Ferrari bekommt Traumresultat: Stand Vettel-Sieg vorher fest?
Kimi Räikkönen hat das Monaco-Duell gegen Sebastian Vettel verloren - ob freiwillig oder unfreiwillig, darüber gehen auch Expertenmeinungen auseinander
(Motorsport-Total.com) - Ferrari kann doch noch in Monaco gewinnen! 16 Jahre nach Michael Schumacher ist die Scuderia wieder im Fürstentum erfolgreich und feiert durch Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sogar einen Doppelsieg - es ist übrigens der erste rote Doppelerfolg seit dem berühmten Hockenheim-Rennen 2010 ("Felipe, Fernando is faster than you") und der erste Doppelerfolg eines Teams überhaupt in der Formel-1-Saison 2017.
Anders als am Vortag war heute aber nicht Räikkönen der Mann an der Spitze. Der Finne ließ sich bei der Serie der Boxenstopps von Vettel überholen und muss daher weiter auf seinen ersten Triumph seit der Rückkehr zur Scuderia warten. Für Vettel ist es bereits der dritte Saisonerfolg, mit dem er die WM-Führung vor Lewis Hamilton auf 25 Zähler aufbaut - nie landete der Deutsche in dieser Saison schlechter als auf Rang zwei.
Auch heute sah es nicht danach aus, als ob die Serie reißen würde, doch dass Vettel statt Rang zwei sogar wieder den Sieg mitnehmen konnte, war einer Serie an schnellen Runden geschuldet. Der in Führung liegende Räikkönen kam in Runde 35 zu seinem einzigen Reifenstopp. "Für mich war klar: Jetzt alles oder nichts!", beschreibt Vettel die entscheidende Phase im Rennen. 1,5 Sekunden lag er zuvor hinter seinem Teamkollegen, doch jetzt brannte Vettel ein Feuerwerk ab.
Der viermalige Weltmeister fuhr Zeiten im mittleren bis niedrigen Bereich von 1:15 Minuten, Räikkönen musste die neuen Pneus erst auf Temperatur bringen und sich von 1:16 Minuten erst in Vettels Bereich steigern. "Ich habe gespürt, dass ich schneller fahren kann", so der Deutsche. "In den Runden habe ich alles ausgeschaltet und versucht, alles herauszuquetschen. Ich habe nicht viel nachgedacht und es wirklich fliegen lassen."
Brundle: "Kimi hat das Teamspiel gespielt"
Das reichte, um fünf Runden später an die Box zu kommen und vor seinem Teamkollegen wieder auf die Strecke zu fahren. Weil Vettel das Rennen anschließend kontrollieren konnte, war der Grand Prix zu diesem Zeitpunkt im Grunde gewonnen. Nicht wenige vermuteten vorher, dass Ferrari das Ergebnis so herbeiführen wollte, um die Chancen von WM-Kandidat Vettel zu erhöhen - auf diese Weise konnte man das elegant lösen ohne Vettel auf der Strecke vorbeizuwinken.
"Er hat das Teamspiel gespielt", glaubt Experte Martin Brundle beim Blick in das unglückliche Gesicht von Räikkönen. Er vermutet, dass der Finne inoffiziell nur die Nummer 2 ist und in diesem Fall zurückstecken musste. Das lassen auch Aussagen des "Iceman" selbst vermuten: "Wir haben gewisse Regeln und kennen die", so der Finne nach dem Rennen. Womöglich wird aber auch zu viel hineininterpretiert, denn damit kann auch die normale Strategieanweisung gemeint sein.
Denn als Max Verstappen (Red Bull) und Valtteri Bottas (Mercedes) hinter den Ferrari an die Box kamen, reagierte Räikkönen sofort. Bei Ferrari sorgten die Hinterreifen zuvor für Probleme, und als Führender durfte er sich zuerst absichern. "So war der Plan: Dass das Auto, das vorne liegt, zunächst reinkommt", bestätigt Vettel die normale Vorgehensweise bei Ferrari. Denn normalerweise hat der früher Stoppende durch die frischen Reifen einen Vorteil.
Vettel einfach der Schnellere?
Nicht so heute: Vettels Pneus bekamen einen zweiten Frühling und blühten noch einmal auf. "Ich wusste: Entweder nach ein oder zwei Runden - ja nach Abstand zu Valtteri - werde ich auch reingerufen, um den zweiten Platz zu halten", schildert Vettel. "Ich habe in den Runden alles gegeben. Die Runden waren besser als im Qualifying. Dass es so abgeht, hätte ich nicht erwartet."
Und weil Räikkönen die Zeiten nicht fahren konnte, kam Vettel eben als Führender wieder auf die Strecke: "Der schnellere Fahrer hat gewonnen", urteilt Experte Pat Symonds. Er (Räikkönen; Anm. d. Red.) hätte mittlere 1:15er-Zeiten fahren sollen. Er hatte eine freie Strecke, er hat es nicht geschafft, er hat verloren. So einfach ist das", wischt er alle Vorwürfe beiseite. Doch wer sagt denn, dass Räikkönen nicht mit Absicht etwas langsamer gefahren ist, um Vettel gewinnen zu lassen?
"Ich würde nicht so weit gehen", winkt Vettel selbst ab. "Es ist der falsche Zeitpunkt im Jahr, um über so etwas zu reden. Auf dem Papier sieht es logisch aus, ich denke aber nicht, dass das heute der Plan war. Der Plan war zu siegen und beide Fahrer auf dem Podium zu haben - idealerweise auf 1 und 2." Schon vor dem Start hatte Vettel verlauten lassen, dass er nicht mit Stallorder gewinnen wollen würde.
Räikkönen: "Fühlt sich nicht sonderlich gut an"
"Wir haben heute Morgen über den Start und die Strategie gesprochen. Der Führende bekommt Priorität. Es ist das erste Mal seit langem, dass das hier funktioniert hat. Ich denke nicht, dass man das vorher wissen konnte", sagt er. Auch die Theorie, dass man Vettel aus Fairnessgründen gleich eine Runde nach Räikkönen hätte reinholen können, wie es Mercedes immer gemacht hat, hat einen Haken: Daniel Ricciardo (Red Bull) lag noch hinter ihm und hätte eventuell selbst noch zur Gefahr werden können. Eine Runde nach dem Australier kam Vettel dann zum Stopp.
Ganz aufklären lässt sich nicht, ob der Positionstausch bei der Scuderia absichtlich herbeigeführt wurde. Doch die Zeiten des zweiten Rennstints geben einen kleinen Aufschluss: Auf Supersoft-Reifen konnte Räikkönen mit Vettel bei weitem nicht mehr mithalten. Der Finne verlor in den zehn Runden nach Vettels Stopp stolze zehn Sekunden auf seinen Teamkollegen und war damit einfach der Langsamere.
"Ich weiß nicht, was passiert ist", zuckt der "Iceman" nur mit den Schultern. "Ich habe nicht das Resultat bekommen, das ich gewollt habe. Es ist zwar der zweite Platz, aber es fühlt sich nicht sonderlich gut an. So ist es aber manchmal", sieht er es pragmatisch. "Wir werden beim nächsten Rennen wieder probieren, es besser zu machen. Heute ist so ein Tag, an dem man sich wünscht, etwas mehr zu bekommen."
Ferrari mit dem perfekten Ergebnis
Und Vettel? Der konnte das Rennen in der zweiten Hälfte kontrollieren. "Ich wollte die zehn Sekunden Vorsprung halten. Das hat gut geklappt, dann kam das Safety-Car", erzählt er. Eigentlich wollte er sogar noch einmal zum Boxenstopp hereinkommen und sich frische Reifen holen, doch zu diesem Zeitpunkt war er bereits knapp an der Boxeneinfahrt vorbeigefahren. "So ging es mir wie allen anderen auch mit den Reifen, die unheimlich kalt waren."
Beim Restart hatte der Deutsche somit noch ein paar Probleme, das Limit zu finden, doch schnell war sein Ferrari wieder auf Normalzustand. "Nach ein paar Runden kam das alte Auto zurück und ich hatte ein Kissen, wodurch ich das Rennen kontrollieren konnte", sagt er. Und während er nach dem Start noch Geduld üben musste und das Gefühl hatte, schneller fahren zu können, brauste er nun mit freier Fahrt ins Ziel.
"Damit hätte ich nach dem Start nicht gerechnet. Ich bin ein bisschen sprachlos", sagt er nach dem etwas überraschenden Triumph. Ferrari hat damit nach sieben Jahren wieder einmal ein perfektes Ergebnis und Vettel einen wichtigen Sieg auf dem Konto. "Das Team hat eine gute Arbeit geleistet", lobt der Heppenheimer. "Es war ein fantastisches Wochenende für Ferrari."