• 25. Juni 2017 · 23:13 Uhr

Lance Stroll zeigt's den Kritikern: Vom Crash-Kid zur Sensation

Lance Stroll hat seine Kritiker mit dem Podestplatz von Baku erst einmal mundtot gemacht: Der Kanadier brilliert mit guter Pace und einer fehlerfreien Fahrt

(Motorsport-Total.com) - Die Zuschauer haben gewählt: Bei der offiziellen Formel-1-Abstimmung über den Fahrer des Tages bekam Lance Stroll die meisten Stimmen. Wohl nur wenige hätten das nach den schwierigen Anfängen des Kanadiers gedacht, doch in Baku legte der Williams-Pilot sein Meisterstück hin. Stroll schaffte es mit Rang drei erstmals auf das Podium - dabei ist er der jüngste Rookie, der je zu einer Champangerzeremonie durfte.

"Ein Traum wird wahr", kommt der Youngster aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Man hat als Kind diesen Traum, auf einem Formel-1-Podium zu stehen, und arbeitet das ganze Leben daran. Endlich spürt man den Moment." Stroll beschreibt den Sport als eine Art Hassbeziehung. Die meisten Tage seien hart, doch an solchen Tagen wie heute spüre man, für was man es macht. "Für diese Momente machen wir das", unterstreicht er.

Bislang verlief die erste Formel-1-Saison für den Kanadier nicht gerade berauschend. Stroll machte viele überhastete Fehler, kam mit seinem Teamkollegen Felipe Massa nicht mit und wurde durch sein Bezahlfahrer-Image hart ins Visier genommen. Doch als es in Kanada vor zwei Wochen die ersten Punkte gab, fiel der ganz große Druck ab. In Aserbaidschan gab es nun sogar gleich einen Podestplatz hinterher, für den Stroll hart gearbeitet hat.

Während Konkurrent um Konkurrent Probleme hatte, tauchte Stroll plötzlich in der Spitzengruppe auf. Als die beiden Force India miteinander kollidierten, war dem Youngster klar, dass ein Podestplatz möglich war. "Ich musste mich dann auf den Restart konzentrieren. Ich habe Felipe (Massa) überholt, aber Daniel (Ricciardo; Anm. d. Red.) hat mich geschnappt. Dann habe ich gehört, dass Vettel und Hamilton Probleme haben, also blieb ich fokussiert und fuhr mein Rennen."

"Nur Kurve für Kurve gedacht"

Stroll lag fortan hinter Ricciardo auf Rang zwei. Hinter ihm lagen zunächst Kevin Magnussen (Haas) und Esteban Ocon, die der Kanadier aber für keine Gefahr hielt. Valtteri Bottas war das größere Problem, denn der Mercedes-Pilot kam in Riesenschritten näher. Die letzten Runden fuhr Stroll alle im Qualifying-Modus, um seinen zweiten Platz vor dem Finnen zu sichern. Für den Youngster war das ein besonderer Druck, schließlich ging es um sein erstes Podium.

An den möglichen Podestplatz habe er zu dem Zeitpunkt aber nicht gedacht, wie er sagt: "Ich habe nur Kurve für Kurve gedacht. So habe ich es mein ganzes Leben schon gemacht", so der 18-Jährige. "Ich wusste, dass die Belohnung fantastisch sein würde, doch in diesem Moment habe ich nicht daran gedacht. Ich war einfach im Tunnel und in einem Fluss. Es gab ein paar haarige Momente, in denen ich die Mauer in Kurve 3 berührt hab. Also wollte ich cool bleiben und es nach Hause bringen."

Das gelang ihm schließlich auch - nun ja, fast. Auf den letzten Metern fing ihn Bottas noch ab, sodass er sich um eine Zehntelsekunde geschlagen geben musste. Der Finne flog mit offenem Flügel heran und ließ Stroll keine Chance. "Am Ende war er einfach mit DRS zu schnell für mich", resümiert der Williams-Pilot, nimmt Rang drei aber ebenfalls mit Kusshand. "Trotzdem bin ich unheimlich glücklich", sagt er.

Stroll: Kritiker nur "Störgeräusche"

"Heute ein Podium geholt zu haben, ist absolut fantastisch", strahlt er. Zur Belohnung gab es bei der Zeremonie einen Shoey von Rennsieger Daniel Ricciardo. "Der hängt mir immer noch im Mund", lacht er. "Es ist einfach ein besonderer Tag, den ich nicht beschreiben kann. Es war eines der großartigsten Formel-1-Rennen der Geschichte. Es gab eine Rote Flagge, Chaos, und wir sind einfach sauber geblieben. Ich habe einen kühlen Kopf bewahrt und mich aus all dem Trubel herausgehalten."

Das kam jedoch für viele überraschend. Lance Stroll war bislang eigentlich ein Pilot, der immer für irgendwelche Böcke gut war. Auch deswegen wurde er von vielen als untalentierter Bezahlfahrer abgeschrieben. Mit Rang drei auf einem Stadtkurs hat er nun aber das Gegenteil bewiesen. Stroll hat es seinen Kritikern gezeigt, auch wenn er das selbst nicht so sieht. "Ich habe nichts bewiesen. Ich höre gar nicht auf so was", meint er.

Für ihn seien seine Kritiker ohnehin nur "Störgeräusche", wie er sagt. "Sie waren im letzten Jahr da, als ich eine perfekte Saison hatte, also werden sie vermutlich auch noch da sein, wo ich in diesem Jahr schwierigere Zeiten erlebt habe", sagt er. "Aber das ist nur Geschwätz irgendwelcher Leute. Ich bin einfach nur glücklich für mich, mein Team, meine Freunde und meine Familie. Das zählt. Der Rest sind nur Störgeräusche im Hintergrund, und das interessiert mich nicht."

Familienmensch Stroll möchte nur heim

Doch in Baku dürften seine Kritiker etwas verstummt sein. Stattdessen dürfte Stroll vor allem Jubelarien hören. Von seinem Team gibt es viel Lob für seine Vorstellung: "Es war perfekt", betont Technikchef Paddy Lowe. "Lance hat das ganze Wochenüber eine zehn von zehn gefahren. Er ist im Auto selbstbewusst und nimmt das Schritt für Schritt mit durch das Wochenende. Das hat ihn in eine Position gebracht, die ihn auf das Podest geführt hat."

Besonders beeindruckt habe ihn, wie er unter Druck ruhig geblieben ist und keinen Fehler gemacht hat. "Jede Rundenzeit hat gepasst", sagt der Engländer und betont, dass Stroll sich im Gegensatz zur Konkurrenz nicht an den Crashfestspielen beteiligt hat. "Am Freitag gab es nur drei Fahrer, die kein Gelb verursacht haben, und er war einer davon. Für einen Rookie war das ziemlich beeindruckend", so Lowe.

Und so kam es, dass der 18-Jährige neben den arrivierten Ricciardo und Bottas auf dem Podest stehen durfte, bejubelt von seinem Team und Vater Lawrence. "Es war fantastisch. Ich habe meine Freunde und mein Team gesehen. Wir waren zusammen da", strahlt er. "Es ist so ein emotionaler Sport. Es gibt Höhen und Tiefen. Wir machen es für solche Momente." Mit den Freunden will er am Abend feiern, danach packt ihn aber die Sehnsucht: "Ich möchte einfach heim und meine Familie sehen. Das ist alles, was für mich zählt."

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