Formel 1 Monaco 2017: Tausendstelkrimi geht an Räikkönen!
Drei Autos innerhalb von 0,045 Sekunden: Kimi Räikkönen holt seine erste Pole seit 2008, Lewis Hamilton muss das Rennen wohl schon vor dem Start abschreiben
(Motorsport-Total.com) - 2017 ist das Jahr des Giganten-Duells Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton, aber die prestigeträchtigste Pole-Position geht an Kimi Räikkönen. Der Ferrari-Pilot sicherte sich beim Grand Prix von Monaco (Formel 1 2017 live im Ticker) seine erste Pole seit Magny-Cours 2008 und verwies seinen an diesem Wochenende favorisierten Teamkollegen Sebastian Vettel auf den zweiten Platz.
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Valtteri Bottas, Polesetter Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel in Monaco Zoom Download
"Manchmal kommt der Champion aus ihm raus", lächelt Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene. Auf der letzten Runde auf denkwürdige Art und Weise: Räikkönen fuhr volle Kanone durch die Schwimmbad-Schikane, rasierte dort außen beinahe die Leitplanken, bei Rascasse ebenfalls - und am Ende verbesserte er seine Zeit von 1:12.296 auf 1:12.178 Minuten. Eine atemberaubende Leistung, an der auch Vettel um 0,043 Sekunden scheiterte.
"Ich bin zum richtigen Zeitpunkt rausgefahren, es lief gut, ich konnte attackieren", analysiert Räikkönen, in Sachen Emotionen ganz der "Iceman", trocken. "Es war kein leichtes Wochenende, aber für das Qualifying haben wir das Auto besser hinbekommen." Ein weiterer Grund für seine Pole: "Sebastian hat in Kurve 5 einen Fehler gemacht", berichtet Arrivabene. Vettel selbst nickt: "Ein bisschen schneller wäre schon gegangen."
Die Entscheidung um die wichtigste Pole des Jahres war dramatisch. Nur 45 Tausendstelsekunden trennten die drei schnellsten Autos. "Für mich war es eines der besten Qualifyings der vergangenen Jahre", schwärmt Formel-1-Experte Pat Symonds. "In Q1 hatte man noch keine Ahnung, wie es am Ende ausgehen wird!" Und wer hätte schon ernsthaft mit einer Ferrari-Doppel-Pole vor Valtteri Bottas (Mercedes) gerechnet?
Denn für Lewis Hamilton wurde es nichts mit der 65. Pole-Position und dem Einstellen der Senna-Marke ausgerechnet in Monaco. Stattdessen erlebte er einen desaströsen Nachmittag. Zuerst hatte er es am Casino seiner Reaktionsschnelligkeit zu verdanken, dass er nicht den gleichen Crash hinlegte wie am Donnerstag Lance Stroll (18./Williams). "Da kann er sich auf die Schulter klopfen, das hat er gut gemacht", lobt Formel-1-Experte Marc Surer die blitzschnelle Reaktion.
Ein paar Meter weiter wäre er ein paar Minuten später um ein Haar schon wieder in der Leitplanke gelandet, aber wieder konnte Hamilton den Mercedes abfangen. Da dämmerte ihm schon: "Irgendetwas stimmt nicht mit dem Auto!" Und als er endlich auf einer sauberen Runde war und Kurs auf Q3 nahm, crashte vor seiner Nase Stoffel Vandoorne (10./McLaren) am Schwimmbad in die Leitplanken - genau wie Esteban Ocon (16./Force India) am Vormittag.
Bei Hamilton kam alles zusammen: Erst musste er an 14. Stelle liegend acht Minuten vor Ende von Q2 auf die FIA-Waage, was seine Nerven strapazierte. Dann stand er Kevin Magnussen (13./Haas) im Weg. "Lewis hat mich so übel aufgehalten!", schimpfte der Däne. Der Mercedes lief ähnlich unrund wie am Donnerstagnachmittag. "Bei Lewis hat das Auto wirklich nicht gut ausgesehen. Da verlierst du dann natürlich jedes Selbstvertrauen", sagt Mercedes-Sportchef Toto Wolff.
"Schadensbegrenzung" nennt er den dritten Platz von Bottas: "P3 ist das Maximum, was das Auto heute hergegeben hat. Das hat Valtteri geschafft." Und damit ist Wolff zufrieden, weil er zwischendurch schon befürchtete, auch noch hinter Red Bull zurückzufallen. Dass es am Ende so knapp wurde, spricht für Bottas' fahrerische Leistung: "Mehr war heute nicht drin", glaubt der Finne. "Die roten Autos waren einfach zu schnell."
Für Red Bull wurden es am Ende die Positionen vier (Max Verstappen) und fünf (Daniel Ricciardo). Zwischen den beiden lag wie schon in Barcelona eine halbe Sekunde. "Meine letzte Runde in Q3 war so ziemlich das Optimum", ist Verstappen zufrieden. Für seinen Geschmack ist Red Bull auch gar "nicht so weit weg" von Ferrari und Mercedes, zumal gerade Mercedes im Qualifying immer ein paar Extra-PS abrufen kann.
Ärgerlich: Red Bulls Strategie, in Q3 keine zweite Aufwärmrunde zu fahren, erwies sich als Fehler. "Beide Fahrer haben sich beklagt, dass die Reifen in Kurve 1 nicht auf Temperatur waren. Und da haben wir am meisten verloren", analysiert Motorsportkonsulent Helmut Marko selbstkritisch. Stattdessen setzte man im Gegensatz zu etwa Mercedes auf eine einzige schnelle Runde im finalen Showdown.
Und das ging bei Ricciardo in die Hose, denn der Australier hatte vor seiner schnellen Runde ein langsames Auto vor sich, musste abbremsen und verlor dadurch Reifentemperatur. Dabei wäre es kein Problem gewesen, ihn einfach später aus der Box zu schicken und den Run anders zu timen: "Hinter mir war die Strecke frei. Ich weiß nicht, warum wir nicht länger gewartet haben", kritisiert er seine Boxencrew.
"Best of the Rest" war erwartungsgemäß Toro Rosso, aber nur einer: Carlos Sainz sicherte sich als Sechster mit weniger als einer Sekunde Rückstand einen Platz in der dritten Reihe, unmittelbar vor Sergio Perez (Force India/+1,151), Romain Grosjean (Haas/+1,171) und Jenson Button (McLaren/+1,435). Dass Daniil Kwjat (11.) um sechs Hundertstelsekunden (gegen Button) am Q3-Cut scheiterte, lag nach Angaben des Russen am Vandoorne-Gelb am Schwimmbad.
Der Belgier zeigte in Abwesenheit von Indy-500-Star Fernando Alonso seine bisher beste Leistung und lag an siebter Stelle, als er eine astreine Kopie des Ocon-Crashs hinlegte. Damit machte er Hamiltons schnelle letzte Runde zunichte - und natürlich konnte er selbst ironischerweise nicht am ersten Q3 teilnehmen, für das er sich eigentlich qualifiziert hätte. In der Startaufstellung geht's für McLaren nach hinten: plus drei Plätze bei Vandoorne, plus 15 bei Button.
Nico Hülkenberg (Renault) schaffte nach einem bis dahin extrem schwierigen Wochenende immerhin den zwölften Platz im Qualifying, der durch die McLaren-Strafen für die fünfte Reihe reicht. "Freuen ist zu viel gesagt, aber unter den Umständen bin ich zufrieden", sagt er. "Meine Runden waren wirklich sehr gut. Wir kriegen einfach nicht den richtigen Grip von den Reifen. Und dann fehlt in den langsamen Ecken auch die Balance total."
Bereits in Q1 war der Traum von Pascal Wehrlein auf eine Fortsetzung des Barcelona-Höhenflugs beendet. Das Sauber-Team lieferte eine desolate Performance ab und belegte die letzten beiden Plätze. Wehrlein (19.) war zwar um gut eine Zehntelsekunde schneller als Marcus Ericsson, aber auf den Q2-Cut fehlte mehr als eine Sekunde. Und Ericsson musste auch noch parken, nachdem er sich in der Hafenschikane die Radaufhängung links hinten kaputtgeschlagen hatte.
"Wir haben das ganze Wochenende schon Schwierigkeiten mit dem Grip", erklärt Wehrlein. "Die Balance ist eigentlich okay, aber uns fehlt eine Sekunde. Und wir wissen eigentlich nicht warum. Auf meiner letzten schnellen Runde war auch noch gelbe Flagge." Das möchte er aber nicht als Ausrede verstanden wissen, denn: "Auf Q2 hat sowieso viel gefehlt." Und das trotz der Updates, die Sauber in Monaco neu ans Auto geschraubt hat.
Überraschend früh kam das Aus für Ocon. Nach seinem Crash im Abschlusstraining konnte ihn die Force-India-Crew erst zehn Minuten vor Schluss aus der Garage lassen. Der Franzose lag dann lange Zeit auf einem Aufstiegsplatz, wurde aber im letzten Moment noch von Grosjean aus den Top 15 verdrängt. Am Ende fehlten Ocon zwei Zehntelsekunden auf den Cut. Grosjean sorgte indes für eine Schrecksekunde, als er nach einem Dreher bei Mirabeau kurz gegen die Fahrtrichtung fuhr.
Nach dem Qualifying-Thriller nun ein ähnlich spannendes Rennen zu erwarten, wäre wohl zu viel des Guten. Pirelli erwartet eine klare Einstoppstrategie. "Ohne dass jemand einen Fehler macht, wird es eine Prozession", befürchtet Marko. Nicht einmal eine Aufholjagd von Hamilton sei realistisch, meint Wolff: "Für den Lewis ist das ein Abschreiber, außer es gibt einen riesen Blechhaufen am Anfang. Vielleicht kann er einen oder zwei Punkte mitnehmen."