Tränenreicher Sieg: Vettel & Ferrari feiern Ende des Martyriums
Ferraris erster Sieg seit eineinhalb Jahren ist einer zum Genießen - Sebastian Vettel weiß, wie viel Schweiß und Blut dahinter steckte
(Motorsport-Total.com) - "Zu gewinnen fühlt sich immer gut an. Es ist eine gute Medizin und scheint alles zu heilen. Für heute tut es das jedenfalls." Sebastian Vettel ist ein emotionaler Fahrer in einem emotionalen Team. Dass er für Ferrari den ersten Sieg der Formel-1-Saison 2017 holt, hat in selbst Maranello diesmal keiner für selbstverständlich angesehen. Umso heftiger brachen die Emotionen heraus, als es am Sonntagnachmittag in Melbourne soweit war. Vettel selbst stellt dabei klar: Das war ein leidenschaftlicher Kraftakt!
"Das Team hat lange drauf gewartet, mal wieder so in eine Saison zu starten. Es ist heute ihr Tag", betont der viermalige Weltmeister. "Ich habe nur meinen Teil dazu beigetragen, worauf ich sehr stolz bin. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Fundament liegt in Maranello. Es ist eine große Gruppe an Menschen, die dafür heute verantwortlich sind."
Genau 553 Tage ist es her, dass Ferrari zum letzten Mal auf einem Podium ganz oben stand. Der vielversprechende Aufschwung, mit dem Vettel seine Zeit bei der Scuderia 2015 begonnen hat, schien schon ein Jahr später zu einer großen Enttäuschung geworden zu sein. Umso mehr haben die Italiener ein positives Zeichen gebraucht.
"Die letzten Monate waren nicht einfach"
"Wir hatten ein gutes Rennen und es ist eine große Erleichterung", so Vettel. "Die letzten Monate waren nicht einfach. Aber wir haben uns auf uns selbst konzertiert und unseren Arbeit gemacht. Wir haben versucht, ein gutes Auto zu bauen und dabei hier und da auf Details zu achten. Als wir es zusammengebaut haben hatten wir ein gutes Gefühl. Als wir es ausprobiert haben hatten wir ein gutes Gefühl. Und jetzt haben wir immer noch ein gutes Gefühl. Ich hoffe, wir können dieses Gefühl noch etwas länger behalten."
Mehr als zehn Podiumsplatzierungen konnten Vettel und sein Teamkollege Kimi Räikkönen 2016 nicht holen. Vettel selbst merkte man den tiefsitzenden Frust am meisten an. Er viel während der Saison mehr durch seine Funk-Flüche, als durch Ausrufezeichen auf der Strecke auf.
Trotz Regeländerungen hat man Ferrari nicht zugetraut, den entscheidenden Schritt auf Mercedes aufzuholen. Bei den Testfahrten vor der Saison deutete sich ihre Stärke an. Aber erst in den 57 Runden im Albert Park hat sich gezeigt: Die Roten sind aus eigener Kraft in der Lage, um die Spitzenpositionen zu kämpfen.
Wenn der leidenschaftliche Italiener rauskommt
"Solche Momente lassen es vielleicht erahnen - aber von außen ist es immer schwer zu beurteilen, wie schwer doch die letzten Monate waren", erklärt Vettel. "Im Schnitt haben die Jungs nicht viel geschlafen. Dann kam hier noch der Jetlag dazu. Das gab nur drei oder vier Stunden Schlaf pro Nacht. Wenn man das über Wochen macht, dann schlaucht das schon ziemlich. Deswegen bin ich froh, dass ich das Auto fahre und nachts länger schlafen kann. Aber ich denke, man hat gemerkt, dass uns allen eine riesige Last von den Schultern gefallen ist."
"Es war ein steiniger Weg - aber auch ein guter", sagt er weiter. "Wir mussten ihn gehen und hatten einiges zu lernen. Jetzt sind wir auf einem Höhepunkt - aber da hört es nicht auf. Es ist erst der Anfang. Die Motivation war immer da. Aber es hilft, wenn man vom Podium herunterwinken kann."
Und das Team hat zurückgejubelt. Teamchef Maurizio Arrivabene hatte Tränen in den Augen. Mechaniker und Ingenieure sangen aus vollen Kehlen ihre Hymne mit. "Das Vorjahr hat wirklich wehgetan", gibt Chefingenieur Jock Clear gegenüber 'Sky' zu. "Wir haben auch gelesen, was so geschrieben wird. Wir wissen, dass die Erwartungen hoch sind, aber in Wahrheit ist Mercedes ein Team, das sehr schwer zu schlagen ist. Wir wussten, dass es auch heute schwierig werden würde. Dennoch haben wir gewonnen. Das ist ein tolles Gefühl, das wir jetzt ein paar Tage lang genießen werden."
Zeit zum Feiern
Auf einen nicht ganz idealen Start folgten ein ungebrochener Kampfgeist und eine mutige Strategie-Entscheidung. Die Vorfreude konnte schon ein paar Runden vor Schluss einsetzen. "Die habe ich sehr genossen", so Vettel. "Ich hatte da schon ein wenig Gas rausgenommen, weil der Abstand nach hinten ja konstant war. Es war schön, dann mal nach links und rechts zu schauen. Die Auslaufrunde war auch etwas ganz Besonderes. Die Leute durften auf die Strecke! Das hat mich gewundert, aber ich fand's cool."
Gedanklich lässt Vettel Australien aber schon langsam hinter sich: "Ich denke, es ist ein toller Ort, um Rennen zu fahren. Es ist ein noch besserer Ort, um ein Rennen zu gewinnen. Und vielleicht ist es ja sogar ein noch besserer Ort um heute Nacht zu feiern."
Die Getränkebestellung gibt er auch schon auf: "Ich bin eigentlich kein Fan von Champagner, aber auf dem Podium schmeckt der irgendwie immer gut - ich weiß auch nicht warum. Ich hoffe es ist noch etwas übrig. Ansonsten finden wir bestimmt noch andere Flaschen."