• 26. März 2017 · 07:31 Uhr

Formel 1 Melbourne 2017: Vettel gewinnt Saisonauftakt!

Ferrari gewinnt mit der besseren Strategie: Sebastian Vettel ist in Australien ab dem einzigen Boxenstopp unantastbar und triumphiert vor Lewis Hamilton

(Motorsport-Total.com) - 83 Prozent unserer Leser haben entweder mit Lewis Hamilton (Mercedes) oder Sebastian Vettel (Ferrari) als Sieger im Grand Prix von Australien gerechnet - und sie sollten recht behalten! Hamilton gewann zwar den Start und führte bis zum ersten Boxenstopp, doch von da an übernahm Vettel das Kommando im Duell. Für den Deutschen und sein Team war es der erste Sieg seit Singapur 2015.

Aber: "Nicht Ferrari hat Mercedes besiegt, sondern vor allem Vettel", analysiert Formel-1-Experte Marc Surer. Nach dem Positionstausch beim ersten (und einzigen) Boxenstopp sei Vettel Hamilton einfach "davongefahren. Und auch in den ersten Runden war er sehr angriffig. Ferrari war heute zumindest gleich schnell, wenn nicht sogar einen Tick schneller."

Polesetter Hamilton gewann den Start, aber im Gegensatz zu den vergangenen Jahren hatte er bei der Freigabe des DRS nach zwei Runden keinen klaren Vorsprung. Ganz im Gegenteil: Vettel folgte ihm wie ein Schatten - bis Mercedes in Runde 17 einen frühen ersten Boxenstopp einlegte, um von Ultrasoft auf Soft zu wechseln. Das schien zunächst auch richtig zu sein, denn Hamilton fuhr anschließend die schnelleren Rundenzeiten als Vettel.

Aber dann die Wende, als Hamilton auf den viertplatzierten Max Verstappen (Red Bull) auflief, der noch nicht an der Box war und mit abbauenden Ultrasofts kämpfte. Aus 21,1 wurden 23,6 Sekunden Rückstand auf Vettel. "Lewis, wir müssen Verstappen überholen. Das ist rennentscheidend", funkte Renningenieur Peter Bonnington. Antwort von Hamilton: "Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Keine Chance!" Denn Überholen ist mit den neuen Autos deutlich schwieriger geworden.

Erst sechs Runden nach Hamilton kam Vettel zum Reifenwechsel - und hauchdünn vor Verstappen und dem Silberpfeil wieder auf die Strecke! Damit war die Entscheidung gefallen. Denn als Verstappen an die Box ging und Hamilton endlich wieder freie Fahrt hatte, betrug sein Rückstand mehr als sechs Sekunden.

"Wir hatten Glück, dass Lewis im Verkehr steckte, aber das Auto war super, die Reifen haben gehalten und ich konnte Druck machen", strahlt Vettel, der selten so gelöst gewirkt hat wie nach seinem 43. Grand-Prix-Sieg. Noch emotionaler war Teamchef Maurizio Arrivabene: Nach dem immensen Druck infolge der verkorksten Saison 2016 brach er in Tränen aus. Für Ferrari ist es die erste WM-Führung seit 2012.

"Es ist wieder spannend, Mercedes hat einen Gegner. Das nehmen wir aus Melbourne mit", freut sich Experte Surer. Dabei wurde aus dem Plan, schon den Start zu gewinnen und damit den im Renntrimm vermeintlich überlegenen Hamilton unter Druck zu setzen, nichts: "Am Start war ich ein bisschen nervös", gibt Vettel zu. "Ich hatte Wheelspin. Das hat Lewis um einen Tick besser gemacht."

Bei Mercedes entlud sich der Ärger über das verlorene Rennen, als Sportchef Toto Wolff nach dem Führungswechsel mit der Faust auf den Tisch hämmerte. Der frühe Boxenstopp sei eine "totale Fehlentscheidung" gewesen: "Wir hatten den Eindruck, dass sich der Reifen kontinuierlich verschlechtert. Und für Sebastian war die Chance zum Undercut da. Aber es hat schlicht und einfach an Pace gemangelt."

"Der Ferrari war einfach das schnellere Auto", gibt er zu. "Die Temperaturen kommen ihnen entgegen und die Reifen sind schwer zu verstehen. Da haben sie einen besseren Job gemacht. Der Ferrari ist bärenstark und Sebastian war heute eine eigene Liga. Das hat man im Verhältnis zu seinem Teamkollegen gesehen."

Der kam mit 22,4 Sekunden Rückstand ins Ziel - und hätte beinahe noch Platz vier an Verstappen verloren. "Zum Schluss haben wir Max aus Sicherheitsgründen zusammengebremst, sonst wäre noch eine Attacke auf Räikkönen gekommen", berichtet Helmut Marko. In den Telemetriedaten erkannten die Red-Bull-Ingenieure, dass die Bremsen am Limit waren. So wurden aus einer Sekunden Rückstand bis zur Zieldurchfahrt wieder sechs.

Aber: "Der Rennspeed nach dem Boxenstopp war sehr gut", freut sich Marko. Auch, weil Verstappen den zweiten Stint als einziger Topfahrer auf Supersoft statt Soft bestritt. Zuvor war es weniger gut gelaufen: Als alle noch auf Ultrasoft waren, büßte er innerhalb von 20 Runden 20 Sekunden auf die Spitze ein. Nur am Start war er drauf und dran, Räikkönen zu überholen - der Speed reichte aber nicht aus, um vor Kurve 3 vorne zu bleiben.

Teamkollege Daniel Ricciardo erlebte indes einen einzigen Albtraum. Nach dem Q3-Crash bescherte ihm ein Getriebewechsel eine Rückversetzung auf den 15. Startplatz. Dann rollte er wegen eines defekten Getriebesensors im sechsten Gang steckend aus, als er in die Startaufstellung fahren wollte. Erst mit zwei Runden Verspätung konnte er ins Rennen eingreifen - unter frenetischem Jubel seiner australischen Fans.

Aber nach 25 Runden war's dann endgültig vorbei, als der Renault-Motor den Dienst quittierte. "Positiv ist, dass ich jetzt gleich abhauen kann", nimmt's der ewige Sonnyboy gelassen. So war der Weg für Felipe Massa (Williams) frei, beim "Comeback" den sechsten Platz abzustauben - fast eine Minute hinter Verstappen, aber eine halbe Minute vor Sergio Perez im rosa Force India.

Die beiden Toro-Rosso-Fahrer Carlos Sainz und Daniil Kwjat (später Boxenstopp, um Luft in die Motorenpneumatik nachzufüllen) belegten die Positionen acht und neun; Esteban Ocon (Force India) staubte den letzten WM-Punkt ab. Kurz zuvor hatten sowohl Ocon als auch Nico Hülkenberg (11./Renault) gleichzeitig Fernando Alonso (McLaren) auf Start und Ziel überholt.

Alonso und sein Teamkollege Stoffel Vandoorne beklagten sich am Funk unzählige Male über Motorenprobleme, Leistungsverlust oder auch leere Batterien. Dass er bis kurz vor Schluss auf Punktekurs lag, ist laut Alonso nicht repräsentativ: "Wir sind Letzter", analysiert er schonungslos. "An zehnter Stelle lag ich nur, weil ich eine extrem gute Qualifying-Runde geschafft habe." Letztendlich musste er mit kaputter Radaufhängung aufgeben.

Eine der tragischen Figuren des Abends im Albert Park war Romain Grosjean. Nach seinem bärenstarken Qualifying schied der Haas-Pilot schon nach 13 Runden mit Motorschaden aus. Platz sieben wäre sonst im Bereich des Möglichen gewesen. Sein Teamkollege Kevin Magnussen sah die Zielflagge nicht. Der Däne war bereits in der ersten Runde mit Marcus Ericsson (Sauber) kollidiert. Beide schieden aber erst später endgültig aus.

Zu den Ausfällen zählte auch Rookie Lance Stroll (Williams), der an seinem ersten Rennwochenende keine besonders glückliche Figur machte. Nach dem Crash am Samstagmorgen erwischte er zwar einen Superstart, musste aber in der ersten Kurve so hart bremsen, dass ein Reifen hinüber war und gewechselt werden musste. Später kam er von der Strecke ab und gab auf - mit Verdacht auf Bremsdefekt.

Weiter geht's in zwei Wochen mit dem Grand Prix von China. Und eins steht fest: Mercedes hat 2017 wieder Konkurrenz. "Wenn man heute mit vor zwölf Monaten vergleicht, stehen wir als Team ganz anders da", sagt WM-Leader Vettel. "Wir hatten einen guten Winter. Es ist ein hervorragendes Ergebnis. Trotzdem müssen wir die Füße auf dem Boden lassen. Aber heute genießen wir den Tag."

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