Ricciardos "Rekordrunden": Strategiepoker ermöglicht Podest
Daniel Ricciardo erobert trotz Mauerkuss mit einem Overcut den dritten Platz beim Grand Prix von Monaco - Max Verstappen verärgert über Strategie & nur Platz fünf
(Motorsport-Total.com) - Nach einem enttäuschenden Qualifying kam das Lächeln am Sonntag doch noch zurück in Daniel Ricciardos Gesicht. Der Australier beendete den Grand Prix in Monaco dank eines Strategiepokers auf dem dritten Platz, sein verärgerter Teamkollege Max Verstappen wird Fünfter. "Ich bin heute bestimmt glücklicher", freut sich der Vorjahreszweite auf dem Podium. (Zum Ergebnis des Monaco-Grand-Prix!)
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Daniel Ricciardo kann in Monaco wieder strahlen: Platz drei hart erkämpft Zoom Download
Doch Ricciardo musste sich zu Beginn des Rennens noch in Geduld üben. Der Australier kam von seinem fünften Startplatz gut weg und reihte sich nach der ersten Kurve hinter Verstappen auf dem fünften Platz ein. Es gab in den engen Gassen keine Positionsverschiebungen unter den Top 5. Der Red-Bull-Tross machte Jagd auf den Mercedes von Valtteri Bottas, während die Ferraris an der Spitze wegziehen konnten.
In Runde 33 kamen Verstappen als erster Fahrer der Spitzengruppe und kurz darauf auch Bottas an die Box. Das ermöglichte es dem Australier bei freier Bahn schnelle Runden zu drehen, immerhin hatte er rund fünf Sekunden Rückstand auf Vettel auf Rang zwei. In dieser Phase des Rennens knallte der 27-Jährige die zwischenzeitlich schnellste Rennrunde in den royalen Asphalt. Er fuhr um rund eineinhalb Sekunden schneller als Verstappen, der nun auf dem härteren Supersoft unterwegs war. Am Ende sollten diese paar Runden den entscheidenden Unterschied zwischen Podium und Platz fünf ausmachen.
Overcut perfekt ausgeführt - Mauerkuss bleibt ohne Folgen
"Heute bekam ich die Chance, als Max und Bottas in die Box gefahren sind. Ich hatte eine freie Strecke vor mir für ein paar Runden. Da konnte ich gute, konstante Rundenzeiten fahren. Ich konnte den Overcut ausführen", erklärt Ricciardo nach dem Rennen. Er spekulierte bereits nach dem enttäuschenden Qualifying mit dieser strategischen Variante, wo man zuerst ein paar scharfe Runden fahren muss, um erst spät an die Box zu kommen.
"Es war cool, dass wir unsere Pace zeigen konnten. Ich hatte freie Fahrt. Die Reifen waren schon ziemlich am Ende, ich bin aber gut in den Rhythmus gekommen." Ricciardos Ultrasofts waren insgesamt bereits 44 Runden alt. Er konnte dennoch ein paar gute Rundenzeiten "raushauen". Sein Ingenieur feuerte ihn am Funk außerdem an. "Das war motivierend." Ricciardo kam schließlich in Runde 39 zum Reifenwechsel an die Box. Er holte sich einen frischen Satz Supersofts ab - und kam vor Valtteri Bottas und Max Verstappen zurück auf die Strecke.
Einen weiteren heiklen Moment erlebte der Australier nach der Safety-Car-Phase beim Restart. Er kam in Kurve 1 gefährlich weit raus und berührte mit dem linken Vorderrad die Bande beim Kurvenausgang. "Das hat keinen Spaß gemacht. Ich war mir nicht sicher, ob ich einen Schaden habe", berichtet Ricciardo. Er befürchtete, dass sein Frontflügel bei der Berührung demoliert wurde. "Eigentlich war ich ziemlich vorsichtig. Als ich einlenkte, hat sich das Auto nicht bewegt und dann habe ich die Mauer leicht berührt. Ich war mir sicher, dass ich den Frontflügel beschädigt habe."
"Wie auf Eis": Reifen kamen nicht auf Temperatur
Er hatte allerdings nicht viel Zeit, um sich über einen möglichen Schaden an seinem RB13 Gedanken zu machen, denn von hinten drohte schon die nächste Gefahr in Gestalt von Valtteri Bottas: "Danach sah ich aber Valtteri von hinten herankommen, der wollte unbedingt vorbei. Die ersten paar Runden (nach dem Restart; Anm. d. Red.) waren also knifflig", lacht er. Die Pirelli-Reifen seien durch das langsame Fahren hinter dem Safety-Car zu "Eis" mutiert.
Auch Red-Bull-Berater Helmut Marko bemerkte diese Schwäche: "Wir haben immer noch ein Problem damit, die Reifen richtig aufzuwärmen. Das hat man beim Restart gesehen, wie lange Ricciardo gebraucht hat, bis die Reifen auf richtiger Temperatur waren." Trotzdem ist man im Ricciardo-Lager wieder frohen Mutes, immerhin holte er sein zweites Podium in Folge.
Das Rennen von Max Verstappen wurde auch durch die Strategie seines Teamkollege beeinflusst. Der Niederländer wurde durch Ricciardos Overcut auf den fünften Rang zurückgespült. Mit einem späten zweiten Boxenstopp in der Safety-Car-Phase versuchte das Team noch, Verstappen auf einem frischen Ultrasoft eine Chance zu geben, um Bottas anzugreifen - jedoch ohne Erfolg.
Verstappen flucht am Teamfunk über Strategie
Verstappen wütete bereits während des Rennens am Teamfunk. Sein Ärger galt dem Team, als er Ricciardo plötzlich vor ihm fahren sah. "Ich weiß halt nicht, was hinter mir passiert und wie viele Leute zwischendrin sind, wenn ich einen Stopp mache", verteidigt sich der Niederländer gegenüber 'Sky Sports F1'. Nach seinem ersten Stopp in Runde 33 fiel er außerdem hinter Carlos Sainz im Toro Rosso zurück.
Im Ziel fehlten Verstappen nur 0,6 Sekunden auf Bottas. Ob er sich im Geiste mit Kimi Räikkönen verbunden fühlt, der ebenfalls Opfer des Overcuts von Sebastian Vettel wurde? "Ich denke schon. Natürlich ist auch er nicht glücklich, ich auch nicht. Aber so ist das eben." Zumindest darf sich Verstappen über seine erstes Zielankunft in Monaco freuen.
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Verstappens Ärger über die misslungene Strategie kann man auch in der Red-Bull-Teamführung verstehen: "Das ist nachvollziehbar. Strategisch würden wir das aber wieder so machen", erklärt Marko. "Wenn der Boxenstopp in unserem üblichen Rekordtempo passiert wäre, wäre es sich ausgegangen", glaubt der Grazer. Er spielt auf die Position in der Box an: "Leider ist es uns nicht gelungen, dass auch Verstappen an Bottas vorbeigeht. Das war auch geplant. Der ist ein bisschen schräg in die Box gekommen, daher konnten wir keinen optimalen Boxenstopp ausführen. Sonst wäre das auch noch knapp gewesen."
Verstappens erster Stopp dauerte 3,5 Sekunden, Bottas' im Vergleich dazu 2,7 Sekunden - und auch Ricciardos Stopp mit 2,8 Sekunden war deutlich schneller. Teamchef Christian Horner meint im Interview mit 'RTL' nach dem Rennen, dass man bei Verstappens Boxenstopp rund eine halbe Sekunde verloren habe aufgrund der Position, sonst hätte er Bottas gefährden können. Er betont, dass es dennoch die richtige Entscheidung von Red-Bull-Seite gewesen sei, den Niederländer so früh in die Garage zu holen. Trotz einer "tollen" Outlap von Verstappen hat es nicht für den Mercedes gereicht.
"Er ist einfach ein Rennfahrer. Du fährst dein Rennen gegen Bottas und dann siehst du den Teamkollegen vor dir und du weißt nicht, welche Strategie er fährt. Das muss man erklären, dann ist das kein Problem", ergänzt der Brite. Das sei eben "normal" auf einem Straßenkurs. "Die Emotionen kochen hoch. Er wollte Bottas schlagen und plötzlich ist sein Teamkollege vor ihm. Wir müssen uns mit ihm zusammensetzen und ihm das erklären. Wir haben heute Vormittag darüber geredet, dass einer Glück haben könnte und einer weniger. Daniel hatte gestern Pech, hatte aber mehr Glück heute."
Rennpace war Schlüssel zum Podium - Ricciardo Gefahr für Räikkönen
Nachdem sich Red Bull auf einer schnellen Runde im Qualifying Ferrari und Mercedes deutlich geschlagen geben musste, war man im Renntrimm wieder näher an den beiden Topteams dran. Für Helmut Marko war gar der Speed im Rennen der Schlüssel zum Podium. "Durch die Strategie konnten wir länger draußen bleiben, in dieser Zeit hat Ricciardo eine Rekordrunde nach der anderen hingeknallt. Dann hat Vettel angezogen", kommentiert er. Und auch Teamchef Horner ist glücklich mit der Pace des RB13: "Ich bin ziemlich glücklich mit dem dritten Platz. Vor allem unsere Rennpace war sehr stark."
Ricciardo habe bei freier Fahrt "ziemlich gut" ausgesehen, so der Teamchef. "Gestern war es frustrierend für ihn. Wir hatten in Q3 nicht diese Power, die die anderen aufdrehen können. Das wird später in der Saison kommen", hofft Horner auf das Renault-Update vor der Sommerpause. "Wäre er ein oder zwei Positionen weiter vorne gestanden, hätten wir den Ferraris ein schwierigeres Rennen bescheren können. Oder zumindest Kimi", spekuliert er und ergänzt: "Die Mercedes hier zu schlagen, das ist eine super Leistung von Daniel." Immerhin: Im Ziel fehlten Ricciardo nur sechs Zehntelsekunden auf den zweiten Ferrari.