• 26. Juni 2017 · 09:46 Uhr

Hundertstelkrimi um Stroll: "Dachte, ich hätte es in der Tasche"

Das spannende Duell zwischen Lance Stroll und Valtteri Bottas wurde zur Hetzjagd in Baku: Williams hadert mit dem hauchdünnen Abstand, den Bottas im DRS-Sektor war

(Motorsport-Total.com) - Können Sie sich vorstellen: Sie sind ein blutjunger 18-jähriger Rookie, der gerade erst in der Formel 1 angefangen hat. Ihre ersten Rennen verliefen nicht gerade berauschend und sie stehen unter großem Druck in der Öffentlichkeit. Und plötzlich finden sie sich in der Schlussphase eines Rennens auf Rang zwei wieder - mit der Chance auf einen überraschenden Podestplatz. Doch hinter ihnen lauert das wohl schnellste Auto und bläst zur Attacke.

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Williams jubelt, als Lance Stroll über die Ziellinie fährt - er wird im Fotofinish Dritter Zoom Download

So war die Gefühlslage für Williams-Pilot Lance Stroll gestern in den letzten Runden des Großen Preises von Aserbaidschan. Konkurrent um Konkurrent patzte, und der Kanadier lag plötzlich in einer hervorragenden Ausgangslage. Vermeintlich sichere 11,5 Sekunden Vorsprung hatte er auf seinen nächsten Verfolger, als es in die letzten zehn Runden ging. Doch dieser hieß Valtteri Bottas und fuhr einen Mercedes - das Auto, das die letzten drei Jahre alles abgeräumt hat, was ging.

Der Finne war so eben die schnellste Runde des Rennens gefahren und schickte sich an, Strolls Platz noch wegzunehmen. "Ich hatte gerade Ocon überholt, und als ich die Rundenzeit mit freier Fahrt gesehen hatte, wusste ich, dass es eine Möglichkeit gibt", schildert Bottas aus seiner Sicht. Seine Ingenieure hielten ihn über den Abstand und die verbleibenden Runden in Kenntnis. "Und es war fast gleich. Ich könnte ihn vielleicht in der letzten Runde oder so einholen."

Stroll zwischen Pushen und Schonen

Bei Williams hatte man die Zeichen der Zeit verstanden. Man wies Stroll an, ruhig zu bleiben, gleichzeitig aber zu pushen. "Das war schwierig, denn meine Hinterreifen haben angefangen abzubauen", berichtet der Kanadier. "Ich wusste, dass es schwierig werden würde, die Pace zu halten. Von daher habe ich einfach versucht zu pushen, aber gleichzeitig nicht zu pushen. Es ist einfach schwierig, gute Rundenzeiten zu fahren und dabei den Reifen zu schonen."

Gut eine Sekunde pro Runde war Bottas schneller als sein Nachfolger bei Williams. Auch er fuhr Qualifying-Runden und schonte sein Material dabei nicht. "Die Reifen konnten es aushalten, und dass die Temperaturen runtergingen, hat geholfen", so der Mercedes-Mann. "Ich habe die letzten Runden wirklich genossen, weil ich jede Kurve, jede Runde alles gegeben habe und immer näher herangekommen bin."

Gleichzeitig stieg bei Stroll davor der Druck. "Sie haben mich über die Pace informiert, also wusste ich, wie nah er war. Zwei Runden vor Schluss habe ich ihn im Rückspiegel gesehen", sagt der Youngster. Mit 1,3 Sekunden Vorsprung ging es in die letzte Runde, die es in sich haben sollte. Stroll hielt sich in den ersten beiden Sektoren schadlos und bog vor Bottas auf die letzte Gerade ein.

Bottas: Gut, dass es nicht um Rang drei und vier ging

"Ich dachte am Anfang der langen Geraden, dass ich es in der Tasche habe", meint Stroll. Doch Bottas flog mit DRS noch knapp vor der Ziellinie vorbei. "Ich hatte den Windschatten und das DRS. Ich war mir nicht sicher, wo die Ziellinie genau war. Ich konnte sie nicht sehen", so Bottas. "Aber als sie am Ende den Funk geöffnet hatten, konnte ich im Hintergrund Klatschen hören. Da wusste ich, dass ich Rang zwei hatte."

0,105 Sekunden trennten Bottas und Stroll am Ende voneinander. "Der Killer waren die zwei Zehntel beim DRS-Messpunkt. Valtteri hatte 0,8 Sekunden Rückstand und dadurch DRS bekommen", sagt Williams-Technikchef Paddy Lowe. "Wenn er zwei Zehntel weiter vorne gewesen wäre, hätte er Rang zwei eingefahren." Trotzdem reichte es für den 18-Jährigen noch für Rang drei und zu seinem ersten Podestplatz in der Formel 1.

"Für ihn ist es nicht entscheidend, ob Rang zwei oder drei", findet Lowe. Und auch Stroll muss sagen, dass er auch mit dem dritten Platz absolut glücklich ist, auch wenn er am Ende knapp unterlegen war - und das lässt sogar den Konkurrenten nicht kalt: "Ich freue mich für ihn. Wenn ich ihn von Rang drei auf Rang vier gestoßen hätte, wäre das etwas anderes gewesen", meint Bottas. "So war es schön, Lance nach dem schwierigen Saisonbeginn auf dem Podium zu sehen."

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