Rennvorschau Suzuka: Wer wird diesmal zur Red-Bull-Beute?
In der heißen Phase des Titelkampfes zeigen Mercedes und Ferrari Schwächen: Warum sich Hamilton und Vettel auch in Suzuka vor Red Bull fürchten müssen
(Motorsport-Total.com) - Geht es nach den Ergebnissen, dann ist Lewis Hamilton auch vor dem Wochenende in Suzuka (bei Motorsport-Total.com im Live-Ticker) voll auf WM-Kurs: Seit der Sommerpause holte der Mercedes-Pilot drei Siege und einen zweiten Platz vor wenigen Tagen in Sepang. Doch wenn man die Rennen im Detail betrachtet, dann wird klar, dass der Silberpfeil abgesehen von Monza, wo sich Ferrari wegen der neuen Vorderrafaufhängung beim Set-up verrannte, bei keinem der Rennen das schnellste Auto war. Das gibt Hamilton, der dank perfekter Leistungen in der WM-Wertung 34 Punkte vor Herausforderung Sebastian Vettel liegt, zu denken: "Wir haben richtig große Probleme."
Dass diese WM noch lange nicht gewonnen ist, hat man bei Mercedes in Sepang klar erkannt: Nach dem Rennen, bei dem man deutlich langsamer als Ferrari und dem Überraschungs-Team Red Bull war, wurde die Krisen-Taskforce auf den Plan gerufen. Sie soll der Diva F1 W08 bis Suzuka ihre Launen austreiben. Viel Zeit bleibt nicht, denn schon dieses Wochenende geht der Titelkampf im Land der aufgehenden Sonne weiter.
"Suzuka ist ganz anders", hofft Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff auf ein einfacheres Wochenende. "Dort ist es kühler. Unser Auto sollte deutlich mehr im Fenster sein." Nicht nur die niedrigeren Temperaturen, die nicht über die 25-Grad-Marke hinauslaufen dürften, sollten Mercedes etwas Luft zum Atmen geben. Denn während in Sepang mit maximalem Abtrieb gefahren wurde, was dem Silberpfeil schadet, rettet die lange Gerade Mercedes in Suzuka. "Auch die Kurven sind ein bisschen anders, und wir fahren mit einem anderen Aerodynamikpaket", wirft Hamilton ein. "Deswegen sollten wir dort besser aussehen."
Trotz Rückschlägen noch lange nicht geschlagen: Sebastian Vettel
Dass Mercedes seit 2014 jedes Mal in Suzuka gewonnen hat, beruhigt Motorsportchef Wolff nicht. "Die zurückliegenden Wochen haben uns daran erinnert, dass frühere Erfolge mit den 2017er Autos und Reifen nicht viel bedeuten. Wir erwarten einen sehr engen Kampf zwischen Ferrari, Red Bull und uns selbst", prophezeit er. Dazu kommt, dass der Kurs auch Sebastian Vettel liegt: Während Hamilton dort insgesamt drei Mal siegte, hat der Ferrari-Star vier Siege zu Buche stehen.
Zumindest scheint sein Getriebe die Kollision mit Lance Stroll in der Auslaufrunde überstanden zu haben, wodurch er einer Rückversetzung in Suzuka um fünf Startplätze gerade noch entkommen sollte. Und: Im Gegensatz zu Mercedes schlug das letzte Aerodynamikpaket der Scuderia, das in Sepang enthüllt wurde, voll ein: Der seit der Sommerpause mit viel Aufwand runderneuerte Ferrari sollte also absolut konkurrenzfähig sein, auch wenn man in den vergangenen drei Jahren in Suzuka nicht so richtig glänzte und nur einen Podestplatz einfuhr. Denn Vettel weiß: "Wir haben im Moment das schnellere Auto und können überall gewinnen."
Erstarktes Red-Bull-Team könnte die WM mitentscheiden
Fehler wie in Suzuka, als Vettel wegen eines defekten Auspuffkrümmers als Letzter startete, während Teamkollege Kimi Räikkönen wegen eines ähnlichen Problems nicht einmal starten konnte, dürfen allerdings nicht mehr passieren. Da muss Ferrari rasch eine Lösung finden. Denn erneut ist mit einem bärenstarken Red-Bull-Team zu rechnen. "In Suzuka denke ich auf alle Fälle", bestätigt Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko gegenüber 'auto motor und sport'. Kein Wunder, denn das Siegerteam von Sepang ist auf dem Kurs, auf dem Max Verstappen im Vorjahr Zweiter wurde, traditionell stark.
Ganz ohne Sorgen geht die Truppe aber nicht in die verbleibenden fünf Saisonrennen. "Wir müssen mal schauen, ob wir mit unseren Motoren-Teilen über die Runden kommen oder ob es noch Rückversetzungen geben wird", erklärt Marko. Da man aber erst in Monza bei beiden Boliden Strafen in Kauf nahm, sollte man in Japan noch ungeschoren davonkommen.
Pirelli verzichtet in Suzuka erstmals auf Hard-Mischung
Dass der Red Bull ein reifenschonender Bolide ist, könnte sich nach Sepang erneut bezahlt machen. Denn der alte Asphalt auf der Achterbahn zählt zu den rauesten im Kalender. Außerdem bleibt Pirelli seinem Trend treu und hat mit Supersoft, Soft und Medium einmal mehr weichere Mischungen nominiert als im Vorjahr, wodurch erstmals die Mischung Hard nicht zum Einsatz kommt.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Japan
Der erste Grand Prix von Japan findet am 24. Oktober 1976 in Fuji statt. Im denkwürdigen Regenrennen holt sich Andretti (Lotus) den Sieg. Die Schlagzeilen beherrschen Lauda und Hunt. Der Brite holt sich den Titel, als der Österreicher seinen Boliden abstellt. Lauda wollte nach seinem Nürburgring-Crash kein Risiko eingehen. Fotostrecke
"Insbesondere die Seitenkräfte können bei einem nicht angemessenen Reifen-Management einen hitzebedingten Verschleiß verursachen", verweist Pirelli-Manager Mario Isola auf Kurven wie die langgezogene Spoon-Kurve und die 130R, in denen die Pneus enormen Belastungen ausgesetzt sind. Im Vorjahr führte eine Zweistopp-Strategie zum Ziel. Das könnte sich auch dieses Jahr wiederholen.
Interessant ist, dass die beiden WM-Rivalen Hamilton und Vettel genau das gleiche Reifenkontingent für Suzuka nominiert haben: sieben Mal Supersoft, fünf Mal Soft und einmal Medium. Das gilt auch für deren Teamkollegen: Valtteri Bottas und Räikkönen setzen zwar auf das gleiche Supersoft-Kontingent, allerdings mit vier Mal Soft und zwei Mal Medium auf etwas härtere Pneus.
Best of the Rest: Suzuka belohnt Alleskönner
Erwartet weich die Auswahl von Red Bull: Verstappen und Daniel Ricciardo nominieren gleich neun Sätze Supersoft. Das wird nur noch von den McLaren-Piloten mit gleich zehn Sätzen der weichsten Mischung getoppt. Womöglich kommen in Suzuka aber auch die Regenreifen zum Einsatz: Nach aktueller Voraussage, die freilich noch mit Vorsicht zu genießen ist, könnte es vor allem am Freitag, aber auch am Samstag regnen, während der Renntag verschont bleiben sollte.
Im Kampf um den Titel "Best of the Rest" wird es voraussichtlich gewohnt eng zugehen: Das liegt auch daran, dass der Kurs in Suzuka unterschiedliche Qualitäten erfordert. Er belohnt den hervorragenden Abtrieb von Renault, wo weiterhin gnadenlos neue Teile geliefert werden, und McLaren, aber auch den Antriebsbonus von Force India, zumal die Truppe aus Silverstone zuletzt auch beim Abtrieb deutliche Fortschritte erzielt hat. Williams hat sich in der Vergangenheit in Suzuka meist stark präsentiert, aber die Weiterentwicklung scheint nach den großen Problemen, die Reifen auf Temperatur zu bringen, zu stagnieren.
Der Kampf um Platz fünf ist nach wie vor offen: Während Force India als Vierter ohnehin sicher ist, hat Williams in Sepang mit den Plätzen acht und neun den Vorsprung auf Toro Rosso auf 13 Punkte ausgebaut. Da auch Renault punktelos blieb, liegt die Truppe von Nico Hülkenberg nun bereits 23 Zähler hinter Williams.