• 16. April 2017 · 18:38 Uhr

Formel 1 Bahrain 2017: Sebastian Vettel schlägt Mercedes-Duo

Mit dem schnellsten Auto im Feld und smarter Strategie gewinnt Sebastian Vettel in Bahrain vor Lewis Hamilton - Polesetter Valtteri Bottas nach Stallorder Dritter

(Motorsport-Total.com) - Nach drei Rennen steht es wohl endgültig fest: Ferrari hat 2017 ein Auto, mit dem Sebastian Vettel um den WM-Titel kämpfen kann. Der Deutsche gewann den Grand Prix von Bahrain nach einer überzeugenden Vorstellung 6,7 Sekunden vor seinem großen Rivalen Lewis Hamilton (Mercedes). Der machte das Rennen trotz einer Fünf-Sekunden-Strafe in der Schlussphase noch spannend, hatte letztendlich aber keine Chance mehr.

Hamilton kam in der 41. Runde (von 57) zu seinem letzten Boxenstopp und fuhr als Dritter hinter Vettel und Teamkollege Valtteri Bottas wieder auf die Strecke. Zu dem Zeitpunkt fehlten ihm zehn Sekunden auf Bottas und 20 auf Vettel. Das Thema Bottas erledigte sich aber schon in Runde 47: "Halte Lewis nicht auf!", wurde dem Finnen ins Cockpit gefunkt - und der machte artig Platz. Da lag Hamilton nur noch 13,1 Sekunden zurück.

In den letzten zehn Runden wurde er mehrfach von seinem Team angefeuert: "Come on, da geht noch was!" Der Kommandostand witterte eine Chance, weil Vettel die um vier Runden älteren Reifen hatte und zudem auf Überrundungsverkehr auflief. Drei Runden vor Schluss schrumpfte der Vorsprung auf einen Tiefstand von 5,9 Sekunden zusammen - aber von da an sah Hamilton ein, dass er keine Chance mehr hat, und ging vom Gas.

Ferraris Erfolgsgeheimnis: dass das Team schon gestern im Qualifying ein Set-up gewählt hat, das Hinterreifen schont. "Wir waren verrückt", strahlt Teamchef Maurizio Arrivabene. "Gestern sind wir im Qualifying ein Risiko eingegangen, weil wir ans Rennen gedacht haben." Und das hat sich gelohnt. Vettels Renningenieur Riccardo Adami bei der Zieldurchfahrt: "Was für ein Rennen. Du warst der Schnellste!"

Sieht man Vettel beim Jubeln zu, merkt man, dass er begriffen hat: 2017 geht's um die WM! So glücklich wirkte der 29-Jährige schon lange nicht mehr. "Ich liebe einfach, was ich tue", schwärmt er über den in Bahrain wunderschönen Siegerpokal, an den er schon während der Zieldurchfahrt dachte, und das spektakuläre Feuerwerk. "Da will man, dass die Zeit stehen bleibt und man den Moment einfrieren kann!"

"Ich kann spüren: Wir sind schnell, wir können ein Wörtchen mitreden. Das Auto ist eine einzige Freude", strahlt er. "Gestern war ich ein bisschen niedergeschlagen, weil der Rückstand so groß war. Aber ich hatte schon so ein Gefühl, dass da noch was geht." Und zwar nicht zuletzt dank smarter Strategie - in den vergangenen Jahren nicht immer eine Ferrari-Stärke. Diesmal muss selbst Toto Wolff eingestehen: "Sie waren zumindest gleich schnell und hatten die bessere Strategie."

Vettel hatte Hamilton am Start überholt und folgte Bottas zehn Runden lang wie ein Schatten. Just als der Finne anfing, über seine Hinterreifen zu klagen, bog der Deutsche an die Box ab. Erst drei Runden später nutzte Mercedes die Safety-Car-Phase wegen einer Kollsion im Hinterfeld, um Bottas und Hamilton an die Box zu holen. Bottas bekam Supersoft, Hamilton wechselte auf Soft.

In der Phase passierte das, was Mercedes-Sportchef Wolff im Nachhinein als "vermurkst" bezeichnet: Weil beide gleichzeitig an die Box kamen, ging Hamilton in der Boxeneinfahrt vom Gas. Dadurch hielt er Daniel Ricciardo (Red Bull) auf - und das brachte ihm eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe ein, die er beim zweiten Boxenstopp absitzen musste. Und auf der Strecke führte plötzlich Vettel vor Bottas, Ricciardo und Hamilton.

Vettel kam in der 33. Runde zum zweiten Boxenstopp. "Ich fange an, mit den Reifen Probleme zu bekommen", funkte er unmittelbar davor. Drei Runden später wurde er von Teamkollege Kimi Räikkönen, der zu dem Zeitpunkt noch nicht an der Box war, vorbeigelassen. Hamilton, da (noch ohne abgesessene Strafe) auf abgefahrenen Softs, hatte 15 Sekunden Vorsprung auf Vettel - und spielte kurz mit dem Gedanken, nicht mehr zu wechseln.

Der Gedanke wurde schnell verworfen. Vettel hätte mit frischeren Reifen aufgeschlossen, holte pro Runde mehr als eine Sekunde auf - und selbst wenn er nicht vorbeigekommen wäre, hätte Hamilton ja noch fünf Sekunden auf seine Gesamtzeit addiert bekommen. So saß er die Strafe beim zweiten Boxenstopp ab. Dass es nicht mehr reichte, sitzt bei Mercedes tief: "Ferrari hat die Chance genutzt und den Undercut sehr gut umgesetzt", ärgert sich Wolff.

Aber der Verlierer des Tages war Bottas. Nach der ersten finnischen Pole seit Heikki Kovalainen in Silverstone 2008 träumte er insgeheim vom ersten Grand-Prix-Sieg. Die Führung hielt jedoch nur bis zum ersten Boxenstopp, und selbst im ersten Stint staute es hinter Bottas. Die Top 5 bildeten eine Spitzengruppe, von der nur Räikkönen abreißen lassen musste, weil er hinter Felipe Massa (Williams) zurückgefallen war.

Was erst im Nachhinein bekannt wurde: Bottas kämpfte mit zu hohem Reifendruck und hatte daher mit Überhitzen der Hinterachse zu kämpfen. "Wir waren ein paar psi zu hoch", bestätigt Wolff. Grund: In der Startaufstellung funktionierte ein Generator nicht, dadurch konnte die überschüssige Luft nicht abgelassen werden. Aber der eigentliche Schlag in Bottas' Gesicht war sowieso, dass Mercedes Hamiltons Wunsch nach einer Stallorder nachkam.

"Halte Lewis nicht auf" seien Worte, die "das Schlimmste" sind, "was du als Rennfahrer hören kannst", sagt Bottas geknickt. Spätestens jetzt muss ihm dämmern, wie die Hierarchien bei Mercedes konstruiert sind. Auch wenn Wolff sagt, es sei "ein superharter Call" gewesen: "Wir haben es all die Jahre nicht gemacht. Aber irgendwann musste ich entscheiden: Verlierst du das Rennen oder nimmst du den schnelleren Mann vor?"

Letztendlich hatte Bottas auch fahrerisch nicht die Mittel, dem phasenweise groß aufdrehenden Hamilton etwas entgegenzusetzen: "Ich war heute nicht schnell genug", gibt er zu. Die Freude über das beste Saisonergebnis fiel dementsprechend verhalten aus: "Insgesamt war es für mich die beste Woche mit diesem Team", sagt er zwar, aber: "Das Ziel für heute war ein anderes. Ich hatte die ganze Zeit Übersteuern. Darum war ich so langsam."

Letztendlich nur zwei Sekunden hinter Bottas kam Räikkönen ins Ziel. Der Finne wurde am Boxenfunk wieder mehrmals laut, hatte sich das Verpassen des Podiums aber auch selbst zuzuschreiben. Als er nach dem Start in Kurve 3 die Red Bulls angreifen wollte, verbremste er sich und verlor so eine Position gegen Massa. In der vierten Runde kam er hinter dem Williams von der Strecke ab. Und als er in der siebten Runde überholte, fehlten schon 3,8 Sekunden auf P5.

In Runde 24 musste Räikkönen ein zweites Mal an Massa vorbei, hinter den er wegen eines verpatzten ersten Boxenstopps zurückgefallen war. Zumindest ließ er Ricciardo letztendlich klar hinter sich. Für Red Bull war es nach starken Trainings ein enttäuschender Sonntag - dabei hatte es zunächst sehr gut ausgesehen, als Max Verstappen und Ricciardo nach zehn Runden auf P4/5 lagen und weniger als drei Sekunden Rückstand auf den Führenden hatten.

"Im ersten Stint dachte ich ehrlich, dass wir gewinnen können", analysiert Ricciardo. "Ich war am Ende der ersten Gruppe, aber ich sah vor mir alle rutschen, während ich keine Probleme hatte. Aber dann wechselten wir auf den Soft - und das war heute nicht der richtige Reifen für uns." Nach dem Boxenstopp kam er als Dritter wieder auf die Strecke, musste aber in einer einzigen Runde Hamilton, Massa und Räikkönen passieren lassen.

Auch für Verstappen wäre mehr drin gewesen. Der Niederländer setzte nur eine Runde nach Vettel ebenfalls auf eine Undercut-Strategie. "Wir wären hinter Sebastian als Zweiter auf die Strecke gekommen", seufzt er. Aber so weit kam es nicht: Weil seine Hinterradbremsen versagten, landete er neben der Strecke. Verstappen schlug nicht allzu hart ein, kurz danach kam das Safety-Car für fünf Runden auf die Strecke.

Wacker schlugen sich die beiden weiteren Deutschen. Nico Hülkenberg holte von P7 aus seine ersten Renault-Punkte, aber über Platz neun, fünf Sekunden hinter Romain Grosjean (Haas), kann er sich kaum freuen: "Man hat gesehen, dass wir im Rennen brutalen Rückstand haben", spricht er besonders die Aerodynamik an. Und Pascal Wehrlein (Sauber) lieferte als Elfter, 24,2 Sekunden hinter Esteban Ocon (Force India), eine starke Comeback-Performance ab.

Unterhaltsam das Rennen von Fernando Alonso. Über weite Strecken fightete der McLaren-Pilot gegen Daniil Kwjat (Toro Rosso) und Jolyon Palmer (Renault) um Platz elf. Dabei fehlten ihm PS auf Honda-Seite: "Der ist am Anfang der Geraden 800 Meter hinter mir, kann mich aber trotzdem überholen. Ich hatte mein ganzes Leben noch nie einen schlechteren Motor!" Am Ende gab er auf - wegen eines angeblichen Problems mit dem Honda-Antrieb.

Turbulent das Rennen von Toro Rosso. Erst musste Kwjat hart in die Eisen, um im Kampf um P11 eine Kollision mit Teamkollege Carlos Sainz zu verhindern, später fuhr ihm Palmer in Kurve 1 von hinten auf. Sainz wiederum crashte, frisch aus der Box kommend, dem Williams von Lance Stroll seitlich rein. "Eine unglaubliche Aktion", ärgert sich der Rookie - und hat die Rennkommissare auf seiner Seite: In der Startaufstellung in Sotschi muss Sainz um drei Positionen nach hinten.

Vettel führt nach drei von 20 Rennen mit 68 Punkten vor Hamilton (61) und Bottas (38). Es läuft früh alles auf ein Duell um den WM-Titel hinaus. Doch Hamilton ist weiterhin optimistisch: "Ich glaube, ohne die fünf Sekunden Strafe hätte ich gewinnen können", sagt er. Bottas sieht das anders: "Wir wissen, warum wir nicht gewinnen konnten. Wir waren einfach langsamer als Sebastian." Fest steht: Die Mercedes-Soloshows sind vorerst einmal vorbei ...

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