Bottas vs. Stroll: Aufklärung der Verschwörungstheorien
Wurde Lance Stroll in Baku auf den letzten Metern eingebremst? Hatte er einen anderen Motor als Valtteri Bottas? Wir haben uns in Spielberg erkundigt ...
(Motorsport-Total.com) - Fünf Runden vor dem Ende des Grand Prix von Aserbaidschan in Baku hatte Lance Stroll noch 5,8 Sekunden Vorsprung auf Valtteri Bottas. Zwei Runden vor Schluss waren es noch 2,2, zu Beginn der letzten immerhin noch 1,3 Sekunden. Und trotzdem tauschten die beiden auf den letzten Metern noch die Positionen. Die Verschwörungstheorien, die in diesem Zusammenhang gesponnen wurden, sind aber haltlos.
Stroll habe als Williams-Mercedes-Fahrer die Anweisung gehabt, Mercedes-Werkspilot Bottas noch vorbeizulassen, lautete eine Vermutung nach dem Rennen in Baku. Eine andere war, dass der 18-jährige Rookie beim Herausbeschleunigen aus der letzten Kurve einen Fehler gemacht haben könnte. Beides scheint nicht zu stimmen.
"Von dem, was ich sehen konnte, hat er das gut verteidigt", nimmt Bottas seinen Gegenspieler in Schutz. "Er blieb auf der geraden Linie und versuchte nicht zick-zack zu fahren, denn es kostet dich normalerweise nur Geschwindigkeit, wenn du verkrampft versuchst, ein anderes Autos aus dem Windschatten zu bekommen. Und er blieb auf der Innenlinie. Das war der kürzeste Weg zur Ziellinie. Ich hätte an seiner Stelle nichts anders gemacht."
Bottas hatte bei Start und Ziel sage und schreibe 34 km/h mehr Geschwindigkeit - und Stroll damit nicht den Funken einer Chance, sich zu verteidigen. Durch Windschatten und DRS sind rund 20 km/h zu erklären. Den entscheidenden Unterschied machte aber wohl der berühmte Qualifying-Motorenmodus, der Mercedes in Q3 regelmäßig hilft.
Fotostrecke: GP Aserbaidschan, Highlights 2017
Verrückter geht's nicht: Daniel Ricciardo (P17 nach Bremsen-Reparaturstopp) gewinnt das Rennen in Baku vor Valtteri Bottas (nach Kollision mit Kimi Räikkönen schon überrundet) und Lance Stroll (laut Jacques Villeneuve schlechtester Rookie aller Zeiten)! Der Grand Prix von Aserbaidschan 2017 ist der Formel-1-Kracher des Jahres. Fotostrecke
"Wir haben auf diesen letzten Metern alles aufgedreht, was möglich war", bestätigt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Er meint damit jenen Modus, der nicht nur für Q3, sondern auch für einige wenige Rennrunden im Silberpfeil-Antrieb steckt. Der bringt auf der langen Geraden in Baku laut Mercedes-Aussage gegenüber 'auto motor und sport' fünf km/h. Andere vermuten, es sei doppelt so viel.
Und vielleicht war Bottas beim Spiel mit der Überhol-Energie einfach um ein paar Jahre Erfahrung cleverer als sein Gegner. Der Finne sparte sich seine komplette Energie für das Herausbeschleunigen aus der letzten Kurve auf. Wenn Stroll schon davor in der Runde mal kurz aufgedreht hat, um etwa einen kleinen Rutscher zu kompensieren, könnte ihm diese Power am Ende gefehlt haben.
"Im Nachhinein", meint der Kanadier, "sagt sich immer leicht, dass ich dies und jenes anders hätte machen können. Hätte ich Ricciardo beim Restart hinter mir gehalten, hätte ich das Rennen vielleicht gewinnen können! Aber das sagt sich leicht. Racing ist Racing, weil immer etwas Unerwartetes passiert und du nicht zehnmal rumprobieren kannst. Du hast nur einen Versuch."
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"Klar bin ich ein bisschen enttäuscht, aber er hatte das DRS offen und er überholte mich auf der Gerade. So ist die Formel 1 heute, aber ich freue mich trotzdem", erklärt Stroll und räumt ein: "Der Geschwindigkeitsunterschied war wirklich groß."
Vielleicht weil Williams einen schwächeren Motor bekommt als das Mercedes-Werksteam? Wir fragen Claire Williams: "Sind alle Mercedes-Motoren identisch?" Antwort der Teamchefin: "Natürlich sind sie das. Die FIA schreibt das doch vor. Valtteri hatte einfach viel Energie in seiner Batterie angespeichert. Das glaube ich so."
Strolls erster Gedanke nach der Zieldurchfahrt: "Scheiße!" Aber der amtierende Formel-3-Champion kann inzwischen schon wieder darüber lachen: "Wenn ich mir eine Position aussuchen müsste, hätte ich mir genau die ausgesucht: von P2 auf P3. Vom dritten auf den vierten Platz, das hätte deutlich mehr wehgetan, und vom ersten auf den zweiten auch. Ich war überglücklich, auf dem Podium zu stehen."