WM-Entscheidung in Austin? Vettel im Schach, aber nicht matt
Lewis Hamilton kann in Austin seinen vierten Formel-1-Titel eintüten, doch analog zum Schachspiel sieht er WM-Rivale Sebastian Vettel noch nicht schachmatt gesetzt
(Motorsport-Total.com) - Seite an Seite starten die beiden WM-Rivalen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel am Sonntagabend in Austin in den viertletzten Formel-1-Grand-Prix des Jahres. Womöglich fällt dann auch bereits die WM-Entscheidung zu Gunsten des Mercedes-Piloten. Ist Hamilton nach Fallen der Zielflagge 75 Punkte voraus, dann ist ihm der vierte Titel nicht mehr zu nehmen. Aktuell beträgt sein Vorsprung 59 Zähler - holt er also 16 mehr als der Deutsche, gehört die WM-Krone auf jeden Fall Mercedes.
Es sieht also alles nach Titel Nummer 4 für Hamilton aus, doch bei den Silberpfeilen möchte man das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist: "Der Aberglaube, zu glauben, dass Lewis morgen Weltmeister wird, ist falsch. 100 Punkte sind noch möglich, 59 ist er vorn", sieht Aufsichtsratsvorsitz Niki Lauda den Titel nach dem Qualifying noch nicht in trockenen Tüchern - und auch Hamilton möchte sich noch nicht vorzeitig gratulieren lassen.
Der Brite vergleicht die WM-Situation mit einem Schachspiel: "Derzeit steht er im Schach", sagt er über Vettel, weiß aber, dass der Ferrari-Pilot noch nicht matt ist: "Es ist noch ein weiter Weg", betont Hamilton. Ihm ist bewusst, dass Ferrari unter keinen Umständen aufgeben wird, auch wenn die Asienreise ein totales Desaster für die Scuderia war: Vor drei Rennen betrug Hamiltons Vorsprung lediglich drei Zähler.
Vettel will seine Chance suchen
"Sebastian und sein Team werden so hart arbeiten, wie sie können - so wie wir auch", sagt der Brite und geht davon aus, dass die Meisterschaftsentscheidung noch in die Verlängerung gehen wird. Denn die Ausgangslage sieht einen vorzeitigen WM-K.O. Vettels für Austin nicht vor. Wird der Deutsche am Sonntag mindestens Fünfter, wird die Entscheidung definitiv vertagt - egal ob Hamilton gewinnt oder nicht.
Doch Vettel möchte nicht nur Fünfter werden, um Mercedes die WM in Austin zu versauen. Er möchte seine geringe Chance noch suchen und das Rennen als Sieger beenden: "Es ist ziemlich einfach. Wir müssen gewinnen, dann sehen wir, was passiert", sagt er. "Wir sind nicht in der Position, in der wir sein wollen, aber wir haben eine Chance und wollen sie nutzen - das ist eigentlich ziemlich simpel."
Vettel weiß, dass er dazu aber nicht nur in Austin gewinnen muss, sondern vermutlich auch bei den drei anderen Rennen in Mexiko-Stadt, Sao Paulo und Abu Dhabi. Ferrari hat ihm eigentlich ein Auto gegeben, mit dem er das bewerkstelligen könnte, glaubt er. Denn siegfähig sei das Auto schon bei den vergangenen drei Rennen gewesen. "Ich sehe also keinen Grund, warum wir bei den kommenden vier Rennen nicht das Paket haben sollten, um zu gewinnen", spricht er sich Mut zu.
Rosberg-Taktik nicht Hamilton-Style
Doch dafür muss er heute auf dem Circuit of The Americas schon loslegen und Hamilton besiegen. Der hat mit der Pole-Position die beste Ausgangsposition und die bessere Startseite. Vettels Chancen liegen vor allem in der Rennpace des SF70H, die meist stärker als bei Mercedes ist. Deren Qualifying-Vorteil betrug heute lediglich 0,239 Sekunden, obwohl Mercedes die Motorleistung in der Qualifikation deutlich steigern kann.
Die Fans können sich daher auf einen offenen Schlagabtausch freuen. Der CoTA gilt als Kurs, auf dem man überholen kann, und beide hatten schon 2012 ein direktes Duell um den Sieg - damals jedoch mit anderen Vorzeichen. "Ich plane aber nicht, ihn so nah heranzulassen", sagt Hamilton, der sich in den verbleibenden vier Rennen nicht als reiner Punkteverteidiger sieht, wie es Nico Rosberg im vergangenen Jahr war.
Lewis Hamilton gibt auf dem Wasser Gas
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Dieser war 2016 in den letzten vier Saisonrennen - beginnend mit Austin - immer auf Rang zwei hinter Hamilton gefahren, weil er wusste, dass ihm diese Ergebnisse reichen würden. Das ist aber nicht Hamiltons Art: "Ich möchte mich nicht nur verteidigen, sondern die Rennen gewinnen. Darauf arbeite ich hin", stellt er klar. "Denn mit Siegen kommen Punkte und Meisterschaften. Dafür bin ich hier."
Läuft alles optimal, könnte Mercedes in Austin sogar beide Titel feiern: Für die vierte Konstrukteursmeisterschaft in Folge könnte man es sich sogar leisten, wenn man in den USA 16 Zähler auf Ferrari einbüßt. "Der Konstrukteurstitel ist näher", nickt Niki Lauda. "Nur ob der hier gewonnen wird oder in den nächsten drei Rennen, ist mir eigentlich wurscht. Solange es gewonnen wird."