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Rennvorschau Barcelona: Gelingt das große Red-Bull-Wunder?
Beim Europa-Auftakt in Barcelona blüht der Formel 1 eine wahre Update-Flut: Was die Spitze plant und welche Sonderschichten Ferrari einlegte, um Mercedes zu besiegen
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 kommt nach einem abwechlungsreichen Saisonauftakt nach Europa - mit drei Siegern in vier Rennen. Beginn die WM jetzt in Barcelona quasi von Neuem? Gut möglich, denn der Titelkampf ist völlig offen: Mercedes führt bei den Konstrukteuren mit nur einem Punkt Vorsprung auf Ferrari. Und in der Fahrer-WM hat selbst der drittplatzierte Mercedes-Pilot Valtteri Bottas die Chance, mit einem Sieg in Spanien die Führung an sich zu reißen. Ihm fehlen 23 Punkte auf Leader Sebastian Vettel, bei Teamkollege Lewis Hamilton sind es gar nur 13 Zähler.
Dazu kommt, dass die Karten in Barcelona neu gemischt werden, denn nach den ersten Erkenntnissen mit den neuen Regeln bringen alle Teams umfangreiche Updates. "Die Saison beginnt dadurch von Neuem", sagt Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda. "Wir wissen noch nicht, wer die besseren Updates hat."
Bei den Silberpfeilen gab es nach Sotschi, wo Hamilton große Reifenprobleme hatte und seine Ingenieure bereits "zurück an das Zeichenbrett" beorderte, eine Krisensitzung. Tatsache ist: Noch versteht das Team den F1 W08, der über einen besonders langen Radstand verfügt, noch nicht. Einmal funktionieren die Reifen, dann wieder nicht, während der Ferrari unter allen Bedingungen konkurrenzfähig ist.
Ferrari nutzt Filmtag für Boxenstopp-Training
In Barcelona wird Mercedes aller Voraussicht nach eine abgespeckte Version des F1 W08 präsentieren, denn das bisherige Auto hatte Übergewicht. In Brackley hofft man, damit zumindest einen Teil der Probleme gelöst zu haben. Bei Ferrari will man den aktuellen Vorteil aber nicht aus der Hand geben, und man gibt sich kämpferisch.
WM-Leader Vettel deutet an, dass der Circuit de Catalunya-Barcelona dem SF70H liegen sollte. "Beim Testen waren wir gut. Wir haben ein starkes Auto und einen starken Motor. Wir müssen uns also nicht verstecken", sagt der Heppenheimer. Zumal Ferrari nicht untätig ist: Am vergangenen Freitag nutzte man einen Filmtag in Mugello, um ausgiebig Starts zu testen, denn durch die Niederlage im Beschleunigungsduell gegen Bottas verlor man zuletzt auch das Rennen in Sotschi, obwohl der Ferrari am Ende das schnellere Auto war.
Und auch in Barcelona wird der Start entscheiden: Bis zur ersten Kurve sind es lange 739,5 Meter, und Überholmanöver dürften dieses Jahr ähnlich schwierig werden wie in Sotschi, als ein Vorbeikommen so gut wie unmöglich war. Vettel rechnet in Spanien mit einem "sehr engen Rennen" gegen Mercedes. Aber auch Red Bull hat er trotz des verpatzten Saisonstarts weiter auf der Liste. "Hoffentlich werden sie auf Tempo kommen. Es gibt ja viele Spekulationen, und sie wissen, wie man ein schnelles Auto baut. Ich denke, es ist also nicht die Frage, ob, sondern wann sie es schaffen."
Spekulationen um B-Auto: Was läuft bei Red Bull?
Auf welche Spekulationen sich Vettel bezieht? In Milton Keynes wurde in den vergangenen Wochen unter der Leitung von Designgenie Adrian Newey rund um die Uhr an der B-Version des RB13 gearbeitet. Angeblich soll das für Spanien konstruierte Auto sogar RB14 heißen und über eine stark überarbeitete Aufhängung, einen anderen Anstellwinkel und eine neue Nase verfügen. Will man die Unglückszahl 13, die eigentlich der Konkurrenz Pech bringen sollte, also schon nach wenigen Rennen loswerden?
Red Bull droht trotz des stark überarbeiteten Boliden ein schwieriges Wochenende in Spanien. Laut Vorjahressieger Max Verstappen macht das Design des Boliden derzeit nur 50 Prozent des Rückstands von 1,5 Sekunden aus, das Renault-Update wurde aber eben erst auf unbestimmte Zeit im Sommer verschoben. Außerdem gilt der Kurs in Montmelo als aerodynamisch besonders anspruchsvolle Strecke. Ein neues Auto dort auf Anhieb schnell zu machen, könnte sich als Herkulesaufgabe erweisen.
Und dass Neweys neuestes Werk auf Anhieb funktionieren wird, ist nicht gesagt, denn der RB13 hat die hervorragenden Windkanal-Werte auf der Strecke nicht bestätigt. Bei Red Bull hofft man also, dass auch das Korrelationsproblem gelöst ist. Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko zeigt sich gegenüber 'auto motor und sport' bereits ungeduldigt: "Von den Daten her haben wir mit dem Update unsere Ziele erreicht. Ich will das jetzt aber endlich auch auf der Stoppuhr in Barcelona sehen." Ricciardo: "Wenn der Rückstand im Bereich von einer halben Sekunde liegt, dann haben wir dieses Jahr noch eine Chance."
Zu harte Pirelli-Reifen? Mehr als ein Stopp erwartet
Und dann wären da noch die Reifen: Pirelli hat sich entschlossen, erstmals in dieser Saison die härtesten Gummimischungen nach Spanien zu bringen. Damit tut man Red Bull eher keinen Gefallen, denn zumindest bisher hatte man in dieser Saison große Probleme, die Pneus auf Temperatur zu bringen. "Ich weiß nicht, ob es uns hilft, aber ich denke, dass es für niemanden gut ist, denn die Reifen sind generell schon hart genug, also sind die harten Mischungen viel zu hart", zeigt sich Daniel Ricciardo unzufrieden. Vor allem wenn es wie im Vorjahr kühler als erwartet sei.
Der Wetterbericht kündigt jedenfalls auch 2017 kein Hitzewochenende an: Alles deutet darauf hin, dass sich die Quecksilbersäule auch dieses Jahr rund um die 20-Grad-Marke einpendeln wird. Klagelieder über die Reifen scheinen also vorprogrammiert. Dennoch hält Pirelli bei der diesjährigen Ausgabe "mehr als einen Stopp für wahrscheinlich, weil Verschleiß und Abbau tradionell hoch sind".
Force India endlich mit voller Kraft
Hinter den Topteams wird es aller Voraussicht nach auch in Barcelona ein enges Rennen geben. Williams war in Sotschi beinahe auf Red-Bull-Niveau, dürfte aber nun wieder etwas weiter zurückliegen, was an der Streckencharakteristik liegt. Dafür hat Rookie Lance Stroll nun dank der Wintertests auf dem Circuit de Catalunya-Barcelona immerhin etwas mehr Erfahrung als bei den bisherigen Rennen.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Spanien
Alles begann am 28. Oktober 1951: In Spanien, das damals unter der Diktatur Francos leidet und von der wirtschaftlichen Prosperität anderer europäischer Staaten weit entfernt ist, wird erstmals ein Grand Prix ausgetragen. Die Wahl fällt auf das beschauliche Örtchen Pedralbes vor den Toren Barcelonas. Das katalanische Dorf, das sonst nur für ein gothisches Kloster bekannt ist, erlebt den ersten WM-Titel Juan Manuel Fangios. Für Alfa Romeo gewinnt er das Saisonfinale und damit auch die Krone gegen Alberto Ascari. Fotostrecke
Force India setzte laut eigenen Angaben bislang auf Schadensbegrenzung und möchte mit den Barcelona-Update endlich das Problem mit dem Unterboden, der einen Strömungsabriss verursachte, beseitigen. In Anbetracht der Tatsache, dass Sergio Perez und Esteban Ocon auch bei den bisherigen Rennen bereits fleißig Punkte sammelten, ist das eine Drohung für die Konkurrenz.
Renault wirft Update-Maschine noch einmal an
Das gilt auch für Nico Hülkenbergs Renault-Team, das nach dem umfangreichen Update in Sotschi, mit dem der Luftstrom zu Heck optimiert wurde, eigentlich nur noch eine kleine Änderung am Unterboden nach Barcelona bringen wollte. Nun scheint man die Update-Maschine aber noch einmal angeworfen zu haben und kündigt zusätzlich einen neuen Heckflügel und neue Bargeboards an.
Man darf gespannt sein, ob man damit Force India etwas entgegenzusetzen hat. Außerdem rüsten auch die anderen direkten Gegner auf: Bei Toro Rosso, wo mit Carlos Sainz ein Lokalmatador im Boliden sitzt, und Haas wurden bereits umfangreiche Update-Pakete angekündigt.
Der andere Lokalmatador sitzt im McLaren: Fernando Alonso, der in Sotschi wegen eines Defekts nicht einmal bis zum Start kam, rechnet mit einem weiteren harten Wochenende. Seine Führung in der Podest-Rangliste wird er aber verteidigen: Alonso stand in Barcelona bereits sieben mal auf dem Podium, Hamilton und Kimi Räikkönen fünf Mal.