Mercedes-Stratege: Wieso man sich bei Hamilton verpokerte
Mercedes-Chefstratege James Vowles erklärt, warum er Leader Lewis Hamilton trotz Verstappen schon in Runde 17 hereinholte und wie knapp man am Ende danebenlag
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Grand Prix von Australien fragten sich viele Fans und Experten: Wieso verpokerte sich das Weltmeister-Team Mercedes bei der Strategie und holte den Briten bereits in Runde 17 an die Box, obwohl man mit Hilfe der Daten wissen hätte müssen, dass man so hinter Max Verstappen wieder auf die Strecke zurückkommt? Ex-Formel-1-Pilot Alex Wurz vermutete sogar, dass die Mannschaft aus Brackley unterschätzte, dass man mit den neuen Autos kaum überholen kann.
"Vielleicht hat Mercedes die Strategie-Software nicht angepasst", spekulierte der Österreicher auf 'Twitter'. "Mit den neuen Autos ist das Überholen schwieriger. Wenn die Software darauf nicht programmiert ist, dann endet das in Tränen." Doch nun stellt Mercedes-Chefstratege James Vowles klar, was er wirklich mit den frühen Boxenstopp bezwecken wollte und wieso der Plan schließlich nicht aufgegangen ist.
Mercedes ging davon aus, dass es Red Bull den Silberpfeil-Strategen nachmachen würde und Verstappen ebenfalls vorzeitig an die Box holt, um so einen Undercut beim viertplatzierten Kimi Räikkönen durchzuführen. "Wir wussten: Wenn wir stoppen, dann kommt Lewis hinter Kimi und Verstappen auf die Strecke zurück, aber wenn bei uns die Reifen abbauen, dann wird das auch bei ihnen der Fall sein", erklärt Vowles seinen Gedanken. "Wenn wir also stoppen, dann wäre das auch für Verstappen eine Gelegenheit, Kimi im Kampf um Platz vier zu schlagen. Und so könnte sich hinter Kimi ab Runde 20 eine kleine Lücke ergeben, die Lewis nutzen könnte, um sein Tempo zu fahren."
Nur 0,6 Sekunden entschieden gegen Hamilton
Tatsächlich befand sich Hamilton nach seinem Stopp rund sechs Sekunden hinter Räikkönen. Doch Verstappen tat ihm nicht den Gefallen, sich in Luft aufzulösen. Obwohl Hamilton also sechs Runden lang hinter dem Niederländer feststeckte, ehe Vettel in Runde 23 ebenfalls stoppte, zog Mercedes am Ende nur haarscharf den Kürzeren.
"Am Ende haben uns 0,6 Sekunden gefehlt, die zwischen uns und Vettel lagen, als er aus der Box kam", stellt Vowles klar. "Wäre Verstappen also eine Runde früher hereingekommen, dann hätten wir das Rennen gewonnen."
Warum Mercedes Aktionismus betrieb
Dass sich Mercedes überhaupt gezwungen sah, schon in Runde 17 strategisch gegen Ferrari vorzulegen, lag am mangelnden Tempo Hamiltons. "Wir haben Lewis in Runde 8 gesagt, er solle den Hammer auspacken", erinnert sich Vowles. "Wir wollten versuchen, auf Vettel eine Lücke herauszufahren."
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Hamilton steigerte daraufhin das Tempo um eine halbe Sekunde, doch Vettel ließ sich nicht abschütteln. "Weil unsere Reifen etwas abbauten, war Vettel sofort wieder hinten dran. Das war ein kritischer Punkt in diesem Rennen, denn wir wussten, dass Ferrari schneller ist als wir", schildert der Stratege die heiklen Momente am Kommandostand.
Mercedes erwog zweiten Stopp
Nachdem man das Boxenstopp-Duell gegen Vettel verloren hatte, zog man sogar eine Zweistopp-Strategie in Erwägung, wie Vowles verrät: "Wir haben über Plan B nachgedacht - eine Zweistopp-Strategie", verrät der Brite. "Wir wollten schauen, ob wir so eine Chancen hätten oder von eventuellen Safety-Car-Phasen profitieren könnten. Im Vorjahr gab es hier drei Runden hinter dem Safety-Car, und die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß. Wir wiesen also Lewis an, Gas zu geben, um in Reichweite zu sein, damit wir vielleicht etwas probieren können."
Als Räikkönen und Verstappen allerdings erst in den Runden 25 und 26 frische Reifen abholten, war die Lücke zu Vettel allerdings bereits auf über sechs Sekunden angewachsen. Zudem fuhren die beiden hinter Hamilton mit frischen Reifen überzeugende Rundenzeiten, während die Reifen des dreimaligen Weltmeisters schon neun Runden auf dem Buckel hatten. Bei einem weiteren Boxenstopp wäre er erneut hinter das Duo zurückgefallen.