• 29. Mai 2017 · 17:10 Uhr

Lewis Hamilton über Zicke F1 W08: "Auto noch nie so seltsam"

War Monaco eine Ausnahme, oder rutschen Mercedes und Lewis Hamilton immer tiefer in die Schwierigkeiten? Wieso der F1 W08 zickt und auch in Montreal Umgemach droht

(Motorsport-Total.com) - Dass Mercedes in Monaco Mühe haben wird, Ferrari Konkurrenz zu machen, war wegen des langen Radstands zu erwarten. Dass man aber nicht einmal auf das Podest kommen würde und ein Fahrer sogar kämpfen muss, um in die Punkte zu kommen, war dann aber doch überraschend. Vor allem Lewis Hamilton, der die Reifen einfach nicht in das richtige Temperaturfenster brachte, schlug Alarm: "Das Auto hat sich in all den Jahren mit dem Team noch nie so seltsam angefühlt." Zur Erinnerung: Der Brite fährt bereits seit 2013 für die Silberpfeile.

Foto zur News: Lewis Hamilton über Zicke F1 W08: "Auto noch nie so seltsam"

Der F1 W08 als Zicke: Lewis Hamilton kam in Monaco nie gut in Schuss Zoom Download

War Monaco mit den Plätzen vier durch Valtteri Bottas und sieben durch Hamilton, der zuletzt in Barcelona Sebastian Vettel auf einrucksvolle Weise besiegte, eine Eintagsfliege, oder hat der F1 W08 eine chronische Schwachstelle, die sich nun immer mehr herauskristallisiert? "Vielleicht ist Monaco so ein Ausrutscher wie Singapur vor zwei Jahren", hofft Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und verweist auf ein Rennen, bei dem man mit den Reifen ebenfalls nicht klarkam.

Doch er gibt die Antwort postwendend: "Einmal sind wir im Reifenfenster, dann wieder nicht. Noch an keinem Wochenende in dieser Saison hat es bei beiden Autos gepasst." Ist es Ferrari also gelungen, Mercedes vom Thron zu stürzen und in die Rolle des Außenseiters zu verdrängen? Wolff versucht, es positiv zu sehen: "Mir gefällt es, wenn wir der Underdog sind. Die Leuten wollen es sehen, dass der Underdog gewinnt. Und ich denke, dass wir seit Saisonbeginn in dieser Rolle sind. Das ist die Realität."

Reifen als Ursache: Wolff glaubt weiter an Mercedes-Boliden

Der Österreicher führt all das auf die neuen Pirelli-Reifen zurück. "Wir haben ein schnelles Auto, aber es mag die Reifen nicht", sieht der Mercedes-Motorsportchef keinen grundlegenden Konstruktionsfehler beim Boliden. "Es geht nur darum, die Reifen in das richtige Fenster zu bekommen."

Das gelinge bislang ausschließlich Ferrari - auch alle anderen Teams beißen sich an den neuen Pirellis die Zähne aus. Im Fahrerlager wird längst gerätselt, warum Mercedes dieses Jahr mit den Reifen dermaßen im Clinch ist. Und warum einmal Bottas hadert, dann aber wieder Hamilton, der in Sotschi und Monaco völlig von der Rolle war.


Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2017

Auffällig: Bei den Rennen am Schwarzen Meer und an der Cote d'Azur kam der Ultrasoft-Reifen zum Einsatz. Ist der für Hamilton ein Rotes Tuch? "Ich kann noch kein klares Muster erkennen", widerspricht der dreimalige Weltmeister, der beim ersten von drei Ultrasoft-Einsätzen in Melbourne schneller als Bottas war.

Hamilton mit Ultrasoft-Reifen auf Kriegsfuß?

In Sotschi und Monte Carlo würde man außerdem "mit ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten fahren, allerdings auf einem ähnlichen Asphalt", sucht der Mercedes-Star die Nadel im Heuhaufen. Ganz allgemein gibt er aber zu, dass der F1 W08 auf Ultrasoft-Pneus nicht optimal liegt: "Er bereitet uns Probleme. Wir müssen für die nächsten Rennen beim Set-up einen Schritt zurückgehen - in einen Bereich, in dem wir uns wohlfühlen. Wir müssen den Ultrasoft-Reifen besser verstehen." Er kann sich aber nicht erklären, warum der Reifen "bei einem Auto funktioniert und beim anderen nicht."

"Zu Beginn des Rennens mochte Lewis das Auto überhaupt nicht, aber nach dem Stopp war er plötzlich der Schnellste."Toto Wolff
Auffällig ist, dass Hamilton nach dem Wechsel auf Supersoft-Reifen plötzlich konkurrenzfähige Zeiten fuhr und hinter Sergio Perez, den beiden Ferrari-Piloten und Daniel Ricciardo die fünftschnellste Rennrunde absolvierte. "Wir haben das Auto über Nacht nicht angegriffen", erklärt Wolff. "Zu Beginn des Rennens mochte es Lewis überhaupt nicht, aber nach dem Stopp war es plötzlich das schnellste Auto. Und das, obwohl wir in einem defensiven Modus fuhren, was wohl auch für Ferrari gegolten hat."

In einem Gespräch habe ihm Hamilton verraten, dass der Grip nach dem Stopp "plötzlich wieder da" gewesen sei. "Die Gründe dafür sind ein italienisches Mysterium", wundert sich Wolff. "Wir müssen das verstehen, weil es Ferrari versteht."

Bottas: Warum Hamilton in Monaco strauchelte

Im Gegensatz zu Sotschi fuhren Bottas und Hamilton in Monaco sogar mit einem nahezu identischen Set-up. Wie war es also möglich, dass der Finne so klar überlegen war? "Man benötigt hier einen guten Rhythmus und Selbstvertrauen, um gute Zeiten zu fahren", versucht sich Bottas selbst in einer Erklärung. "Lewis hatte in Q2 ein paar Fehler, hatte Verkehr, und so kam er nie auf diese Rundenzeit. Ich hatte hingegen ein paar gute Runden hintereinander, darauf habe ich aufgebaut. Das ist hier in Monaco ein schmaler Grat." Hat Hamilton also die Psyche einen Strich durch die Rechnung gemacht?

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Bottas rettete für Mercedes in Monaco immerhin den vierten Platz Zoom Download

Nicht nur, glaubt Bottas. Er gibt zu, dass der F1 W08 schwierig zu fahren ist - als Problemzone hat er übrigens ähnlich wie die Red-Bull-Piloten das Heck im Visier. "Wir haben das Problem, dass die Balance des Autos nicht passt, vor allem in den langsamen Kurven. Die Stabilität des Hecks sorgt für Probleme. Und wenn das Heck nicht stabil ist, dann bekommt man auch keine Energie in die Vorderreifen."

Warum das Heck die Vorderachse dermaßen beeinflusst? "Ein stabiles Heck sorgt vorne für leichtes Untersteuern, wodurch die Vorderreifen auf Temperatur kommen", stellt der Sotschi-Sieger klar. Und wenn man in den Kurven mehr Tempo mitnehmen kann, dann bringt man mehr Energie und Temperatur in die Reifen." Nur bei Ferrari scheint man an der Hinterachse genügend Grip aufzubauen, damit das Auto auf der Straße klebt. Das könnte mit der optimalen Anströmung des Diffusordachs zu tun haben - die Scuderia ist diesbezüglich richtungsweisend.

Auch in Montreal drohen Probleme

Bleibt die Frage, ob Mercedes auch in Kanada eine Pleite droht? "Montreal war für mich in den vergangenen Jahren ein guter Boden. Ich würde mir wünschen, dass das so bleibt", klammert sich der fünfmalige Kanada-Sieger Hamilton an die Statistik. Und auch Bottas wirft ein: "Kanada ist ganz anders. Dort gibt es hauptsächlich mittelschnelle Kurven und Schikanen, während es in Monaco nur um mechanischen Grip und Abtrieb geht. Ich glaube, Monaco war eine Momentaufnahme."

"Noch so ein Rennen, und wir liegen noch viel weiter zurück."Lewis Hamilton
Dennoch gibt es Alarmsignale. "Beim nächsten Rennen haben wir die gleichen Reifen wie hier", weiß Hamilton, dass erneut die ungeliebte Ultrasoft-Mischung zum Einsatz kommt. Und auch Wolff fürchtet gegenüber 'Sky.de', dass die Pneus erneut Rätsel aufgeben werden: "Montreal ist auch eine Strecke, auf der wir in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme hatten, den Vorderreifen im Fenster zu haben, aber gerade das ist für uns vielleicht ein gutes Testumfeld." Zudem rechnet er damit, dass seine Mannschaft das Rätsel bald knacken wird: "Je mehr Kilometer wir abspulen, desto mehr Daten sammeln wir und desto besser werden wir es verstehen."

Hamilton, der nun im WM-Kampf bereits 25 Punkte - also einen Sieg - hinter Sebastian Vettel liegt, fordert aber sofortige Lösungen: "Noch so ein Rennen, und wir liegen noch viel weiter zurück."

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