ferrari Schwierigkeiten hat.

"Aber solange das Safety-Car einmal herauskommt, ist der Spritverbrauch kein Problem mehr", weiß Haas-Pilot Romain Grosjean, der selbst eine Ferrari-Antriebseinheit im Heck hat. "Sonst kann es eine Herausforderung werden." Laut Statistik beträgt die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit 50 Prozent: Während Bernd Mayländer im Vorjahr drei Mal ausrücken musste, blieb er bei der eintönigen Premiere vor zwei Jahren überraschenderweise an der Box.

Pirelli bringt deutlich weichere Reifen

Apropos Box: Was kommt in Baku strategisch auf die Teams zu? Im Vorjahr bestimmten die Safety-Car-Phasen die Strategie, denn Pirelli brachte 2017 mit Supersoft, Soft und Medium viel zu harte Reifen zum Grand Prix. Der Medium-Pneu wurde daher von den Teams ignoriert, aber selbst die anderen beiden Mischungen hätten die gesamte Renndistanz durchgehalten. Es wäre also ein klares Einstopprennen geworden.

Dieses Jahr haben die Italiener reagiert und mit Ultrasoft, Supersoft und Soft um einen Grad weichere Reifen nominiert. Da das 2018er-Kontingent ohnehin weicher konstruiert ist als die Reifen des Vorjahres, kann man sogar von zwei Stufen sprechen. "Dies sollte dazu führen, dass alle drei Mischungen als realistische Rennoptionen eingesetzt werden und wir wie bei den beiden Grand-Prix-Rennen in Bahrain und China kreative Rennstrategien sehen werden", hofft Pirelli-Manager Mario Isola.

Ferrari mag es weicher als Mercedes

Doch wie haben sich die Piloten bei ihren persönlichen Nominierungen entschieden? Während die Ferrari-Piloten zehn Sätze der weichsten Mischung Ultrasoft gewählt haben, setzen die Mercedes-Fahrer auf einen Satz weniger. Die Red-Bull-Piloten kommen überhaupt mit acht Sätzen Ultrasoft aus.

Verstappen und Ricciardo gehen auch mit drei Supersoft- und zwei Soft-Sätzen den gleichen Weg, Ferrari und Mercedes verfolgen hingegen unterschiedliche Programme: Hamilton hat je zwei Sätze Supersoft- und Soft-Pneus nominiert, Bottas gleich drei Sätze Supersoft und nur einen Satz Soft. Bei Ferrari kommt auch Vettel mit einem Satz Soft und zwei Sätzen Supersoft aus, während Kimi Räikkönen zwei Mal Soft und einmal Supersoft gewählt hat.

Renault kündigt Update an

Hinter den Topteams tobt auch diesmal wieder der Kampf um den Titel "Best of the Rest": Nachdem Haas und Toro Rosso bei den ersten zwei Saisonrennen Renault und McLaren die Show gestohlen hatten, waren in China Nico Hülkenberg und Fernando Alonso auf den Plätzen sechs und sieben die schnellsten Piloten des Verfolgerfeldes.

Wie es in Baku aussehen wird? Während McLaren in Baku das Fahrzeugkonzept mit viel Luftwiderstand das Leben schwer machen könnte, hat Renault immerhin ein großes Update-Paket angekündigt. Die Truppe aus Enstone will eine neue Stufe der Chassis-Updates inklusive überarbeiteter Flügel und Bargeboards zünden.

Haas möchte währenddessen endlich das Potenzial des VF-18 ordentlich nutzen. Das gilt vor allem für Grosjean, der trotz gutem Tempo nach wie vor keinen einzigen Punkt auf dem Konto hat. "Bei diesem Rennen waren wir im Vorjahr nicht sehr konkurrenzfähig", blickt der Franzose zurück. "Ich bin gespannt, wie viele Fortschritte wir gemacht haben." Teamkollege Kevin Magnussen, der im Vorjahr auf Platz sieben kam, rechnet mit einem Schritt nach vorne: "Unser Auto ist sehr gut, und das gilt auch für die Balance."

Die Probleme von Toro Rosso, Force India und Williams

Bei Toro Rosso muss man nach dem Rückschlag in China herausfinden, warum der STR13 so sensibel auf Set-up-Änderungen reagiert. Dass es dieses Jahr in Baku nicht so heiß werden wird wie im Vorjahr und auch der Asphalt glatt ist, könnte ein Nachteil für die Truppe sein, die auf dem rauen Bahrain-Asphalt ihren bisherigen Saisonhöhepunkt erlebt hat.

Das Force-India-Team weiß schon jetzt, dass man wohl kleinere Brötchen backen wird müssen. Der VJM11 hat ein Problem mit den Seitenkästen, die keine optimale Anströmung des Hecks gewährleisten. Das sorgt für ein instabiles Heck, was bei der Millimeterarbeit in Baku für Schwierigkeiten sorgen könnte, und einen höheren Reifenverschleiß. Erst in Barcelona rechnet man mit einem deutlichen Aufwärtstrend.

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Kann Hülkenberg nach der Glanzleistung in China erneut brillieren? Zoom Download

Ähnlich wie Force India geht es derzeit dem Williams-Team, das im Vorjahr in Baku mit Lance Strolls drittem Platz für eine Sensation sorgte, aber dieses Jahr den eigenen Ansprüchen bei weitem nicht gerecht wird. "Es wäre gewagt für Lance, einen weiteren Podestplatz zu erwarten, aber er sollte sich eigentlich in Anbetracht des starken Rennens im Vorjahr gut schlagen", meint Technikchef Paddy Lowe. "Außerdem sollte es dieses Jahr kühler sein als zuletzt", hofft er, dass das Kühlungsproblem seines Boliden weniger Zeit kostet.

Sauber wird auch dieses Mal wieder versuchen, ins Mittelfeld einzudringen: Immerhin hat Rookie Charles Leclerc, der im Vorjahr in der Formel 2 in Baku einen ersten und einen zweiten Platz einfuhr, gute Erinnerungen an den Kurs: "Ich fühle mich auf dem Baku City Circuit sehr wohl. Stadtkurse gefallen mir im Allgemeinen sehr gut", sagt der Sauber-Pilot, der aus den Häuserschluchten von Monaco stammt.

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