"Weltklasse": Max Verstappen bei Sepang-Triumphfahrt nicht fit
Max Verstappens emotionalster Sieg: Warum ihm die Tropenhitze mehr zusetzte als seinen Rivalen und wie clever er die entscheidende Attacke auf Hamilton plante
(Motorsport-Total.com) - Was für ein Geburtstagsgeschenk für Max Verstappen: Einen Tag nach seinem 20er feiert der Red-Bull-Youngster seinen zweiten Grand-Prix-Sieg - im 58. Rennen und nach einer 31 Rennen andauernden Durststrecke. Und zwar wie gewünscht aus eigener Kraft, nachdem er in Barcelona 2016 noch Rennglück hatte. "Deswegen ist dieser Sieg sehr emotional", meint der strahlende Sieger, der in der Hitzeschlacht nicht ganz fit war: "Mir geht es bereits die ganze Woche nicht wirklich gut."
Teamchef Christian Horner, dessen zweiter Pilot Daniel Ricciardo hinter Lewis Hamilton Dritter wurde, fühlt mit seinem Schützling. "Max hatte diese Saison so viel Pech und verdient es", spielt er auf die sieben Ausfälle in 15 Saisonrennen an. "Einen Tag nach dem Geburtstag ist das die beste Art, dieses neue Jahrzehnt zu beginnen. Ich freue mich so für ihn, denn seit April stand er nicht mehr auf dem Podest. Diese Initialzündung hat er gebraucht." Und auch Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko applaudiert: "Das war überfällig!"
Was am Samstag noch nach einer Träumerei klang, wurde im Rennen Realität: Da der Zweitplatzierte Kimi Räikkönen wegen eines Defekts nicht starten konnte, war Verstappen auf Startplatz drei sofort der erste Verfolger von Lewis Hamilton. Beim Start wäre er aber beinahe von Valtteri Bottas, der die trockene rechte Seite besser nutzte und direkt neben ihm in Kurve 2 stach, überholt worden, zeigte aber im direkten Duell die Zähne und verteidigte seinen zweiten Platz.
Wie sich Verstappen Hamilton zurechtlegte
Der Schlüssel zum Sieg war das Überholmanöver gegen Hamilton in der vierten Runde. Verstappen sah seine Chance bereits Ende der dritten Runde auf der Gegengeraden. Sein Geheimnis? "Ich sah, dass er im Derating-Modus war (der Hybridantrieb fällt weg, weil er nachladen muss), aber es wurde besser. Ich nutzte also schon vor dem Manöver meine komplette Batterieleistung, um heranzukommen. Dann hatte er in der letzten Kurve einen schlechten Ausgang, und es lief perfekt."
Obwohl der Red Bull in Sepang nicht auf Höchstgeschwindigkeit, sondern auf Abtrieb abgestimmt war, saugte sich Verstappen mit DRS heran und stach eingangs der ersten Kurve innen in die Lücke. Er ließ sich dabei etwas nach außen tragen, damit Hamilton in Kurve 2 nicht kontern kann. "Ich hätte die Tür zumachen können", sagt der Brite vor der Siegerehrung zu Verstappen. Doch der hatte stets im Hinterkopf: "Er kämpft um die WM, während ich nichts zu verlieren habe. Ich wusste, dass er es mir nicht wirklich schwer machen würde. Das war entscheidend."
Bei Red Bull brach sofort Jubel aus. "Das Überholmanöver war Weltklasse", schwärmt Marko gegenüber 'Sky', zumal seine Entdeckung ausgerechnet Lieblingsgegner Mercedes den Auspuff zeigte. "Es ist schon eine besondere Genugtuung, Mercedes unter regulären Bedingungen auf der Strecke zu überholen", grinst der Österreicher.
Verstappen hatte auf Hamilton immer eine Antwort
Was dann folgte, war die abgezockte Leistung eines Musterschülers. Verstappen brannte sofort Top-Zeiten in den Asphalt und sorgte dafür, dass Hamilton aus dem DRS-Fenster fällt. "Sobald Lewis das Tempo erhöhte, konnte ich locker eine schnellere Rundenzeit fahren als er. Ich hatte es unter Kontrolle." Das bestätigt auch Horner: "Nach dem Manöver gegen Hamilton ging es darum, die Reifentemperatur unter Kontrolle zu halten und das Auto nicht zu hart ranzunehmen. Das hat er großartig gemacht."
Druck spürte Verstappen keinen, obwohl der Red-Bull-Youngster in der Formel 1 noch nicht oft in Führung lag. "Dort will ich sein", stellt er klar. "Ich habe zwar nicht so viel Erfahrung an der Spitze, aber sobald ich dort bin, erinnert es mich an meine Kart-Zeiten." Nicht ganz so cool blieben die Red-Bull-Ingenieure am Kommandostand. "Das Team wurde ein bisschen nervös - sie fragten mich, ob ich an der Balance etwas ändern will", blickt Verstappen zurück. Der Niederländer antwortete bloß: "Nein, es ist alles in Ordnung."
Kein Wunder, dass Ricciardos Leistung an diesem Wochenende etwas im Schatten seines jungen Teamkollegen war. Ein Grund dafür war der Start auf der feuchten Seite, bei dem er hinter Bottas zurückfiel. "Die Haupttribüne hat die Sonne von der linken Seite abgehalten", erklärt der "Aussie" den Grund, warum die rechte Seite der Start-Ziel-Gerade trockener war. "Aber ich würde nicht sagen, dass das der Grund war, warum ich das Rennen nicht gewonnen hat. Max hatte eine sehr gute Pace."
Ricciardo selbstkritisch: Den Start würde ich anders machen
Zudem übt er Selbstkritik, was sein Verhalten in der ersten Kurve anging: "Bottas hat auf der Außenbahn viel später gebremst. Wenn ich das Rennen wiederholen könnte, würde ich das anders machen." Da der Finne das Tempo der beiden Führenden nicht ganz halten konnte, verlor Ricciardo wertvolle Sekunden. Parallel zu Verstappens Manöver gegen Hamilton versuchte er es in Runde 4 erstmals, an Bottas vorbeizukommern, scheiterte aber zunächst.
Dafür klappte es in Runde 9: Ricciardo probierte es bei seinem atemberaubenden Manöver anders als Verstappen außen und fuhr Rad an Rad mit dem Mercedes durch die Kurven 2 und 3. In Kurve 4 stach er daraufhin innen durch. "Daniel ist leider zu spät an Bottas vorbeizukommen", weiß Marko. Und der "Aussie" gibt ihm recht: "Es war eine Frage der Zeit, aber ich hätte es gerne früher hinbekommen, denn wir haben da einiges an Zeit verloren."
Nach einer ersten Sturm-und-Drang-Phase pendelte sich der Rückstand zu Hamilton schließlich bei fünf Sekunden ein. "Das Tempo war nicht genug, um ihm nahe zu kommen, und am Ende kam Vettel wirklich dicht heran. Da ging es nur noch darum, den Podiumsplatz zu verteidigen", beschreibt er die Endphase seines Rennens. Einmal musste er sich heftig wehren, dann ließ der Ferrari-Pilot nach. "Ich hatte ehrlich gesagt einen härteren Kampf erwartet, aber nach der ersten Attacke waren wohl seine Reifen durch", vermutet Ricciardo.
Marko wusste in der Red-Bull-Box hingegen bereits mehr: "Ich habe die Zeiten und die Reifen genau studiert. Da haben wir schon gesehen, dass die Vorderreifen etwas Spuren zeigen. In der Phase, in der Vettel ganz knapp an Daniel dran war, haben bei ihm die Vorderreifen überhitzt, und dann ging nichts mehr." Zudem sei McLaren-Pilot Alonso hilfreich gewesen, der sich von Vettel nicht gleich überrunden ließ: "Es war nicht unangenehm, wie er sich uns gegenüber verhalten hat."