"War meine Idee": Wie Räikkönen Vettel in die erste Reihe zog
Von wegen Ferrari-Stallregie: Wie es dazu kam, dass Kimi Räikkönen Sebastian Vettel in Spa per Windschatten in die erste Reihe zog, und was die Aktion brachte
(Motorsport-Total.com) - In letzter Sekunde holte Sebastian Vettel im Qualifying von Spa-Francorchamps die Kastanien aus dem Feuer und schob sich vom fünften auf den zweiten Startplatz. "Grazie Kimi", bedankte er sich per Boxenfunk bei seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen. Der Finne, dessen eigener zweiter Q3-Versuch missglückte, gab Vettel im letzten Abschnitt Windschatten und verhalf ihm somit zu einer Sektorbestzeit von 28,257.
Damit war er sogar um 0,027 Sekunden schneller als der fliegende Pole-Setter Lewis Hamilton. Insgesamt fehlten Vettel am Ende auf den Titelrivalen 0,242 Sekunden (hier geht's zum Qualifying-Ergebnis), dahinter stehen Mercedes-Pilot Valtteri Bottas und Räikkönen, der mit Vibrationen kämpfte.
Doch wie viel Zeit hat der Windschatten des Teamkollegen Vettel wirklich gebracht? "Der Sebastian hat im letzten Sektor einen Windschatten von Kimi bekommen und ist zwei Zehntel schneller gefahren", analysiert Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Das Glück des Tüchtigen, würde ich sagen", grinst der Österreicher. "Denn sonst hätte es wohl für Valtteri für Platz zwei gereicht." Tatsächlich hat Vettel seine Zeit in Sektor 3 um genau 0,245 Sekunden verbessert - Bottas fehlten am Ende 0,299 Sekunden. Es wäre also eng geworden, da niemand weiß, welche Zeit Vettel sonst gefahren wäre.
Räikkönen: Warum er Vettel half
Fakt ist allerdings: Das Teamwork der beiden Ferrari-Piloten, die durch Vettels Vertragsverlängerung auch 2018 zusammenarbeiten werden, funktioniert tadellos. Oder wurde Räikkönen vom Team gebeten, für Vettel den Wasserträger zu spielen? "Soweit ich weiß, war es nicht geplant und das Team hat ihm nichts gesagt", meint Vettel. "Vermutlich hat er ein rotes Auto im Rückspiegel gesehen und dachte sich, dass er mir Windschatten geben will." So eine Stallregie schon vor dem Qualifying festzulegen, sei ohnehin unmöglich: "Deswegen versucht man das erst gar nicht."
Das bestätigt auch Räikkönen selbst. "Ich hatte in Kurve 9 einen Fehler, hatte Problem mit den Reifentemperaturen", erklärt er, warum er seine Runde trotz einer persönlichen Bestzeit im ersten Sektor abbrechen musste. "Ich rutschte seitlich." Als er den Eindruck hat, dass ein Reporter eine Stallregie vermutet, reagiert er gereizt: "Erfinde hier keine Geschichten! Ich wollte ohnehin an die Box fahren und wusste, dass er hinter mir ist. Also habe ich auf der Geraden wieder Gas gegeben, um ihm dort zu helfen. Sonst gar nichts." Fazit: "Wenn ich dem Team helfen kann, dann mache ich es. Es hat mir ja nichts gekostet."
Und so raste Vettel mit Geschwindigkeitsüberschuss durch die Blanchimont-Vollgaskurve auf die Busstop-Schikane zu. "Das war knifflig, da ich durch den Windschatten viel schneller ankam", schildert der WM-Leader. "Und bremsen ist dort nie einfach, man verpasst die Kurve schnell einmal. Aber zum Glück habe ich es hingekriegt."
Vettel hadert mit Ferrari im Qualifying
Anders als bei Spa-Spezialist Räikkönen, der nach dem Qualifying und Platz vier zutiefst frustriert war. Schon in Q1 klagte er via Boxenfunk über ungewöhnliche Vibrationen, die trotz der Bemühungen des Teams immer wiederkehrten und ihn auch in Q3 beeinträchtigten, auch wenn er den Fehler auf seine Kappe nimmt. "Das ganze Wochenende lief alles glatt - und dann so ein Durcheinander im Qualifying! So etwas ist immer enttäuschend", ärgert er sich. Abgesehen von den ablenkenden Vibration habe sich das Auto aber gut angefühlt.
Vettel: Mercedes sollte sich im Rennen warm anziehen
Doch was bedeutet all das nun für das Rennen? Denn auch wenn es Vettel in die erste Startreihe geschafft hat, wirkte der Heppenheimer im Qualifying nie wirklich auf Augenhöhe mit seinem Rivalen Hamilton. Dennoch darf man die Scuderia im Rennen nicht unterschätzen. In den Longruns am Freitag war Vettel besser als die Silberpfeile.
Muss sich also doch Mercedes Sorgen machen? "Ja, das sollten sie", lacht Vettel, der sich mit vollem Tank in Spa wohler fühlt. "Ich hatte das ganze bisherige Wochenende das Gefühl, dass es kniffliger ist, in einer schnellen Runde mit dem Auto alles hinzubekommen. Aber wenn wir mehrere Runden mit viel Sprit abspulen, dann fühle ich mich sehr wohl."
Das Rennen sei aber wegen der guten Überholmöglichkeiten und der unberechenbaren Strategie schwer einzuschätzen. "Mercedes wird sicher schnell sein, aber wir brauchen uns nicht zu verstecken", macht er sich und seiner Mannschaft Mut. "Wir stehen nicht ohne Grund in der ersten Reihe. Wir haben das Tempo. Und das sollten wir auch im Rennen haben."