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Vettels Fehler? Wie ihn Hamilton beim Restart austrickste
Warum Sebastian Vettel beim Restart in Spa nicht an Lewis Hamilton vorbeikam, obwohl er unterm Getriebe des Mercedes klebte, und was er anders machen würde
(Motorsport-Total.com) - Starkes Rennen von Sebastian Vettel in Spa-Francorchamps zu Platz zwei (hier der Rennbericht), doch an seinem Titelrivalen Lewis Hamilton biss sich der Ferrari-Pilot die Zähne aus. Zweimal war Vettel, der in der WM nur noch sieben Punkte vorne liegt, drauf und dran, den Silberpfeil zu überholen: Gleich nach dem Start und nach dem Restart in Runde 34, doch beide Male kam der Ferrari nach Eau Rouge auf der Kemmel-Geraden nicht am mit einer hervorragenden Höchstgeschwindigkeit gesegneten Mercedes vorbei.
Nachdem Vettel in der ersten Runde mit dem Vorderrad nur auf Höhe von Hamiltons Kühler kam, wollte er später alle Register ziehen. "Gerade beim Restart habe ich mir ein bisschen ins Lenkrad gebissen, denn ich war ein bisschen zu nahe dran", ärgert sich Vettel. "Lewis hat vor Eau Rouge ein bisschen Gas rausgenommen, um das zu provozieren. Er wusste ja, dass er am Ende sehr schnell sein würde."
Was Vettel nicht wusste: Hamilton war zunächst im falschen Motorenmodus und konnte beim Restart vor der Zielkurve nicht wie geplant die Flucht antreten. Erst dadurch klebte der Ferrari nach La Source unterm Mercedes-Getriebe. Doch dann ließ Hamilton Vettel erst recht auflaufen. "Er war vor mir auf dem Gas, das habe ich gehört - daher befand er sich in einer viel angenehmeren Lage", schildert der Mercedes-Pilot die Situation ausgangs der La-Source-Haarnadel.
Warum Hamilton vom Gas ging
Ein genialer Schachzug Hamiltons oder eine Aktion an der Grenze? Der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda verteidigt seinen Schützling gegenüber 'RTL': "Wenn er es tut, dann bremst er ihn ein bisschen ein und hat dadurch einen leichten Vorteil. Das sind normale Spielchen von Toprennfahrern. Er hat alles richtig und perfekt gemacht."
Vettel übt Selbstkritik
Vettel sieht den Fehler auch bei sich: "Ich bin auch mit meiner Ausführung nicht ganz zufrieden. Müsste ich es noch einmal machen, dann würde ich vielleicht etwas anderes probieren. Wir wissen, dass sie im Qualifying-Modus und beim Rennstart eine sehr gute Höchstgeschwindigkeit haben", spielt er darauf an, dass Mercedes den Motor in speziellen Situationen aufdrehen und dadurch mehr Leistung freimachen kann.
Das sei auch einer der Gründe gewesen, warum Vettel beim Restart den Berg hinunter zu Eau Rouge näher auffuhr als in der ersten Runde: "Ich habe beim Start gespürt, wie gut sie den Berg hinauf sind, also wollte ich nicht zu weit weg sein." Und Hamilton konnte sich wegen des Topspeed-Vorteils auch den Trick leisten, etwas Gas wegzunehmen, "weil er ja wusste, dass er am Ende sehr schnell sein würde".
Die Zahlen beweisen, dass Vettel im direkten Geschwindigkeitsduell auf der Kemmel-Geraden tatsächlich keine Chancen hatte: Während Hamilton auf 324 km/h beschleunigte, kam Vettel am Ende der Geraden nur auf 315 km/h.
Vettel hatte durch Ultrasoft-Reifen Vorteil beim Restart
Doch wie gelang es Vettel, Hamilton beim Restart so knapp aufzufahren? Der Ferrari-Pilot führt das auf seinen Reifenvorteil zurück: Im Gegensatz zu Hamilton, der in der Safety-Car-Phase gleichzeitig mit Vettel an die Box kam, hatte der viermalige Weltmeister noch einen frischen Satz Ultrasoft-Reifen zur Verfügung, die er sich im Qualifying aufgespart hatte.
Fotostrecke: GP Belgien, Highlights 2017
Es sind nur noch sieben Punkte: Lewis Hamilton feiert in Spa seinen fünften Sieg im zwölften Saisonrennen und rückt Sebastian Vettel im WM-Kampf auf die Pelle. Mercedes ist in Spa aber weniger dominant, als Sportchef Toto Wolff auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke gehofft hätte. Fotostrecke
Daher roch Vettel seine Chance. "Ich wusste natürlich, dass wir mit dem Ultrasoft gegenüber dem Soft in den ersten Runden einen Reifenvorteil haben würden - und speziell beim Restart", erklärt Vettel. "Ausgangs der ersten Kurve war es daher nicht so schwierig, Lewis so knapp zu folgen. Vielleicht war das sogar das Problem", lacht er. "Mein eigentlicher Restart war zu gut, und ich war zu nah dran."
War die Safety-Car-Phase ein Nachteil?
Doch wie wäre das Rennen gelaufen, hätte es am Ende nach der Force-India-Stallkollision keine Safety-Car-Phase gegeben? Schon beim ersten Stopp bewies Vettel, dass er mit den Ultrasoft-Reifen besser haushält als Hamilton - mit einem Undercut hätte der Ferrari-Pilot, der zum Zeitpunkt der Neutralisierung 1,8 Sekunden hinter dem ebenfalls auf Soft-Reifen fahrenden Hamilton lag, womöglich den Spieß umdrehen können.
Doch mit derartigen Gedanken will sich Vettel nicht lange beschäftigen. "Wir hatten eben dieses Safety-Car, also haben ich nicht viel darüber nachgedacht", sagt er. Im Nachhinein glaubt er aber nicht, dass der Force-India-Zwischenfall Ferrari das Rennen kaputtgemacht hat. "Wir hätten das Rennen wahrscheinlich genau gleich beendet, und es hätte für uns wohl keinen Unterschied gemacht", meint Vettel. Vor der Neutralisierung habe er Hamiltons Tempo mitgehen können, "es war aber natürlich schwierig, supernahe dranzukleben und etwas zu probieren." Von hinten habe keine Gefahr gedroht.
Überhaupt sieht Vettel für den weiteren WM-Kampf sehr viele positive Aspekte. "Das Rennen war vielleicht ein bisschen eine verpasste Chance, aber wir hatten ein sehr gutes Auto", lobt der WM-Leader sein Team. Durch die Updates, die Scuderia hatte eine neue Vorderradaufhängungen, einen neuen Frontflügel und einen überarbeiteten Unterboden nach Spa gebracht, scheint man die Schwäche auf Strecken, wo aerodynamische Effizient gefragt ist, ausgemerzt zu haben.
Ferrari durch Fortschritte ermutigt
"Wenn die Leute hier und Silverstone vergleichen, dann ist das Tag und Nacht", bestätigt Vettel. "Daher großes Lob ans Team. Die haben tolle Arbeit geleistet, und wir konnten das ganze Rennen lang Druck machen." In diesen Tenor stimmt auch Teamchef Maurizio Arrivabene ein: "Wir sind auf dem Papier nicht als Favorit hier hergekommen, aber wir haben toll gearbeitet."
Nur Spa-Spezialist Kimi Räikkönen reist von seiner Lieblingsstrecke mit einem weinenden Auge ab: Der Finne musste sich am Ende mit Rang vier begnügen und sogar Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo den Vortritt lassen. Der Grund: Räikkönen musste in der 18. Runde eine 10-Sekunden-Strafe absitzen, weil er bei Max Verstappens Ausfall trotz Gelber Flaggen nicht vom Gas gegangen war.
"Er parkte doch auf der anderen Seite der Straße!", verstand er am Boxenfunk die Welt nicht mehr. Und auch nach dem Rennen war der Ärger noch nicht verflogen: "Ich fand das sehr unnötig, denn das Auto war auf der Geraden hinter den Leitplanken. Es bestand also überhaupt keine Gefahr." In der WM liegt Räikkönen nun vier Punkte hinter Ricciardo auf dem fünften Platz - in der Konstrukteurs-WM büßte die Scuderia auf Mercedes fünf Punkte ein und hat nun als Zweiter 44 Zähler Rückstand.