Formel 1 China 2017: Hamilton mit "Spezialrunde" auf Pole
Elektrisierendes Qualifying in Schanghai: Lewis Hamilton fightet Sebastian Vettel nieder, der wiederum schlägt Valtteri Bottas um eine Tausendstelsekunde
(Motorsport-Total.com) - Das Qualifying zum Grand Prix von China in Schanghai war der erwartet spannende Kampf zwischen Mercedes und Ferrari. Am Ende setzte sich, wie schon beim Saisonauftakt in Melbourne, Lewis Hamilton (Mercedes) knapp durch. Der Publikumsliebling packte in Q3 den Hammer aus, als es drauf ankam, und setzte in einem elektrisierenden Showdown eine Bestzeit von 1:31.678 Minuten.
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Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas nach dem Qualifying Zoom Download
Hamilton blieb damit um 0,186 Sekunden vor Sebastian Vettel (Ferrari), der seinerseits nur hauchdünn den Sprung in die erste Reihe schaffte: "Letztes Mal waren es zwei Hundertstel, jetzt ein Tausendstel. Schade", seufzt der zweite Mercedes-Fahrer, Valtteri Bottas, der Dritter wurde. 5,9 Zentimeter waren letztendlich ausschlaggebend über zweite oder dritte Reihe. "Der Bottas", sagt Mercedes-Boss Niki Lauda, "tut mir leid."
Vettel wiederum meinte schon am Boxenfunk, dass er im zweiten Versuch in Q3 "eine perfekte Runde" erwischt habe. "Vielleicht hätte ich die letzte Kurve ein bisschen besser hinbekommen können, aber die Pole hatte das Auto heute einfach nicht drin." Später, in der FIA-Pressekonferenz, präzisierte er: "In der letzten Kurve habe ich vielleicht einen Tick zu früh gebremst."
Entscheidend war letztendlich etwas anderes: "Wir können im Qualifying immer noch was drauflegen. Das war die letzten Jahre schon so - und das war auch heute so", spielt Mercedes-Sportchef Toto Wolff auf den berühmten Motorenmodus an, der für einen kurzen Zeitraum ein paar Extra-PS verspricht. Das bringt Mercedes im Qualifying vor Ferrari - aber im Rennen ist dieser Vorteil weg.
Wolff darf sich heute nicht nur über die Pole, sondern auch über zehn Euro freuen. Lauda: "Ich habe zehn Euro verloren, weil ich zu Toto gesagt habe: 'Heute kriegen wir einen drüber.' Aber das sind zehn Euro, die ich gern ausgebe." Zumal es letztendlich wieder eine Extraleistung von Qualifying-Spezialist Hamilton war, der erst der zweite Fahrer nach Ayrton Senna ist, dem es zweimal in seiner Karriere gelungen ist, sechsmal hintereinander auf Pole zu fahren.
"Er hat wieder eine Spezialrunde hingelegt, und das hat gerade noch gereicht", lobt Lauda. Aber für Hamilton war es eine Zitterpartie: "Die Ferraris haben so schnell ausgesehen - wir wussten, dass es verdammt eng wird und ich eine perfekte Runde brauche", sagt er. Die hat er dann auch hinbekommen: "Die erste Q3-Runde war noch nicht so stark, aber dann wurde es immer besser."
Hamilton war im ersten Sektor um 0,038 Sekunden langsamer als Vettel, im zweiten und dritten aber schneller. In Kurve 14 attackierte er so hart, dass er das Gefühl hatte, es könnte auch in die Hose gehen - und in der letzten Kurve noch einmal. Die Erleichterung folgte erst, als Vettel über die Ziellinie war. "Es ist dieses Jahr ganz anders", merkt Wolff an. "Es ist so knapp, dass es in jede Richtung springen kann."
Kimi Räikkönen (4./+0,462) spielte wegen "kleinerer Probleme hie und da" keine Rolle im Pole-Kampf, obwohl er sich im Ferrari grundsätzlich immer wohler fühlt. Die ganz große Enttäuschung war jedoch Red Bull. Nach Melbourne und Schanghai ist klar, dass Daniel Ricciardo (5./+1,355) und Max Verstappen (19.) derzeit nicht mit den beiden Topteams mithalten können.
"Mir fehlte Leistung. Ich weiß nicht genau, was es war", erklärt Verstappen sein Ausscheiden in Q1. Offenbar streikte bei ihm die Motorensoftware, sodass ihm nicht die volle Leistung des Renault-Antriebs zur Verfügung stand. Und Ricciardo? "Das Auto fühlte sich nicht schlecht an", sagt der Australier. "Aber der Abstand auf die Führenden ist zu groß. Mehr als P5 geht momentan nicht. Vielleicht haben wir eine Chance, wenn es regnet."
Routinier Felipe Massa (Williams/+1,829) landete als erster Verfolger der Topteams erneut auf dem sechsten Platz ("Eine gute Leistung - das war das Maximum"), gefolgt von Nico Hülkenberg (Renault/+1,902) und Sergio Perez (Force India/+2,028). Der hätte mit P8 nie und nimmer gerechnet, vermutet aber: "Vielleicht hat uns der Regen gestern geholfen, weil die größeren Teams keine Zeit hatten, ihr Set-up zu optimieren."
Daniil Kwjat (Toro Rosso/+2,041) wurde Neunter, obwohl er auf seiner schnellsten Runde einmal blockierende Hinterräder hatte, und Lance Stroll (Williams/+2,542) schaffte nach einer fehlerfreien Vorstellung zum ersten Mal in seiner Karriere den Sprung in die Top 10. Dabei war er angesichts der sieben Zehntelsekunden Rückstand auf Massa nur zur Hälfte happy: "Meine Runde war nicht so toll. Aber Q3 war das Ziel, und das haben wir erreicht."
Fernando Alonso (13./McLaren) gewann das Stallduell gegen Stoffel Vandoorne (16.) erneut klar. Wehrlein-Ersatz Antonio Giovinazzi (Sauber) schaffte als 15. erstmals den Sprung ins zweite Segment. Aber: Während er gerade unterwegs zu einer weiteren Verbesserung war, kam er in der letzten Kurve zu weit raus und crashte in die Mauer. Ein paar Minuten später wäre seinem Teamkollegen Marcus Ericsson (14.) beinahe das gleiche Missgeschick passiert ...
Aber was bedeutet das alles für morgen, wenn ganz andere (nasse) Bedingungen erwartet werden? Red Bull hat jedenfalls auf ein Regen-Set-up gesetzt: "Wir hoffen, dass das in die richtige Richtung geht. Morgen man braucht ein Auto mit Abtrieb", prognostiziert Motorsportkonsulent Helmut Marko. Und vielleicht gute Nerven beim ersten stehenden Start nach Safety-Car-Phase wegen Regens.
"Das wäre so spannend!", findet Polesetter Hamilton, obwohl er es ist, der dabei am meisten zu verlieren hätte. "Da wird es auf jeden Fall Unterschiede geben." Doch klaren Favoriten gibt es keinen. Schon in Australien konnte man sehen, dass Ferrari ohne Mercedes' Qualifying-Vorteil auf die Renndistanz gesehen ebenbürtig ist - und das könnte auch im Rennen in Schanghai (Formel 1 2017 live im Ticker) der Fall sein ...