Vettel war verzweifelt: Mit Notlüge aus dem "Schachmatt"!
Sebastian Vettel und Valtteri Bottas lieferten sich in Bahrain ein packendes Duell: Der Ferrari-Pilot wähnte sich schon als Verlierer und griff dann noch in die Trickkiste
(Motorsport-Total.com) - Der Bahrain-Grand-Prix hat einen Strategieknüller der Extraklasse geboten. Sebastian Vettel konnte Valtteri Bottas in einem äußert knappen Schlussduell hinter sich halten, obwohl Mercedes Ferrari im strategischen Schraubstock hatte. Die Silberpfeile hatten die Scuderia zu einem frühen Boxenstopp gedrängt, bevor man selbst Mediums aufzog, um so mit nur einem Reifenwechsel durchzukommen.
"Ich dachte, sie hätten uns Schachmatt gesetzt", muss selbst Vettel nach dem Rennen zugeben. Der Heppenheimer sollte eigentlich zweimal in die Box kommen, doch weil er den Sieg mit einem erneuten Reifenwechsel wohl an Bottas verloren hätte, pokerte man bei Ferrari und ließ Vettel auf seinen steinalten Softs draußen. "Wir hatten nichts mehr zu verlieren", sagt Vettel. "Aber es hat funktioniert, ich bin sehr glücklich."
39 Runden musste der Heppenheimer mit seinen Reifen haushalten. Das Problem war, dass er von den Silberpfeilen zu dieser Taktik gezwungen wurde. Bottas kam am Ende des ersten Stints auf zwei Sekunden an den Ferrari heran. Um einen möglichen Undercut zu vermeiden, fuhr Vettel nach 18 Runden schließlich als erster Toppilot in die Box und holte sich Softreifen ab, Bottas stoppte erst zwei Runden später für Mediums.
Vettel wollte Mercedes reinlegen
"Weil Valtteri am Ende des ersten Stints aufschloss, hatten wir nicht mehr den Luxus, darauf warten zu können, was er macht. Dadurch mussten wir zuerst kommen, um unsere Position zu verteidigen", erklärt Vettel das Problem. Als die mögliche zweite Runde Boxenstopps anstand, hatte Bottas nur rund sieben Sekunden Rückstand - und weil Vettel durch seinen Stopp definitiv hinter den Finnen und Lewis Hamilton gefallen wäre, zockte Ferrari und ließ Vettel draußen.
Von da an ging es nur darum, die Reifen so gut es geht am Leben zu lassen. Der Mercedes hinter ihm schloss aber immer weiter auf, sodass sich Vettel sogar zu einer Notlüge gezwungen sah. Eigentlich war Vettel in Sorge, weil er zehn Runden vor Schluss dachte, dass sein Vorsprung niemals reichen würde, doch seiner Crew erzählte er am Funk etwas anderes. "Ich habe gesagt, dass ich alles unter Kontrolle habe. Ich muss zugeben: Das war eine Lüge. Ich hatte nichts unter Kontrolle", gibt er zu.
Die Lüge hatte einen bestimmten Zweck: Vettel hoffte, dass Mercedes darauf reinfallen und Bottas mitteilen würde, dass der Ferrari die Pace kontrolliert und man den Motor schonen könne, damit er selbst vorne etwas mehr Luft bekommt. "Aber das war nicht der Fall", meint er. "Wenn ich gesagt hätte, dass meine Reifen durch sind, dann hätten sie ihm gesagt, dass er pushen soll."
Bottas mit Chance in letzter Runde
Vettels Reifen bauten immer mehr ab und Bottas kam immer näher. Der Finne witterte den Sieg und saugte sich bis in den DRS-Bereich vor: "Weil wir auf den härteren Reifen waren, wusste ich, dass die Chance da ist, dass er (Vettel; Anm. d. Red.) am Ende Probleme bekommt. Ich habe einfach versucht, jede Kurve in jeder Runde perfekt zu fahren und ihn einzuholen", schildert der Mercedes-Pilot.
In der letzten Runde bot sich sogar die Chance auf einen Angriff, doch Vettel wusste diesen in Kurve 1 abzuwehren, sodass sich Bottas am Ende mit Rang zwei zufriedengeben musste. "Mit so einer Pace am Ende knapp Zweiter zu werden, ist extrem enttäuschend", sagt er etwas zerknirscht. "Auch meine Reifen sind eingebrochen. Die letzte Runde war wirklich schwierig."
"Es ist einfach frustrierend", meint auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Ich glaube, es wäre mehr drin gewesen. Aber man sollte bescheiden bleiben, wenn man bedenkt, von wo wir losgefahren sind. Aber ein Rennen so knapp zu verlieren ist einfach ärgerlich", so der Österreicher, bei dem unterschwellig ein wenig Kritik an Bottas durchklingen könnte.
War Bottas zu zögerlich?
Lewis Hamilton hätte ein Manöver durchgezogen, glaubt zumindest Ex-Pilot Timo Glock. "Ich glaube schon, denn was hat er zu verlieren gehabt?", fragt der Deutsche. "Wenn er reingehalten hätte, hätte es Sebastian sicherlich nicht auf einen Crash ankommen lassen. Er hätte die Tür aufgemacht. Ich glaube, er hätte da aggressiver rangehen können."
Darauf angesprochen, möchte Wolff seinem Piloten aber nicht in den Rücken fallen: "Ob Lewis es gewagt hätte? Ich weiß nicht. Ich möchte auch Valtteri gegenüber nicht unfair sein, weil es eine lange Meisterschaft ist, und wenn du in der letzten Runde ausscheidest, dann bist du ein Idiot", sagt der Mercedes-Boss.
Bottas selbst sagt, dass er bei seinem Versuch in Kurve 1 gesehen habe, dass Vettel wusste, was passieren wird. "Er ist nach innen gezogen und hat mich blockiert. Er hatte einen guten Run auf Kurve 4. Er wusste, dass ich es versuchen würde", erklärt er. Außerdem seien auch seine Reifen eingebrochen, sodass auch er nicht mehr viel auf den Pneus übrig hatte.
Wolff: Vettel war "sehr clever"
Toto Wolff muss zugeben, dass Vettel den Schlussspurt "sehr clever" vorbereitet habe. Ferrari habe Batterieenergie und Sprit für die letzten drei Runden gespart, sodass Mercedes einsehen musste, dass Vettel noch etwas in der Hinterhand hat. Zuvor habe Vettel "sehr viel" Sprit sparen müssen, wie Wolff anhand der Funkkommunikation mitbekam. Doch weil man am Ende noch einmal zulegen konnte, musste sich Mercedes schließlich mit Rang zwei und drei begnügen.
Großen Anteil am Ferrari-Erfolg hat aber natürlich Sebastian Vettel, der seine Reifen perfekt bis ins Ziel gemanagt hat. "Das war ein Sahnestück", lobt Timo Glock die Tatsache, dass Vettel 39 Runden lang fehlerfrei auf dem Soft um den Kurs kam. Überhaupt war der Deutsche begeistert von dem heutigen Grand Prix. "Ein unfassbares Strategiespiel, dass sich durch das ganze Rennen gezogen hat", sagt er.
Der Sieger hieß so am Ende Ferrari, obwohl ihre Taktik heute beinahe von Mercedes ausgestochen wurde. "Es war eine großartige Strategie, die uns enorm unter Druck gesetzt hat", zollt Vettel der silbernen Konkurrenz Respekt. Doch mit einer Notlüge, einer fehlerfreien Fahrt und einem exzellenten Reifenmanagement hielt Vettel dem Druck stand. "Es hat funktioniert - aber geradeso", atmet er durch.