• 27. Mai 2017 · 18:21 Uhr

Rote erste Reihe: Räikkönen beschwingt, Vettel angefressen

Dem frisch gebackenen Vater Kimi Räikkönen gelingt seine erste Pole-Position nach 129 Rennen - Sebastian Vettel hadert mit sich selbst: "Habe es nicht verdient"

(Motorsport-Total.com) - Ferrari ist seiner Favoritenrolle beim Qualifying zum Großen Preis von Monaco in Monte Carlo gerecht geworden und belegt mit beiden Autos die erste Startreihe. Für viele überraschend steht auf der Pole-Position allerdings nicht der WM-Führende Sebastian Vettel, sondern Teamkollege Kimi Räikkönen. Der Finne setzte sich mit seiner schnellsten Runde in 1:12.178 Minuten um 43 Tausendstelsekunden vor Vettel durch. Der freilich hatte Glück, dass ihn am Ende nicht noch Valtteri Bottas mit einem starken letzten Versuch aus der ersten Reihe verdrängte. Dem Mercedes-Neuling fehlten nur zwei Tausendstel auf Startplatz zwei.

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Überraschend schnappte Kimi Räikkönen (r.) Sebastian Vettel die Monaco-Pole weg Zoom Download

Trotz des tollen Teamresultats ging der WM-Leader im Anschluss hart mit sich ins Gericht: "Heute habe ich keinen guten Job gemacht - ich bin nicht zufrieden mit mir und meiner Leistung. Am Auto lag es nicht, das war gut", bekennt Vettel nach dem Qualifying. Nachdem er das zweite und dritte Freie Training am Donnerstag und Samstagvormittag dominiert hatte, galt der 29-Jährige als ausgemachter Favorit auf die Pole. Doch dann machte ihm in der Qualifikation besonders der zweite Sektor des 3,340 Kilometer langen Kurses Probleme.

"Ich habe das komplette Qualifying über dort etwas den Rhythmus verloren. Q1 war noch okay, ab dem zweiten Abschnitt dachte ich mir dann, dass ich es in Sektor zwei zusammenbekommen muss. Aber das ist mir nicht gelungen. Da war ich schlampig und habe die Pole deshalb auch nicht verdient", ist Vettel sauer auf sich selbst. Denn trotz Räikkönens Gala-Vorstellung wäre Startplatz eins bei einer sauberen Runde für den Heppenheimer wohl drin gewesen. Doch wie schon beim Spanien-Qualifying in Barcelona übertrieb er es auf der Zeitenjagd und leistete sich den einen Fehler zu viel.

Vettel verwarnt und sauer auf sich selbst

"Ich habe wohl etwas zu sehr gepusht. Schon in meiner ersten Runde in Q3 kam ich in Kurve fünf etwas zu weit raus. Im zweiten Versuch dann wieder. Ich wollte zu viel und habe das Auto ein wenig verloren", erklärt Vettel, dem im Anschluss auch Startplatz 13 seines WM-Rivalen Lewis Hamilton kein Trost sein mochte. "Das ist mir ehrlich gesagt egal. Ich wollte vorne stehen, deshalb überwiegt bei mir der Ärger", motzt er auf 'RTL'.


Großer Preis von Monaco - Samstag

Bei aller schlechten Laune hatte der Deutsche dennoch doppelt Glück: Zum einen, dass Bottas nicht auch noch vorbeizog, zum anderen, dass er nach dem Qualifying nur mit einer Verwarnung seitens der Rennkommissare davon kam. Der viermalige Weltmeister hatte vor seinem letzten Versuch in Q3 beim Rausfahren die Linie an der Boxenausfahrt überfahren. Sollte ihm das im Rennen passieren, würde das eine Fünf-Sekunden-Strafe nach sich ziehen.

Mann des Tages ist am Samstag aber zweifelsohne Ferrari-Routinier Räikkönen, der vor wenigen Tagen zum zweiten Mal Vater wurde. Derart beflügelt legte er im Fürstentum ein blitzsauberes Qualifying hin, das ihm nicht nur die wichtigste Pole des Jahres bescherte, sondern auch noch einen neuen Eintrag in die Geschichtsbücher: 129 Rennen sind vergangen, seit der Finne beim Frankreich-Grand-Prix 2008 zum letzten Mal auf dem ersten Startplatz stand - so lange brauchte noch nie ein Formel-1-Pilot zwischen zwei Poles.

Erste Pole seit 2008: Räikkönen überwindet lange Durststrecke

"Manchmal kommt der Champion aus ihm raus."Maurizio Arrivabene
Seine starke Leistung kommentiert der 37-Jährige gewohnt lakonisch: "Oh, gut", ist seine erste Reaktion, als ihm per Teamfunk das Ergebnis mitgeteilt wird. Etwas gesprächiger zeigt sich nach der 210ten Pole-Position für den Ferrari-Rennstall allerdings Teamchef Maurizio Arrivabene, der seinen Piloten mit einem Lächeln lobt: "Manchmal kommt der Champion aus ihm raus." Tatsächlich zeigte Räikkönen nicht nur mit seiner atemberaubenden letzten Runde - der schnellsten, die jemals in Monaco gefahren wurde - was noch in ihm steckt.

Fotos: Ferrari, Großer Preis von Spanien


Der Finne, der 2005 im Fürstentum zum letzten Mal auf der Pole stand, brannte schon in Q2 eine Zeit von 1:12.231 Minuten in den Asphalt. Vettel war etwas über zwei Zehntel langsamer, während Hamilton auf der letzten Rille vergeblich versuchte, sich überhaupt für die Ausscheidung der schnellsten Zehn zu qualifizieren. Bemerkenswert: Während alle anderen mehrere Umläufe brauchten, um die Ultrasoft-Pirellis für ihre beste Rundenzeit auf Temperatur zu bringen, war Räikkönen von der ersten gezeiteten Runde an konstant schnell.

Auch in Q3 zeigte der Weltmeister von 2007 gleich zu Beginn mit einer 1:12.296 auf, während Vettel nach einer weiteren Aufwärmrunde seinen ersten Versuch in den Sand setzte. Doch selbst, als dem Deutschen ganz zum Ende doch noch die niedrige 1:12er-Runde gelang, hatte Räikkönen die Nase vorn und schnappte sich die begehrte Monaco-Pole. "Bei meiner schnellsten Runde bin ich zum richtigen Zeitpunkt rausgefahren. Es lief gut, ich konnte pushen", so der WM-Viertplatzierte nach seinem Husarenstück.

Teamorder pro Vettel? Beteiligte dementieren

Besonders zufrieden ist er mit den Fortschritten, die das Ferrari-Team beim Set-up seit Donnerstag erzielen konnte. "Hier und da habe ich ein bisschen kämpfen müssen. Wir haben an den Problemen gearbeitet und im Qualifying war es dann schon besser als im Training. Nicht perfekt, aber das ist es hier nie", deutet er Polesetter sogar noch Luft nach oben an. An einen Rennsieg will er dennoch noch keinen Gedanken verschwenden: "Das ist der beste Startplatz, aber noch lange keine Garantie. Morgen kann so viel passieren, auf das du keinen Einfluss hast."

Für Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda ist der Finne nun aber heißer Favorit auf den Monaco-Triumph: "Der Kimi ist aufgewacht. Der hat mich heute Vormittag schon umarmt und gefragt, wie es mir geht. Das macht er sonst nie", sieht der Österreicher einen Zusammenhang zwischen der Geburt von Töchterchen Rianna und der starken Leistung des 37-Jährigen auf der Strecke. "Wenn die Birne stimmt, stimmt auch das Gaspedal", schmunzelt Lauda bei 'RTL' und sagt Teamkollege Vettel einen schweren Kampf voraus: "Sebastian muss volle Pulle fahren. Er kann ihn im Rennen nur hetzen, aber Kimi ist der coole Iceman, da wird er normal nicht vorbeikommen."

"Wenn die Birne stimmt, stimmt auch das Gaspedal."Niki Lauda
Dass Ferrari Räikkönen via Teamorder ausbremst, um dem WM-Führenden den Sieg zu ermöglichen, glaubt Lauda nicht: "Ich hoffe es nicht. Sie sagen ja immer, dass es fair zugeht." Und auch der Finne selbst betont, dass bei den Italienern freie Fahrt herrsche: "Wir wissen schon, was wir tun. Wir fahren fürs Team, haben bestimmte Regeln und Respekt füreinander. Wir dürfen gegeneinander kämpfen, aber wir müssen es auf saubere Art machen und uns nicht gegenseitig aus dem Rennen befördern."

Eine Vorfahrtsregelung für den WM-Leader am Start tut auch Vettel selbst in kurzen Worten ab: "Will ich nicht". Beide Ferrari-Piloten sind lange genug dabei, um zu wissen, dass sämtliche Vorhersagen am Renntag in Monaco ohnehin meist von selbst ad absurdum geführt werden. "Auch Red Bull und Mercedes sind eine große Gefahr. Hier kann alles passieren: Strategie, Safety-Car, alles ist möglich. Ich erwarte ein verrücktes Rennen", so Vettel abschließend. Genau darauf freuen sich die Fans...

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