Zweiter Sieg: Willkommen im WM-Kampf, Valtteri Bottas?
Valtteri Bottas hat mit seinem zweiten Rennsieg seine Ambitionen im Titelkampf untermauert: Die Konkurrenz hatte den Finnen von Anfang an auf der Rechnung
(Motorsport-Total.com) - Als Valtteri Bottas vor der Saison bei Mercedes unterschrieb, waren sich viele sicher, dass er sich an der Seite von Platzhirsch Lewis Hamilton schwertun würde. "Lewis hat schon Karrieren beendet", tönte dessen Vater Anthony, und spätestens als Bottas in Bahrain per Stallorder zurückgepfiffen wurde, galt der Finne in der Öffentlichkeit als Nummer 2 bei Mercedes. Doch spätestens gestern hat sich Bottas ganz eindeutig im Titelkampf angemeldet.
Mit seinem Sieg beim Großen Preis von Österreich robbte sich Bottas (136 Punkte) bis auf 15 Zähler an Teamkollege Hamilton (151) heran. Der Brite ist damit nun näher an seinem Stallgefährten als an WM-Leader Sebastian Vettel (171) dran und hat einen neuen WM-Konkurrenten bekommen. Dabei gab es bei Mercedes öffentlich immer das Selbstverständnis, dass beide Fahrer im WM-Kampf die gleichen Chancen haben.
"Es gab niemals den Ansatz, dass er nicht in den Kampf verwickelt wäre", betont Hamilton Journalisten gegenüber. "Das habt wohl nur ihr so verstanden. Ich habe immer angenommen, dass er es wäre", sagt der Brite und bedient damit das Selbstverständnis des Mannes aus Nastola, der die Eingewöhnungsphase bei den Silberpfeilen wohl so langsam hinter sich hat. Denn auch er ist nicht als Nummer 2 gekommen.
Wie Bottas das Blatt wendete
"Was kann man sich sonst als Ziel setzen, wenn man bei Mercedes unterschreibt? Das war immer das Ziel", betont Bottas über den Traum vom WM-Titel. Nach drei Saisonrennen hatten viele darüber noch gelacht: Damals musste Bottas drei interne Niederlagen einstecken, sich Schelte für einen Dreher hinter dem Safety-Car in China gefallen lassen und die Teamtaktik in Bahrain mitmachen.
Dass er danach in Sotschi seinen allerersten Grand Prix gewann, mag mancher noch als Zufallserfolg wahrgenommen haben, doch Bottas biss sich in den WM-Kampf und machte Hamilton das Leben schwer: In Monaco sah der Brite keinen Stich gegen seinen Teamkollegen, in Aserbaidschan landete Bottas ebenfalls vor ihm - wenn auch unter glücklichen Umständen -, und der Sieg heute ist das dritte teamintern gewonnene Duell in den vergangenen vier Rennen.
In Spielberg zeigte Bottas nun, dass er aus eigener Kraft auf die Pole-Position fahren und anschließend auch das Rennen gewinnen kann. Da liefert auch Hamiltons Strafversetzung durch Getriebeschaden keine Gegenargumente, denn Hamilton war auch in der Qualifikation nicht in der ersten Reihe. "Heute war mein bisher bestes Wochenende", meint Valtteri Bottas gestern nach dem Sieg - den Zahlen nach stimmt das auch.
Hamilton: Bottas hat die bessere Saison
"Valtteri hat heute einen fantastischen Job gemacht. Er hat den Sieg vollkommen verdient", muss auch Hamilton zugeben und zollt seinem neuen Teamkollegen Respekt: "Wenn du auf die Resultate schaust, dann hatte er schon einen Ausfall. Das heißt, er hatte generell eine bessere Saison bislang." Nimmt man das Barcelona-Rennen weg, in dem Bottas einen Motorschaden erlitt und Hamilton das Rennen gewann, dann wäre der Finne teamintern vorne - doch Hamilton dürfte wissen, dass auch er schon Pech hatte.
Die Frage ist nun, wie sich das auf die Teamdynamik auswirken wird. Noch kann Hamilton seinem Partner offen gratulieren, doch das konnte er auch Nico Rosberg, mit dem sich dann ein sehr angespanntes Verhältnis entwickelte. Trotz der Vorerfahrungen möchte man bei Mercedes aber nichts an seinem Ansatz verändern. "So wie wir in der Vergangenheit damit umgegangen sind", betont Motorsportchef Toto Wolff auf die Frage, wie man denn nun mit der Situation umgehen werde.
Allzu fern in die Zukunft mag man bei den Silberpfeilen aber noch nicht schauen, weil erst neun von 20 Rennen absolviert wurden. "Wir haben noch nicht einmal Halbzeit und fangen schon an, Punkte zu zählen", wundert sich der Österreicher. Dabei ist die WM auch bei Bottas noch nicht im Kopf: "Ich möchte nicht zu sehr daran denken. Es hilft nicht, wenn man anfängt darüber nachzudenken", sagt er.
Vettel begrüßt Bottas im Titelkampf
Bottas hat seine eigene Methode, wie er die restlichen Rennen in dieser Saison angeht: "Du musst es Rennen für Rennen, Session für Session, Runde für Runde nehmen." Für ihn ist erst einmal wichtig, dass er weiter von jedem Grand Prix lernt. Der Finne nimmt vom Team und auch von Hamilton an jedem Tag eine Menge mit, wie er sagt und legt damit den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft. "Das macht mich zu einem besseren Fahrer."
Und auch zu einem Titelkandidaten? "Ich denke, das war er die ganze Zeit", schlägt Ferrari-Pilot Sebastian Vettel in die gleiche Kerbe wie Hamilton. Für ihn ist es sonnenklar: "Er sitzt in einem der schnellsten Autos und ist einer der schnellsten Fahrer." Warum sollt er also kein Titelkandidat sein? "Er wurde in seinen Williams-Jahren wohl etwas unterschätzt, weil das Auto nicht so gut war. Er hat aber großartige Arbeit geleistet. Felipe (Massa; Anm. d. Red.) war ein harter Teamkollege. Und jetzt macht er Lewis das Leben schwer."
Der Deutsche würde es sogar begrüßen, wenn sich Bottas in den Titelkampf dazugesellt. "Je mehr Fahrer vorne sind, desto besser ist es für alle. Dann macht es mehr Spaß", sagt er - wohl wissend, dass es auch für ihn gut ist, wenn Bottas Hamilton hier und da Punkte abnehmen kann. Doch heute hat er vor allem Vettel den Sieg und damit wichtige Zähler abgenommen. "Das war auch für Lewis gut", sagt Toto Wolff.
Anscheinend können sich also alle mit dem Titelkandidaten Valtteri Bottas anfreunden. Auch er selbst. Auch wenn der Weg in der Weltmeisterschaft noch weit ist, ist sich der Finne sicher, dass er die Leistung bis Saisonende halten kann. "Wir werden sicherlich im Meisterschaftskampf sein", verkündet er und ist stolz auf sich und sein Team. "Solange wir so weiterarbeiten, kann ich nicht abwarten, was die Zukunft bereithält."