Monaco-Komplex: Die Frustration des Daniel Ricciardo
Daniel Ricciardo wurde abermals in Monaco von seinem Team enttäuscht - Warum er den Titel 2017 bereits abschreibt und was er am Rennsonntag noch erreichen kann
(Motorsport-Total.com) - Das Lächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden. Daniel Ricciardo zeigte nach dem Qualifying in Monaco eine versteinerte Miene. Der Australier, für seinen Dauergrinser bekannt, ist nur selten schlecht gelaunt. Sein Gesichtsausdruck erinnerte ausgerechnet an jene Mimik, die er vor einem Jahr auf dem Podium in Monaco zeigte. Minuten nachdem er seinen ersten Sieg im Fürstentum durch einen verkorksten Boxenstopp aus den Händen gab. Es sollte wieder nichts werden mit dem Erfolgserlebnis in seiner Wahlheimat. 2017 hakte es bereits im Qualifying. Doch was war passiert?
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Daniel Ricciardo durchschreitet in Monaco abermals ein Teil der Enttäuschungen Zoom Download
Ricciardo kämpfte sich tapfer in das Q3. Doch der Red Bull hatte Probleme mit dem Aufwärmen der lila Ultrasoft-Pneus. Man entschied sich dafür, nur eine gezeitete Runde zu fahren. Zwei Versuche hatte Ricciardo dafür auf frischen Reifensätzen im dritten Qualifying-Abschnitt. "Wir wussten, dass wir eine saubere Outlap brauchen, um die Reifen aufzuwärmen. Im ersten Versuch war die Runde ziemlich misslungen. Die Reifen waren einfach nicht im Arbeitsbereich", schildert Ricciardo.
Nach dem ersten Umlauf in 1:12.998 Minuten lag er zwischenzeitlich auf der zweiten Position. Sieben Zehntelsekunden trennten ihn von Kimi Räikkönens Fabelzeit. Er fuhr wieder in die Box zurück: "In der Garage haben wir dann ein paar Änderungen vorgenommen. Es schien, als hätte man im zweiten und dritten Sektor etwas aufholen können, auch wenn die Vorderreifen nicht ganz auf Temperatur sind."
20 Sekunden Spielraum nicht genutzt: "Verstehe ich nicht"
Bei nur noch knapp zwei Minuten auf der Uhr ging Ricciardo für seinen letzten Versuch auf die Strecke. "Ich bin aber beim letzten Versuch auf der Outlap in den Verkehr geraten und konnte daher nicht pushen. Ich hatte 20 Sekunden Abstand auf Perez, daher verstehe ich nicht, warum sie mich nicht später rausgeschickt haben. Ich bin gleich nach Max rausgeschickt worden. Er war auf einer Aufbaurunde und war daher auch nicht so schnell", poltert der Australier.
Ricciardo lief nicht nur auf seinen Teamkollegen auf, auch Jenson Button war dicht vor ihm auf der Strecke. "Warum wir in den Verkehr geraten sind, obwohl wir wussten, dass wir eine harte Outlap brauchen würden? Ein ziemlich offensichtlicher Fehler", wiederholt er am Samstagabend seine Kritik am Team. Er habe noch keine klare Erklärung für die Entscheidung erhalten, gibt er außerdem zu. Man hätte all die Zeit gehabt - mit einem großen Abstand zu Perez -, die man für eine schnelle Outlap gebracht hätte, so seine Kritik.
"Waren sehr weit weg von unserem eigentlichen Potenzial"
Allerdings richtet sich Ricciardos Kritik nicht nur an das vermasselte Zeitmanagement seines Teams, es adressiert auch die fehlende Pace am Samstag. "Auch wenn man die Position vergisst, auf der wir gelandet sind: Am Donnerstag bin ich eine 13.8 gefahren, heute eine 12.9 oder eine 13.0." Auf dreckiger Strecke mit viel Sprit im Training war er nicht einmal eine Sekunde langsamer. Das gibt ihm zu denken. "Wir haben einfach unterdurchschnittlich abgeschnitten. In diesem Rennen hatten wir wirklich die Möglichkeit, viel besser zu sein. Ich denke, wir hätten jeden herausfordern können. Aber das bedeutet jetzt nichts mehr. Wir waren einfach sehr weit weg von unserem eigentlichen Potenzial."
Das konnte Max Verstappen mit dem vierten Platz herausholen. Der Niederländer fuhr eine halbe Sekunde schneller als der Australier. "Wir haben uns einfach nicht verbessert seit Donnerstag", das sei einfach nur frustrierend. Vor allem mit dem Hintergrund, dass Red Bull in Monaco ein Update gebracht hat, das speziell auf hohen Abtrieb zugeschnitten ist.
Ricciardos Frustration lässt sich deutlich zwischen den Zeilen herauslesen: "Man will hier einfach keine simplen, dummen Fehler machen. Das Qualifying ist eigentlich schon wie ein Sonntag hier. Es kann das Rennen so sehr beeinflussen. Es ist einfach nicht der Tag, an dem du solche Fehler machen willst." Noch vor dem Qualifying hegte der Red-Bull-Pilot große Hoffnungen. In einem Interview mit 'Sky Sports F1' träumte er noch: "Es ist schwierig zu sagen, ob es so gut wird wie im Vorjahr. Wir sind weiter hinten, aber ich glaube, dass ein Podium möglich ist."
Overcut für das Rennen eine Option - WM-Titel bereits abgeschrieben
Das Podium rückt mit dem fünften Startplatz in weite Ferne, denn Überholen ist in Monaco nur in Ausnahmesituationen möglich. Auch über die Strategie lässt sich wenig ausrichten, denn die Reifen halten theoretisch eine ganze Renndistanz über. Angesprochen auf den kapitalen Fehler beim Boxenstopp im Vorjahr - man hatte die Strategie kurzfristig geändert und sich doch für einen anderen Reifensatz entschieden, die Boxencrew musste diesen aber erst in der hintersten Ecke der Garage suchen, als Ricciardo bereits in der Box stand - entgegnet er nur: "Scheiß auf Boxenstopps!"
Dennoch liebäugelt er bereits mit einer ausgefallenen Strategie: "Das ist eine Strecke, wo man einen Overcut versuchen kann. Wenn jemand Probleme mit den Reifen hat und früher reinkommt - du dafür länger draußen bleiben kannst bei freier Fahrt, dann könnte ein Overcut funktionieren. Ich werde optimistischer sein für morgen, trotzdem wäre es besser gewesen, weiter vorne zu starten."
Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2016
Der Bann ist gebrochen: Lewis Hamilton gewinnt nach acht sieglosen Rennen wieder einen Grand Prix, seinen ersten in Monaco seit 2008. Daniel Ricciardo fühlt sich "gefickt", weil ihm Red Bull den zweiten Sieg hintereinander kostet. Und Sergio Perez strahlt: "Ich wusste, dass Monaco im Regen eine Gelegenheit ist, mein Talent zu zeigen." Fotostrecke
Enttäuschung prägt nicht nur Ricciardos Monaco-Historie, sondern auch seine gesamte Saison bisher. Denn der RB13 ist nicht das versprochene Aerodynamik-Wunder aus der Feder von Designguru Adrian Newey, das man durch das neue Reglement erwartet hatte. Sprach der vierfache Grand-Prix-Sieger vor dem Saisonstart noch vom WM-Titel, muss er seine Erwartungen nach fünf Rennen zurückschrauben.
"Es ist ein bisschen wie 2015, als du mit ein bisschen mehr Hoffnung rangegangen bist und erst dann realisiert hast, dass es dir entgleitet", vergleicht er. "Im Moment muss ich die Weltmeisterschaft aus meinem Kopf verbannen. Ich muss vergessen, dass es überhaupt eine Chance gibt und einfach das maximieren, was ich habe." Derzeit liegt er bereits 67 Punkte zurück auf WM-Rang fünf. Ricciardo weiß aber auch: "In diesem Geschäft stehst du niemals still. Egal in welcher Position du dich befindest, du hast immer noch einen Job zu erledigen und musst deinem Ruf gerecht werden." Genau das wird er auch am Rennsonntag in Monaco versuchen. Ausgang ungewiss.