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Rennvorschau Bahrain: WM 2017 entwickelt sich zum Duell
Die sportliche Analyse vor Bahrain: Warum Sebastian Vettel vor Selbstbewusstsein strotzt und Red Bull entgegen des Trends der Vergangenheit stärker sein könnte
(Motorsport-Total.com) - Zwei Rennen, zwei Sieger, zwei WM-Favoriten: Vor der dritten Station der Formel-1-Saison 2017, dem Grand Prix von Bahrain in Sachir, spitzt sich alles auf ein Duell zwischen den beiden Superstars Lewis Hamilton (Mercedes) und Sebastian Vettel (Ferrari) zu. Und so ist es durchaus denkbar, dass es unter Flutlicht in der Wüste nach drei Jahren der Silberpfeil-Dominanz einen neuen Sieger Bahrain-Sieger in der Formel-1-Datenbank geben wird.
Auf dem Bahrain International Circuit kommt es auf Motorleistung, Traktion und aerodynamische Effizienz an - drei Bereiche, in denen Mercedes seit Einführung der aktuellen Motorengeneration im Jahr 2014 federführend ist. Aber auch Vettel hat in Bahrain schon zweimal gewonnen, nämlich 2012 und 2013 - damals noch auf Red Bull. Seine Erinnerungen ans Vorjahr sind hingegen schlecht: Motorschaden schon in der Aufwärmrunde.
Damals hatte der Ferrari-Fahrer nach zwei Rennen 35 Punkte Rückstand auf Bahrain-Sieger und WM-Leader Nico Rosberg. Dieses Jahr kommt er punktgleich mit Hamilton als Spitzenreiter in die Wüste. Und mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein: "Wir waren die Schnelleren, Mann, wir waren die Schnelleren", sagte er nach der Zieldurchfahrt in Schanghai, vom TV-Signal unbemerkt, am Boxenfunk. "Diesmal konnten wir das nicht beweisen. Aber nächstes Mal gewinnen wir!"
Hülkenberg glaubt an Ferrari
Bei Mercedes ist der Respekt vor Ferrari jedenfalls groß - so groß, dass Niki Lauda schon in Schanghai zehn Euro gegen eine Mercedes-Pole gewettet hat. Und auch die geschulte Konkurrenz traut Vettel 2017 eine Menge zu: "Der Ferrari ist für mich eine Bank. Das habe ich schon bei den Wintertests gesehen. Der geht ab wie Luzi", glaubt etwa Nico Hülkenberg an einen starken Auftritt auch in Bahrain.
Weil die Teamkollegen Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen schon 20 beziehungsweise 21 Punkte Rückstand haben, rechnet in der WM alles mit einem Duell Hamilton gegen Vettel. Nach zwei völlig unterschiedlichen Strecken wie Melbourne und Schanghai sollte sich einigermaßen zuverlässig prognostizieren lassen, dass Mercedes und Ferrari 2017 den Ton angeben. Aber in Bahrain kommt eine neue Komponente ins Spiel: extrem hohe Temperaturen.
Bis zu 38 Grad werden am kommenden Wochenende in der Sachir-Wüste erwartet, und auch wenn das Rennen um 18:00 Uhr Ortszeit (ab 17:00 Uhr deutscher Zeit im Formel-1-Live-Ticker) unter Flutlicht stattfindet, wird sich erstmals zeigen, welches der neuen Autos am besten mit den Reifen haushalten kann. Da Ferrari im Renntrimm bisher um einen Tick besser war als Mercedes, könnte die Hitze theoretisch den Italienern in die Hände spielen.
Vettel warnt vor verfrühter Euphorie
Aber: "Einmal waren wir davor, einmal dahinter. Ich versuche, die Dinge nicht zu verkomplizieren. Das macht im Moment nicht viel Sinn", winkt Vettel ab. "In Australien, kann man sagen, waren wir ein bisschen davor. In China ein bisschen dahinter." Der letzte Ferrari-Sieg in Bahrain ist jedenfalls schon eine Zeit lang her: 2010 triumphierte Fernando Alonso bei seinem damals ersten Antreten in Rot.
Vergleich von Fahrstilen in Bahrain
Peter Windsor analysiert bei den Testfahrten in Bahrain 2014 die Herangehensweise der Fahrer in Kurve neun Weitere Formel-1-Videos
Im Schatten des Duells Hamilton gegen Vettel geraten die Teamkollegen der beiden schon nach nur zwei Rennen unter Druck. Die Sehnsucht nach Vorgänger Rosberg drückt sich bei Mercedes nicht nur dadurch aus, dass Tony Ross seinen neuen Schützling am Boxenfunk immer noch Nico nennt. Sportchef Toto Wolff zeigte in Schanghai wenig Verständnis für Bottas' Anfängerfehler hinter dem Safety-Car: "Er hat das Rennen weggeschmissen. Ich denke, war er ein bisschen von der Rolle."
Dass Mercedes Bottas für den langsameren der beiden Fahrer hält, ist seit Niki Laudas flapsigen Kommentaren im Winter bekannt. Wenn die Nummer 2 jetzt aber auch noch anfängt Fehler zu machen anstatt zuverlässig Punkte zu sammeln, wird's heikel. Detail am Rande: Bottas ist in Bahrain 2016 ausgerechnet mit Hamilton kollidiert. Laudas Kommentar damals: "Ich bin von Bottas genervt. Das war komplett verrückt."
Räikkönen gerät unter Druck
Landsmann Räikkönen, zum Jahresende genau wie Bottas vertragsfrei, steht bei Ferrari ebenfalls unter Druck. Vettel sei "aggressiver", bekrittelte FIAT-Chrysler-Konzernchef Sergio Marchionne in Schanghai und forderte zu einem internen Krisengespräch mit Teamchef Maurizio Arrivabene auf: "Ich habe mit Maurizio darüber gesprochen. Vielleicht sollten sie sich einmal an einen Tisch setzen und mit Kimi darüber reden."
Bahrain ist der Papierform nach ein gutes Pflaster für den 37-Jährigen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Elfmal ist er dort angetreten, achtmal stand er auf dem Podium. In den fünf Jahren seit seinem Comeback war er viermal Zweiter - zweimal auf Lotus, zuletzt zweimal hintereinander auf Ferrari. Bottas hingegen war in Bahrain noch nie besser als Vierter, obwohl die Powerstrecke dem Mercedes-befeuerten Williams-Paket eigentlich liegen hätte müssen.
Red Bull: In Bahrain näher dran?
Die große Unbekannte vor dem dritten Saisonrennen ist Red Bull. Motorleistung, Traktion und aerodynamische Effizienz waren in den vergangenen Jahren nicht unbedingt Stärken von Adrian Neweys Konstruktionen. Aber viele Lektionen der vergangenen Jahre kann man 2017 über Bord werfen. So ist Red Bull dank einer unkomplizierten Aerodynamik plötzlich Topspeed-Wunder, trotz des Renault-Defizits. Dafür fehlen in den schnellen Kurven ein paar km/h.
Obwohl zwischen China und Bahrain kleinere neue Teile eingeflogen werden, kommen die größeren Updates erst für den Europa-Auftakt in Barcelona und dann später den Power-Grand-Prix in Montreal. "In dieser Phase der Saison", sagt Teamchef Christian Horner, "ist für uns Schadensbegrenzung das Wichtigste. Max ist in der Fahrer-WM immerhin Dritter, und auf Ferrari haben wir in Schanghai nur einen Punkt eingebüßt."
Ermutigend: Das richtige Set-up-Fenster, das bei den Wintertests und auch in Melbourne noch extrem schmal war, war in Schanghai schon etwas leichter zu treffen. Und das Thema Übergewicht, verursacht nicht zuletzt durch den Einsatz einer veralteten MGU-K (Renaults 2017er-Version erwies sich vor Melbourne als unzuverlässig), ist auch keines mehr. Alle drei Topteams sollten in Bahrain unter dem vorgeschriebenen Mindestgewicht von 728 Kilogramm liegen.
Ist der RB13 ein Reifenflüsterer?
Was Red Bull gerade vor dem Hitze-Grand-Prix in Bahrain optimistisch stimmt: In Melbourne konnte Max Verstappen als Einziger den zweiten Stint auf Supersoft bestreiten, während alle anderen Topfahrer zu Soft greifen mussten. Und im Rennen, wenn die Reifentemperaturen bei manchen eher in die Höhe schnellen, ist Red Bull tendenziell konkurrenzfähiger als im Qualifying. Der RB13 weist alle Merkmale eines "Reifenflüsterers" auf.
Daniel Riccardo: Akklimatisieren vor Bahrain
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"Lewis und Sebastian", gibt Horner zu, "sitzen momentan in den schnellsten Autos. Das ist eindeutig." Aber: "Wir glauben immer noch an das Potenzial dieses Autos." Der Newey-Effekt wirkt sich bei den neuen Regeln sicher nicht mehr so aus, dass Red Bull alles in Grund und Boden fahren kann. Aber Horner und Co. sind tatsächlich zuversichtlich, spätestens ab dem Renault-Update für Montreal mit Mercedes und Ferrari auf Augenhöhe zu kommen.
Sauber: Wehrlein ersetzt Giovinazzi
Ein Comeback feiert am kommenden Wochenende Pascal Wehrlein. "Nach einem Spezialtraining in Salzburg fühle ich mich jetzt bereit", sagt der Deutsche, über den in seiner Abwesenheit viel spekuliert wurde. War es nun eine schwere Halswirbelverletzung, wie Toto Wolff behauptet, oder doch nicht, wie Monisha Kaltenborn sagt? Egal. Wehrlein muss in Bahrain Rundenzeiten sprechen lassen, um die leidige Affäre hinter sich zu bringen.
Die Chancen darauf stehen gar nicht schlecht, zumindest angesichts seiner Performance im vergangenen Jahr. Damals lieferte er im Manor einen Raketenstart ab, lag phasenweise an elfter Position und wurde am Ende 13 (übrigens hinter seinem heutigen Teamkollegen Marcus Ericsson). Eines der Highlights war sein Überholmanöver gegen Nico Hülkenberg - sicher zum Teil dank Manors Mercedes-Power, aber die hatte Force India 2016 auch.
Hülkenberg wiederum muss dieses Jahr mit einem Renault-Motor vorliebnehmen und gehört damit im hart umkämpften Mittelfeld nicht zu den Favoriten auf einen vorderen Platz. Der siebte Startplatz in Schanghai war ermutigend, aber noch lange kein Indikator dafür, dass Renault jetzt erster Top-3-Verfolger ist: "Da zieht ihr verfrühte Schlüsse", warnt der 29-Jährige. "Wenn es in fünf, sechs Rennen immer noch so ist, stimme ich euch zu."
Grosjean kommt guter Dinge nach Bahrain
Der Papierform nach sollten die Mercedes-Teams Williams (zumindest der zweimalige Bahrain-Sieger Felipe Massa) und Force India Top-10-Material sein; theoretisch könnte auch der Toro Rosso mit dem verbesserten Renault-Motor eine gute Figur machen. Und natürlich Haas: Aus dem Vorjahr hat Romain Grosjean sein bestes Saisonergebnis zu verteidigen (P5). Bei McLaren-Honda stellt man sich hingegen jetzt schon auf die nächste Ohrfeige ein.
Dass Fernando Alonso in Melbourne und Schanghai auf Punktekurs lag, bis er von der Technik im Stich gelassen wurde, gleicht einem Wunder. Auf den langen Geraden in Bahrain jedoch wird er nur Kanonenfutter sein. "Der Geschwindigkeitsunterschied war schon erstaunlich", seufzte er vergangenen Sonntag, nachdem Bottas an ihm vorbeigebraust war. Und sein Chef Zak Brown gibt offen zu: "Die Überseerennen werden hart."
Tröstlich zumindest, dass der Bahrain International Circuit keine Strecke ist, auf der Alonso mit Honda-Power allzu leicht überholt werden kann. Das Vorbeifahren an einem Gegner sollte dort wesentlich schwerer sein als in Schanghai - auch wenn die Statistik etwas anderes besagt: 2016 wurde in Bahrain 125 Mal überholt, davon 52 Mal mit DRS. Aber das elektrisierende Duell Hamilton vs. Rosberg hat 2014 bewiesen, dass man sich als Vordermann durchaus wehren kann ...