Warum Lewis Hamilton im Finish nicht mehr attackiert hat
Zu heiße Reifen, überhitzende Bremsen und ein kochender Motor zwangen den Mercedes-Piloten zur Vernunft: Lieber Platz zwei und ein heiler Antrieb
(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Pilot Lewis Hamilton bedauert, dass er in der Schlussphase des Australien-Grand-Prix in Melbourne keinen Angriff auf Sebastian Vettel mehr lancieren konnte. Wie der Brite sagt, hätte ihn der Zustand seines Antriebsstranges von einer Attacke auf den führenden Ferrari abgehalten. "Ich musste mich zurücknehmen", meint Hamilton. "Der Motor überhitzte - und er muss eigentlich sieben Rennen lang halten, eher mehr wenn möglich. Ich war am Anschlag und machte mir Sorgen."
Auf Hamiltons Schultern saßen im Cockpit Engelchen und Teufelchen. Einerseits wollte er gewinnen, andererseits die WM-Gesamtwertung nicht aus den Augen verlieren - indem er etwa durch abgenutzte Reifen einen Unfall gebaut oder den Motor zum Kochen gebracht hätte. "Ich dachte, dass ich ihn nicht mehr erwischen würde", sagt er über Vettel, "ich fuhr mit 110 Prozent Einsatz und riskierte alles für sieben Punkte." Zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich hätte zurücknehmen sollen.
"Doch das geht gegen mein Verständnis von Racing", bekennt Hamilton. Er fragte im Funk, ob er angreifen könne - erhielt aber zunächst keine Antwort von seinem Renningenieur Peter Bonnington. "An der Kommunikation müssen wir noch ein bisschen arbeiten", moniert er. Ehe sich Mercedes abgestimmt hatte, verbremste sich Hamilton zehn Runden vor Schluss und verlor zwei Sekunden auf Vettel. Um die Lücke zu schließen, gab es ohnehin keine Alternative zu voller Attacke.
Er kam wieder heran, doch die Sache wurde ihm zu bunt - ab in den Schongang. "Es mag nicht spannend für die Fans gewesen sein, aber ich will mit drei Antrieben über die Saison kommen", erklärt Hamilton. Mercedes-Sportchef Toto Wolff spricht von der richtigen Entscheidung: "Es ging darum, das Tempo im Zaum zu halten und Sebastian erst am Ende zu attackieren. Aber sobald man mit den aktuellen Autos zu nahe auffährt, verliert man Abtrieb. Die Reifen beginnen zu rutschen."
Mindestens dreimal stand Hamilton leicht quer. Ab einem gewissen Punkt kochte nicht nur der Motor, sondern auch die Reifen. Die Temperaturen der Bremsen bereiteten den Mercedes-Ingenieuren ebenfalls Sorgen. Es ging nicht anders als aufzustecken, auch wenn Wolff betont, dass die Philosophie der Silberpfeile in solchen Fragen eine andere wäre: "Wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir sie Rennen fahren lassen. Wir fangen nicht an, immer weiter runter- und runterzudrehen."
Erstaunlicherweise erlebte Vettel das Gegenteil: Mit freier Fahrt an der Spitze waren weder Reifen noch Bremsen oder Motor im kritischen Bereich: "Im vergangenen Jahr mussten wir wirklich viel haushalten. Diesmal ging es etwas knackiger zur Sache. Auch wenn wir kein Rad-an-Rad-Duell ausgefahren haben, konnte aber ich sehen, wie viel Druck Lewis gemacht hat", so der Ferrari-Star.
Die Erklärung, dass der Deutsche ohne die Probleme auskam, weil ein störendes Auto in Front fehlte, wäre logisch. Doch es könnte sich um Mercedes-spezifisches Problem handeln. Auch Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas und Lance Stroll im Williams-Kundenauto beklagten Überhitzen - allerdings steckten beide während des Rennes viel im Verkehr. Sergei Sirotkin im zweiten Williams fuhr zu kurz, als dass er ein verlässliches Beispiel abgeben würde. Der zweite Antriebsk unde Force India dagegen kam locker über die Runden - trotz zahlreicher Überholmanöver.