• 26. August 2017 · 21:32 Uhr

Pirelli rätselt über mysteriöse Vibrationen in Spa

So etwas hat die Formel 1 noch nicht gesehen: Beim Rausbeschleunigen aus engen Kurven heraus bilden sich stehende Wellen auf den Reifen - Pirelli ist verblüfft

(Motorsport-Total.com) - Die Reifendiskussion ist zurück in der Formel 1, wenn auch auf einem weit weniger emotionalen Niveau als in der Vergangenheit. Doch der Circuit de Spa-Francorchamps hat dem italienischen Einheitsreifenhersteller nicht zum ersten Mal zugesetzt. Nachdem vergangenes Jahr Reifenschäden zu wilden Diskussionen geführt haben, sind es diesmal merkwürdige Vibrationen beim Beschleunigen aus engen Kurven heraus, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In dieser Form ein völlig neues Phänomen in der Formel 1.

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Unter Last gibt's Schwierigkeiten: Pirelli muss schnellstens Antworten finden Zoom Download

Williams fand heraus, dass sich bei Lance Stroll die Endplatte des Heckflügels aufgrund stehender Wellen in den Reifen gelöst hat, wodurch der junge Kanadier keinen zweiten Anlauf mehr in Q1 unternehmen konnte. Zeitlupenaufnahmen aus der Bus-Stopp-Schikane bestätigten dieses Phänomen: Die Oberfläche und Seitenwand der Reifen neigte dazu, sich unter Last zu verformen. Dadurch wurde das gesamte Fahrzeug erschüttert. Ein ähnliches Phänomen hat sich Pirelli-Motorsportmanager Mario Isola zufolge ausgangs La Source abgespielt.

Das Phänomen an sich ist nicht neu, sehr wohl aber Ort und Heftigkeit des Ereignisses. Zwar hatten Seitenwände bereits in der Vergangenheit solche Wellen ausgebildet, das aber nur in Hochgeschwindigkeitskurven. Eine derartige Verformung ist auch der Grund für das Reifendesaster von Michelin beim legendären USA-Grand-Prix von 2005 gewesen. Stehende Wellen in den Flanken beschädigten die Karkasse. Aber auch in diesem Fall waren Geschwindigkeiten von über 300 km/h im Spiel. Der Grund muss diesmal also ein anderer sein.

Pirelli und Teams arbeiten zusammen

Pirelli ist völlig überrascht, dass das Phänomen nicht nur in langsamen Kurven auftritt, sondern sich nun auch auf die Lauffläche ausdehnt. "Ich habe momentan keine weiteren Informationen dazu, weil wir diesen Effekt noch verstehen müssen", sagt Isola gegenüber 'Motorsport.com'. "Wir arbeiten mit den Teams zusammen, um mehr über diesen Effekt zu verstehen. Es könnte an dem zusätzlichen Grip in diesem Jahr liegen. Vielleicht ist es eine Deformation der Lauffläche aufgrund des Drehmoments, was diese Vibrationen verursacht. Aber wir schauen uns jetzt die Daten an, um diesen Effekt zu verstehen."


Fotos: Großer Preis von Belgien


Eine solche Kuriosität haben weder Pirelli, noch die Formel-1-Teams bislang beobachtet. Gleichzeitige Verformungen von Oberfläche und Seitenwand treten sonst nur bei Dragster-Rennen auf, wo irre Beschleunigungen auf die Hinterreifen wirken, die entsprechend darauf ausgelegt werden. "Es könnte sein, dass wir das schon in den vergangenen Jahren hatten, nur dass es wegen der anderen Reifendimensionen und weniger Grip noch nicht so sichtbar gewesen ist. Wie es aussieht, ist es bei mehr oder weniger allen Autos dasselbe", verkündet der Italiener erste Untersuchungsresultate.

Schnelle Antworten müssen her

Betroffen sind vor allem die beiden weichsten Reifenmischungen, also Supersoft und Ultrasoft. Hinter der härtesten Mischung - ironischerweise mit der Bezeichnung "Soft" - bleibt erst einmal ein Fragezeichen, weil sie zu wenig benutzt wurde. Möglicherweise handelt es sich um ein Resonanzphänomen. "Uns interessiert jetzt in erster Linie die Frequenz und welchen Einfluss sie auf die Konstruktion hat. Und wie lang sie anhält", sagt Isola.

Ob das Phänomen eine Gefahr im Rennen darstellt ist derzeit ebenso unklar wie die Frage, ob es in Monza wieder auftreten kann. Die Variante Rettifilo ist der Bus-Stopp-Schikane nicht unähnlich. Andererseits hat es bereits auf diversen anderen Strecken in dieser Saison ebenfalls schon enge Kurven gegeben, ohne dass dieses Mysterium jemals in derartiger Heftigkeit aufgetreten wäre. Oder wurde es lediglich nie festgestellt? Fragen über Fragen, die Pirelli nun schnellstmöglich klären muss.

"Es könnte am Asphalt liegen, womit wir direkt beim Grip wären", spekuliert Isola. "Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir den wahren Grund finden. Falls es etwas ist, das wir seit Beginn der Saison haben, sollte es kein großes Problem sein. In Monza sind wir wieder eine Stufe härter, der Asphalt ist anders und der Abtrieb wird noch geringer sein. Aber wir dürfen dieses Phänomen nicht unterschätzen."

Die Fahrer sehen die Sache weniger verkrampft. Gerade bei Mercedes ist man sehr zufrieden mit der Reifenwahl. "Ich denke, Pirelli hat die richtigen Reifenwahl für dieses Wochenende getroffen", findet Valtteri Bottas. "Selbst der Ultrasoft macht keine Probleme." Auch Lewis Hamilton meldet "keine Probleme" - weder mit den Temperaturen, noch mit sonstigen Phänomenen wie etwa den stehenden Wellen. Es ist auch gut möglich, dass der ewige Reigen der Einstopp-Rennen aus dieser Saison in Belgien ein Ende findet. Zwei Stopps sind eine realistische Option.

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