Vettel nicht Kapitän im Ferrari: Update-Schlacht verloren?
Ferrari machte am Freitag in Spanien keinen so guten Eindruck wie bei den anderen Rennen: Sebastian Vettel fühlte sich im Auto nicht wohl, sieht aber noch Potenzial
(Motorsport-Total.com) - "Wer in Barcelona schnell ist, ist das ganze Jahr über schnell", lautet eine alte Formel-1-Weisheit. Zum einen gilt der Circuit de Barcelona-Catalunya als repräsentativ, zum anderen stellt der Europaauftakt die Weichen für die kommenden Wochen, weil die meisten Teams ihr erstes großes Update-Paket bringen. Gilt die Weisheit auch 2017, dann könnte Ferrari nach dem Freitag als großer Verlierer dastehen.
Denn Mercedes scheint mit seinem Update-Paket vorbeigezogen zu sein. Die Silberpfeile haben ihr Auto komplett überarbeitet, genau wie Red Bull - Ferrari hingegen hat auf den ersten Blick nur kleine Verbesserungen dabei: neue Bargeboards, einen neuen T-Flügel mit vier Elementen, aber keine Revolution. "Visuell ist der Mercedes sehr beeindruckend", muss selbst Teamchef Maurizio Arrivabene zugeben. Doch Vettel winkt ab: "Es geht nicht darum, wer die meisten Updates mitgebracht hat - es geht darum, wer die besten mitgebracht hat", sagt er.
Der Deutsche legt nach: "Einige sind sichtbarer als andere. Ich bin glücklich darüber, was wir gebracht haben. Manches könnt ihr sehen, manches werdet ihr sehen." Doch die Zeitentabelle lügt selten. Zwar darf man den Freitag nicht unbedingt für bare Münze nehmen, doch bislang lag Ferrari im Training meist vor Mercedes. Nicht so in Barcelona: Vettel musste sich mit Rang vier (+0,418 Sekunden) zufriedengeben, Teamkollege Kimi Räikkönen wurde Dritter (+0,310).
Vettel: "Das Auto war nicht gut"
"Ich bin heute nicht zufrieden", muss Vettel einräumen. "Das Auto war nicht gut", sagt er. Der Heppenheimer fühlte sich in seinem Boliden heute nicht wohl. Das lag aber vor allem an den schwierigen Bedingungen, wie auch ein windbedingter Abflug in Kurve 4 kurz vor Schluss zeigt. "Ich habe mich nicht immer gefühlt, als sei ich der Kapitän an Bord. Ab und zu hat jemand anderes mein Schiff gelenkt. Wer auch immer das war, ich hoffe, er verschwindet morgen", so der Deutsche.
Vettel hatte aber auch die undankbare Aufgabe, den Longrun auf dem ungeliebten Medium-Reifen durchzuführen - übrigens der einzige repräsentative der Topteams. Viele Piloten hatten sich über den Hard beschwert, doch auch die weißumrandete Variante ist bereits zu hart und bietet wenig Grip. "Das war nicht spaßig", meint Vettel und spricht von einem "Schock" bei den Longruns. "Zumindest hatten alle Probleme."
Der bevorzugte Reifen dürfte an diesem Wochenende ohnehin der Soft sein, doch auch damit waren die Zeiten nicht berauschend. Vettels Versuch wurde durch eine Rote Flagge vereitelt, Kimi Räikkönen fuhr bei seinem Run zwei Zeiten im hohen Bereich von 1:25 Minuten, ansonsten nur 1:27 Minuten aufwärts - da war vor allem Mercedes viel stärker, die fast ausschließlich Zeiten unter der Marke von 1:27 Minuten fuhren.
Aufatmen: Kein Getriebeschaden beim Deutschen
Und dann war da ja noch der vermeintliche Getriebeschaden bei Sebastian Vettel im ersten Training, als er plötzlich stehenblieb. Doch glücklicherweise erhärtete sich der Anfangsverdacht nicht: "Wir hatten ein Problem an der Aufhängung hinten links", erklärt der Deutsche. "Wir konnten es relativ schnell beheben. Ich dachte erst, es sei etwas Größeres mit dem Getriebe, aber es war dann doch nicht so." Auch ein angebliches Motorenproblem bei Räikkönen am Nachmittag war doch nicht so kritisch.
Doch es gab auch gute Nachrichten am Freitag zu vermelden. Die schnellsten Runden waren annähernd auf Mercedes-Niveau, und bei Ferrari geht man davon aus, dass man sich bis zum Samstag noch stark verbessern kann: "Ich denke, wir können noch zulegen. Ich kann spüren, dass das Auto schnell ist", macht sich Vettel Mut. Er rechnet weiterhin mit einem Duell zwischen Rot und Silber: "Normalerweise geht es sich zwischen ihnen und uns aus."
Arrivabene warnt vor Red Bull
Bei allem Gerede über das Duell zwischen Mercedes und Ferrari will Teamchef Arrivabene Red Bull nicht vergessen. Max Verstappen lag gerade einmal 0,218 Sekunden hinter Vettel und könnte am Ort seines ersten Grand-Prix-Sieges zur Bedrohung werden. "Wenn wir im vergangenen Jahr etwas gelernt haben, dann dass wir auf all unsere Konkurrenten schauen müssen", mahnt der Italiener.
"Der Mercedes ist ziemlich interessant, kreativ und überraschend. Bei Red Bull ist manches nicht wirklich offensichtlich ist - aber es ist ziemlich effizient. Wir müssen in Erwägung ziehen, was sie tun", betont Arrivabene, will sich aber von den heutigen Zeiten nicht ablenken lassen: "Hut ab vor Mercedes, aber wir werden unser Programm nicht ändern." Bei Ferrari will man sich wie üblich zum Samstag hin steigern. Ob sie das auch können, steht auf einem anderen Blatt.