• 28. Mai 2017 · 19:46 Uhr

Harakiri verboten: Wie Mercedes Schadensbegrenzung betrieb

Hamilton freute sich über ein heiles Auto mehr als über sechs WM-Punkte, Bottas wehrte sich mit Mühe gegen die Red Bull - Dennoch war ihr Sportchef zufrieden

(Motorsport-Total.com) - So schlecht schnitt die Mercedes-Mannschaft lange nicht mehr ab: Mit den Plätzen vier und sieben für Valtteri Bottas und Lewis Hamilton erlebte Silber beim Monaco-Grand-Prix am Sonntag einen Tiefpunkt, betrieb aber auch "Schadensbegrenzung". Es war das erste Mal seit Ungarn 2015, dass die Truppe beide Autos ins Ziel brachte, aber keines auf das Podium. Zuletzt reiste Mercedes infolge des Teamcrashs in Barcelona 2016 ohne Pokal ab. Trotzdem gab es auch gute Nachrichten.

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Hamilton verkniff sich Überholversuche und er fuhr mit weniger Power Zoom Download

Eine betraf Hamilton. Der Brite hatte vor dem Rennen von seinen Ingenieuren erklärt bekommen, das Platz zehn das höchste der Gefühle wäre, obwohl man bereits auf den siebten Rang spekulierte. Gemessen an seiner Ausgangsposition 13 war er also zufrieden. "Ich hätte einen Unfall bauen, etwas beschädigen, den Motor kaputtmachen oder ohne Punkte bleiben können", meint Hamilton. "Ich habe es so professionell wie möglich verwaltet und versucht, nicht zu viel zu versuchen."

Er überholte beim Start Stoffel Vandoorne, blieb mit Ultrasoft so lange wie kein anderer Fahrer auf der Strecke, legte im richtigen Moment zu und wechselte in Runde 46 von 78 auf Supersoft. Hamilton, der in der Box so fünf Konkurrenten schnappte, war überrascht, was sein Auto mit dem härteren Pneu konnte. Er drehte im 56. Umlauf die bis dato schnellste Rennrunde (eine "irre" Leistung, wie Sportchef Toto Wolff es nennt), was ihn erstaunte - denn Mercedes hatte längst auf Materialschonung gesetzt und dem Antrieb Leistung entzogen.

Guter Supersoft-Reifen überraschte Mercedes und Hamilton

"Mit Ultrasoft lief es nicht, mit neuen Reifen aber besser", bilanziert Hamilton ohne Freudensprünge zu vollführen. "Das Auto hat sich nicht großartig angefühlt. Ich musste wirklich kämpfen. Wenn ich Glück hatte, habe ich die Kurven gerade so bekommen." Außerdem war er mit seinen Bremsen am Limit - insbesondere in der Phase vor dem Boxenstopp, in der dringend gute Runden brauchte. Zum Schluss biss er sich am klar langsameren Toro Rosso von Carlos Sainz die Zähne aus.

Harakiri kam für Hamilton nicht infrage: "Ich wollte nicht dumm sein und Punkte wegwerfen, die wir schon hatten." Das war nach dem Geschmack Toto Wolffs. Die Marschroute hatte der Sportchef seinem Schützling vor dem Start eingetrichtert: "Ich habe gesagt: 'Betrachte es als Ausfall, aber du kannst noch Zähler holen. Wir haben lieber zwei oder vier als keinen.' Das hat er perfekt umgesetzt. Es war Schadensbegrenzung." Obwohl Hamilton beteuert, das Glas lieber halb voll als halb leer zu sehen, seufzt er: "Ich bin wirklich unglücklich. Ich habe jede Menge Punkte verloren."

Bottas in der Strategiezange: Er musste gegen einen Red Bull verlieren

Das galt mit Abstrichen auch für Bottas. Der Finne hielt seinen dritten Platz nicht, weil die dahinter befindlichen Red Bull ihn in die Strategiezange nahm. Max Verstappen fuhr mit seinem Stopp in Runde 32 einen Undercut, Daniel Ricciardo blieb auf der Strecke. Bottas sicherte sich mit einem Reifenwechsel eine Runde später gegen den Niederländer ab, verlor die Position aber gegen den Australier, der mit freier Bahn massiv zulegte. Es sei nicht zu verhindern gewesen, sagt Wolff.


Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2017

"Wir mussten uns entscheiden, ob wir gegen Max oder gegen Daniel verlieren", erläutert er die Strategie. Grund: Bottas war nach dem ersten Renndrittel nicht in der Lage schneller zu fahren und es wie Ricciardo zu machen. Die Ultrasoft-Reifen lagen auch dem zweiten Mercedes nicht, dazu bauten sie auch noch ab. "Sie sind stärker verschlissen als wir gedacht haben", meint Bottas. Das Überrunden bereitete ihm zusätzliche Schwierigkeiten: "Sobald wir langsamer gefahren sind, haben wir Temperatur an der Vorderachse verloren. Dazu mussten wir mit den Bremsen haushalten."

Ein Bremssattel überhitzte. "Es muss ein Problem gegeben haben", glaubt Bottas. "Wir mussten die Bremsbalance anpassen und haben dadurch Zeit verloren. Dazu ist der Rhythmus flöten gegangen." Das wiegt in Monaco besonders schwer und machte das Arbeitsumfeld nicht angenehmer. Renningenieur Tony Ross funkte ihm, er solle - wie Hamilton - den Antrieb drosseln, wenn er sich wohlfühle. Daraufhin konterte Bottas süffisant: "Sieht es so aus, als wäre die Lage komfortabel?"

Sie wurde es erst, als er Supersoft auf den Achsen hatte und das Safety-Car dafür sorgte, dass Ricciardo wieder direkt vor ihm war. Ein Angriff war dennoch Utopie. "Ich dachte es erst", sagt Bottas über eine Überholmöglichkeit auf der Innenseite von Sainte Devote unmittelbar nach Wiederfreigabe. "Aber dann kam die Leitplanke näher und näher. Daniel kam näher. Es ist so schwierig in Kurve 1 zu überholen." Also zog er zurück und richtete er sich zwischen den Red Bull ein.

Wolff gibt sich geschlagen: Sebastian Vettel sei nur "gecruist"

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Reisen mit einem blauen Auge aus Monaco ab: Hamilton und Bottas Zoom Download

Wolff lobt die überlegte Herangehensweise: "Er hat alles aus dem Auto rausgeholt. Hut ab vor ihm." Mehr sei für Bottas auch mit einer aggressiveren Strategie nicht drin gewesen. Dass er Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel zu Beginn einigermaßen folgen konnte, hätte getäuscht: "Wir waren von Ferrari zu weit weg. Sebastian wurde gebeten, in Motorenmodus 5 zu schalten, was er nicht für nötig hielt. Er muss gecruist sein. Hätten wir den Undercut gewagt, wären wir von zwei Red Bull erwischt worden." Denn Verstappen hätte wohl wie Ricciardo den Gashahn aufgedreht.

Wolffs Resümee fällt verhalten positiv aus: "Es war ein gutes Wochenende gemessen daran, dass wir die Reifen nicht zum Arbeiten bekommen haben", pustet er durch und richtet sich an den vereinzelt guten Rundenzeiten auf: "Das Auto ist nicht zu langsam, sondern ein bisschen zickig." In die gleiche Kerbe schlägt Hamilton und hofft auf einen einmaligen Set-up-Ausrutscher: "Vielleicht haben wir an diesem Wochenende einfach den Nagel nicht auf den Kopf getroffen."

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