Rennvorschau Mexiko: Worüber Hamilton stolpern könnte
Der Titelkampf ist so gut wie entschieden, doch Mexiko birgt für Mercedes einige Fallen: Warum Ferrari in der dünnen Luft Favorit ist und welche Defekte lauern
(Motorsport-Total.com) - Du hast keine Chance, also nutze sie! Das ist das Motto für Sebastian Vettel beim bevorstehenden Grand Prix von Mexiko (bei Motorsport-Total.com im Live-Ticker). Der Ferrari-Pilot liegt in der WM nach einer Pechsträhne und fünf Siegen seines Titelrivalen Lewis Hamilton seit der Sommerpause 66 Punkte zurück. Hamilton reicht also ein fünfter Platz, um seinen vierten WM-Triumph endgültig sicherzustellen - ganz egal, was Vettel macht.
Der Weltmeister-Champagner kann also in der Mercedes-Hospitality bereits kaltgestellt werden. "Die Mexikaner wissen, wie man feiert", freut sich Hamilton auf das stets ausverkaufte Tollhaus Autodromo Hermanos Rodriguez. "Wenn es da so weit ist, dann bekomme ich hoffentlich einen Sombrero und bin bei einer dieser Partys dabei."
Die Wahrscheinlichkeit ist enorm, denn bei einem zweiten Platz Vettels würde Hamilton schon ein neunter Rang reichen - und kommt der Heppenheimer nicht über Rang drei hinaus, ist die WM sowieso entschieden. Doch der WM-Leader ist trotzdem gewarnt, hat er nicht im Jahr 2007 bereits einmal einen sicher geglaubten Titel doch noch verloren. Auch damals hätte ihm ein fünfter Platz beim vorletzten Rennen in China gereicht, doch der damalige McLaren-Pilot strandete bei der Boxeneinfahrt im Kiesbett.
Warum Mercedes in Mexiko mit Schwierigkeiten rechnet
Dazu kommt, dass Mexiko-Stadt der Papierform nach Ferrari-Terrain ist. Und Mercedes mit einem mulmigen Gefühl anreist, obwohl man auf dem Kurs bislang ungeschlagen ist. "Für Mexiko, wo viel Abtrieb gefordert ist, mache ich mir Sorgen", warnt Hamilton. "Dort könnten wir Schwierigkeiten kriegen." Denn Abtrieb ist ganz klar die Stärke der Scuderia - das hat man schon in Sepang gesehen, als Mercedes nur durch eine Meisterleistung Hamiltons auf Platz zwei kam.
"Alle Autos werden mit maximalem Abtrieb fahren - wie auch in Monaco oder in Ungarn", bestätigt Vettel, der diese beiden Rennen übrigens vor seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen gewonnen hat, gegenüber 'RTL'. Doch die Höhenlage von 2.285 Metern sorgt für äußerst ungewöhnliche Umstände: "Trotz dieser steilen Flügel haben wir weniger Abtrieb als in Monza."
Daher erreichte Bottas im Vorjahr laut der inoffiziellen Williams-Messung einen neuen Geschwindigkeitsrekord von 373,5 km/h, der dieses Jahr mit Sicherheit nicht fallen wird, weil die breiteren Autos mehr Luftwiderstand aufbauen. Dennoch hofft Mercedes auf den Faktor Leistung, denn diesbezüglich ist man gegenüber Ferrari nach wie vor leicht im Vorteil.
Bremsdefekte drohen
Da die Kühlung aber in Mexiko durch die dünnere Luft eine große Rolle spielt und der Ferrari diesbezüglich effizienter ist, könnte auch das gegen Mercedes sprechen, auch wenn die Turbomotoren selbst nicht unter der dünnen Luft leiden. Dennoch beruhigt Mercedes-Motorsportchef Lauda: "Unser Auto ist mit Sicherheit besser als ein fünfter Platz."
Doch auch ein Ausfall könnte in Mexiko drohen. Die ungewöhnliche Höhenlage macht aus dem Autodromo Hermanos Rodriguez, das beim tragischen Erdbeben vor rund einem Monat mit über 300 Todesopfern nicht beschädigt wurde, auch eine materialmodernde Strecke. "Wir haben trotz der langen Geraden wegen der dünnen Luft nicht die Möglichkeit, die Bremsen ausreichend zu kühlen", erklärt Vettel. Da auf dem Kurs drei Mal hart gebremst wird, ist dies laut dem Ferrari-Piloten aus technischer Sicht "die größte Herausforderung". Die Teams fürchten, dass die Bremsen so stark abgenutzt werden könnten, dass die Bremsscheibe irgendwann explodiert.
Immerhin deutet der Wetterbericht derzeit nicht auf eine abslute Hitzeschlacht hin, was Mercedes zugute kommen sollte: An allen drei Tagen sind Höchstwerte im Bereich von 23 bis 24 Grad prognostiziert, am Samstag und am Sonntag dürfte ein bedeckter Himmel auch dafür sorgen, dass sich die Asphalttemperatur in Grenzen hält. Der an den vergangenen Rennwochenenden immer wieder angekündigte Regen trifft laut Prognose erst am Montag nach dem Grand Prix ein.
Red Bull: Unkonventionelle Reifenwahl und Gridstrafe?
Pirelli hat sich wie so oft in dieser Saison auch in Mexiko dazu entschlossen, bei den Reifenmischungen eine Stufe weicher zu gehen. Wie bereits in Austin kommen mit Ultrasoft, Supersoft und Soft die weichsten Mischungen zum Einsatz. Der Belag ist glatt und rutschig, wodurch sich die Abnutzung in Grenzen halten wird. Das - und die Tatsache, dass Mexiko über die längste Boxengasse im Kalender verfügt - spricht dafür, dass die Erfolgsstrategie wie im Vorjahr bei Sieger Hamilton ein Stopp sein wird.
Doch für welche Reifenmischungen haben sich die Piloten im Vorfeld entschieden? Während die Mercedes-Piloten auf gleich neun Sätze Ultrasoft setzen, sind es bei den Rivalen von Ferrari sieben und bei Red Bull gar nur sechs. Die Herausforderer mit Sitz in Milton Keynes gehen also einen ungewöhnlichen Weg und haben als einzige je drei Sätze der härtesten Mischung Soft nominiert.
Man darf gespannt sein, ob das Team von Max Verstappen und Daniel Ricciardo auch in Mexiko in der Lage sein wird, Mercedes und Ferrari herauszufordern. Der Australier geht aber mit etwas Bauchweh in das Wochenende: Nach seinem Ausfall in Austin wegen Ölverlusts droht dem WM-Vierten ein Wechsel der Antriebseinheit und damit eine Rückversetzung in der Startaufstellung. Besonders bitter: Da bereits Verstappen in den Genuss der einzigen für Red Bull verfügbaren neuen Renault-Ausbaustufe gekommen ist, müsste Ricciardo mit einem schwächeren Triebwerk als der Teamkollege vorliebnehmen.
Dank Sainz: Holt Renault doch noch Platz fünf?
Da Force India den vierten Platz in der Konstrukteurs-WM rein rechnerisch noch verlieren könnte, müssen sich die Streithähne Esteban Ocon und Sergio Perez ein weiteres Mal auf Stallregie einstellen. Daher wird der Lokalmatador alles dafür tun, im Qualifying vor dem Franzosen zu landen. Ab dem kommenden Rennen in Brasilien dürfte der verordnete Nichtangriffspakt aber der Vergangenheit engehören.
Im engen Kampf um Platz fünf in der Konstrukteurs-WM ist es Williams in den vergangenen Rennen durch regelmäßige Punkteplatzierungen gelungen, den Vorsprung von derzeit 15 Punkten auf Toro Rosso zu verwalten. Die Briten sollten aber vor allem Renault im Auge behalten: Die Mannschaft aus Enstone liegt zwar 20 Punkte zurück, hat nun aber plötzlich zwei starke Piloten in den eigenen Reihen, wie der hervorragende Einstand von Carlos Sainz in Austin bewiesen hat. Kriegt man die Zuverlässigkeit in den Griff, dann könnte es für Williams noch eng werden.
Toro Rosso: Hartley bleibt, Gasly kehrt zurück
Da auch Porsche-WEC-Ass Brendon Hartley in Austin ein gelungenes Debüt feierte, darf auch er seinen Platz bis zum Saisonende behalten - Daniil Kwjat wird endgültig vor die Türe gesetzt. Pierre Gasly und Hartley, der den Kurs in Mexiko aus der WEC kennt, werden sich aber ordentlich strecken müssen, wenn sie Renault hinter sich halten wollen. Die Franzosen haben in den USA bereits das Haas-Team überholt, das einmal mehr von den Reifentemperaturen genarrt wurde.
Für McLaren sieht es ebenfalls düster aus: Der Truppe von Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne, die nur auf Platz neun liegt, fehlen ganze 20 Punkte auf Haas. Dazu kommt, dass der Spanier nach seinem Antriebsproblem in den USA in Mexiko vom Ende des Feldes starten muss. Die neue Honda-Ausbaustufe hat sich einmal mehr als Reinfall erwiesen, dazu kommt die Tatsache, dass die langen Geraden ohnehin nicht gerade für die einstige Erfolgstruppe sprechen. Man darf gespannt sein, ob diesmal auch Vandoorne den neuen, deutlich verbesserten Frontflügel bekommen wird.