Vettel-Urteil Freibrief für schmutzige Manöver? Todt dementiert
Wieso Niki Lauda nach Baku mit einer härteren Gangart im WM-Kampf rechnet und wie FIA-Boss Jean Todt erklärt, dass es keine weiteren Konsequenzen für Vettel gab
(Motorsport-Total.com) - War das milde Urteil gegen Sebastian Vettel in der Baku-Affäre eine Art Freibrief für die Piloten, in Zukunft mit voller Härte gegen ihre Rivalen vorzugehen? Das glaubt zumindest der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda. Das sei "perfekt für egozentrische Rennfahrer, die ihr Revier behaupten wollen", sagt die Formel-1-Legende gegenüber 'Auto motor und sport'. Und vermutet: "Das wird auch Lewis mal inspirieren, es genauso zu machen. Es kann ja nichts passieren."
Er rät Hamilton nun: "Kämpfe gegen Vettel so hart, wie er gegen dich gekämpft hat. Oder sogar noch härter. Er wird das gleiche tun." Demnach könnte der WM-Kampf also schmutzig werden. Hätte die FIA, die Vettels absichtlichen Rammstoß gegen Hamilton bloß mit einer Zehn-Sekunden-Strafe ahndete, also ein Exempel statuieren müssen?
Kritiker des Urteils sagen ja und vergleichen die Situation mit dem Fußball, wo Revanchefouls normalerweise mit dem Ausschluss bestraft werden. Und auch die Tour-de-France-Affäre um Weltmeister Peter Sagans absichtlichen Ellbogenschlag, der zu einem Massensturz und zu seinem Ausschluss führte, wird wird immer wieder als Vergleich herangezogen.
Todt: Baku kann man nicht mit der Tour de France vergleichen
Doch FIA-Boss Jean Todt wehrt sich gegen die Kritik. "Ich finde, die Dinge, die kürzlich bei der Tour de France passiert sind, kann man nicht mit Baku vergleichen", holt der Franzose gegenüber 'Sky Sports F1' aus. Der Grund: "Die Radfahrer waren voll in Action", während der Grand Prix durch die Safety-Car-Phase neutralisiert war.
Außerdem verweist er darauf, dass die Rennkommissare in den vergangenen Jahren oft dafür kritisiert wurden, zu hart zu bestrafen. "Das kann ich verstehen", sagt Todt. "Und ich habe sogar gehört, dass wir gar nicht mehr bestrafen sollten und dafür sorgen sollten, dass es die Fahrer auf der Strecke austragen."
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Einen Gegner absichtlich zu rammen, wie es Sebastian Vettel beim Aserbaidschan-Grand-Prix 2017 nach Ansicht der Sportkommissare mit Lewis Hamilton machte, ist ein heftiges Foul. Doch die Formel-1-Geschichte trieb noch heftigere und skurrilere Blüten. Wir haben die Top 10 der größten Unsportlichkeiten in einer Fotostrecke zusammengestellt. Fotostrecke
Er hält das Verhalten Vettels zwar für "inakzeptabel", hielt es aber auch für unangebracht, sich selbst in die Entscheidungsprozesse einzuschalten: "Es ist doch komplett irrelevant, wenn der Präsident zuhause vor dem Fernseher zuschaut und dann die Rennkommissare anruft, um ihnen zu sagen, was sie tun sollen." Die Zehn-Sekunden-Strafe hält er nicht für zu milde: "Es hat das Ergebnis so beeinflusst, dass der Sieger plötzlich nur mehr auf Platz vier war und statt 25 nur mehr zwölf Punkte hatte. Vettel hat deswegen also 13 Punkte verloren."
Warum die Baku-Affäre noch einmal aufgerollt wurde
Doch wenn ohnehin alles gepasst hat, warum wurde die Angelegenheit überhaupt im Nachhinein noch einmal aufgerollt? Todt verweist auf die Aussagen von Vettel und Ferrari-Teammitgliedern nach dem Rennen, "die meinten, wie unglücklich sie sind und wie unfair diese Entscheidung sei. Daher fand ich, dass wir besser verstehen müssen, was passiert ist."
Stattdessen solle Vettel dafür sorgen, dass er mit seinem Manöver kein schlechtes Vorbild sei. "Ich finde es aber gut, wenn Vettel Formel-Ford-, Formel-3- und Formel-2-Fahrer unterstützt und ihnen sagt, dass sie nicht tun sollen, was er getan hat - und woraus er hoffentlich etwas gelernt hat. Und er wird auch an einer wichtigen Konferenz teilnehmen, an der jedes Jahr in Genf alle Rennkommissare und Streckenposten teilnehmen."