• 25. März 2017 · 11:25 Uhr

Ferrari schlägt zurück: Wieso Vettel nun an den Sieg glaubt

Erstmals seit mehr als einem Jahr steht Sebastian Vettel wieder in Reihe 1: Wieso die Pole auch ohne Fehler außer Reichweite lag, er aber an den Sieg in Melbourne glaubt

(Motorsport-Total.com) - Am Freitag schien Ferrari gegen Mercedes chancenlos, doch der von Sebastian Vettel erhoffte "große Schritt" traf ein: Platz zwei im Qualifying - mitten im Mercedes-Sandwich! Der viermalige Weltmeister musste sich Lewis Hamilton zwar um 0,268 Sekunden geschlagen geben, setzte sich aber hauchdünn (0,025 Sekunden) gegen Valtteri Bottas durch (das gesamte Qualifying-Ergebnis). Damit steht Vettel erstmals seit Singapur 2015 in der ersten Startreihe - Kimi Räikkönen (+0,845 Sek.) lauert dahinter als Vierter.

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Vorbild 2016: Auch dieses Jahr will Vettel Mercedes beim Start austricksen Zoom Download

Eine positive Überraschung für Vettel? "Wieso Überraschung?", antwortet er. "Wir konnten schon erahnen, dass wir ungefähr dorthin kommen, wenn alles gut klappt." Die guten Testleistungen könnten also doch dem wahren Tempo des SF70H zu entsprechen. Zumal Vettel in seiner entscheidenden Runde laut eigenen Angaben zwei Fehler machte. Und das ausgerechnet vor längeren Vollgaspassagen, wo die Auswirkungen doppelt spürbar sind.

War also die Pole möglich? "Ich wäre liebend gerne auf Pole gestanden", sagt er wenig überraschend, "aber ich glaube, das war heute nicht in Reichweite. Ich hatte ein paar Schnitzer drin, während Lewis eine sehr gute Runde hatte. Obwohl ich phasenweise das Gefühl hatte, dass noch mehr drin ist." Vor allem der Fehler in der ersten Kurve wirkte sich aus, denn Vettel verlor in Sektor 1 0,295 Sekunden auf den Pole-Setter.

Zu aggressiv in Sektor 1: Pole dennoch außer Reichweite?

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In der ersten Kurve rutschte Sebastian Vettel zu weit hinaus Zoom Download

"Ich habe versucht, später zu bremsen und mehr Speed mit reinzunehmen", schildert er. "Dann habe ich ein bisschen die Vorderachse verloren und geradeaus gesegelt." In Kurve 9, also direkt vor der Gegengerade, passierte ein ähnliches Missgeschick: "Ich habe wieder versucht, ein bisschen Speed mitzunehmen, weil ich wusste, dass Lewis' Zeit aus dem ersten Run sehr gut ist, und war daher ein bisschen spät dran. Der letzte Teil war dann aber ziemlich gut." In Sektor 2 waren er und der Mercedes-Pilot auf Augenhöhe, in Sektor 3 Vettel klar der Schnellste.

Kein Wunder, dass Vettel nun mit dem Sieg liebäugelt. "Mercedes hat die vergangenen Jahre dominiert. Und die Leute mögen das nicht so gern, also hoffen wir, dass wir eine Veränderung bringen können", fühlt sich der 29-Jährige in der Rolle des Favoritenjägers wohl. Selbst die bärenstarken Longruns Hamiltons am Freitag scheinen ihn nicht zu schrecken. "Morgen kriegen wir sie!", funkte er seinen Mechanikern in der Auslaufrunde von Q3. Das beweist seine Zuversicht.

Warum Vettel an den Sieg glaubt

"Ich glaube, unser Auto ist nicht viel langsamer", macht Vettel Mut. "Gestern hatten wir nicht den besten Tag, aber heute hat sich das Auto viel besser angefühlt, die Balance war besser, also sollten wir auch im Rennen schneller sein."

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Know your enemy: Vettel schaut sich den Mercedes nach dem Qualifying genau an Zoom Download

Und es gibt noch andere Faktoren, die für Vettel sprechen: Der Ferrari-Pilot probierte in den Freien Trainings am Ende der Boxengasse auffällig viele Starts. Eine clevere Herangehensweise, schließlich sieht das Reglement dieses Jahr eine etwas andere Startprozedur vor, bei der es noch mehr auf die Reaktion des Piloten ankommt.

"Morgen können wir hoffentlich mit einem guten Start schon die Führung übernehmen und dann versuchen, das Rennen zu kontrollieren", gibt Vettel seinen Plan für das Rennen Preis. Erinnerungen an das Vorjahr werden wach, als die Ferrari Mercedes beim Beschleunigungsduell den Zahn zogen und die Führung übernahmen. "Vielleicht öffnet sich ja ein kleines Türchen", will Vettel dieses Kunststück wiederholen. "Wenn es offen ist, dann fahren wir rein."

"Überholverbot" könnte Vettel in die Hände spielen

Vettel meint, dass er und sein Team in Sachen Starts "gut vorbereitet" sind, es aber auch auf Gefühl und Glück ankomme. "Man ist am Anfang ein bisschen blind, und je nachdem, ob es am Anfang sitzt oder nicht, ist der Start dann gut oder nicht so gut", erklärt er. "Ich hoffe, dass wir die Tradition aufrecht erhalten können. Im Vorjahr war der Start ziemlich gut. Es gibt aber keine Garantie..."

Sollte die Rechnung aber aufgehen, dann wäre das schon die halbe Miete, denn alle im Fahrerlager rechnen mit einem Rennen ohne viele Überholmanöver. Das könnte Vettel in die Karten spielen. Er rechnet aber auch mit Überraschungen. "Die Reifen halten zwar länger als in den vergangenen Jahren, es könnte also auf einen Stopp hinauslaufen, aber es ist aber das erste Rennen des Jahres, und wegen des Safety-Cars weiß man hier nie."

Da Ferrari in Sachen Strategie im Vorjahr immer wieder unglücklich agierte, muss man dieses Jahr beweisen, dass man aus den Fehlern gelernt hat. Glaubt man Vettel, dann ist die Scuderia im Vergleich zum Vorjahr mehr zu einer Einheit verschmolzen. "Wir haben als Team in den vergangenen zwölf Monaten große Veränderungen durchgemacht - und zwar zum Besseren. Das Team wird stärker, alle sind besser drauf und sitzen fester im Sattel. Trotz der langen Reise nach Australien sind die Leute mit vollem Eifer dabei. Es ist unsere erste große Gelegenheit."

Räikkönen verpatzt Qualifying, aber nicht entmutigt

Nur bei Räikkönen, bei dem nach dem dritten Freien Training Energiespeicher und Elektronik-Steuerung gewechselt werden mussten, läuft noch nicht alles nach Wunsch. "So ein Scheiß-Qualifying, sorry Jungs", entschuldigte sich der Finne bereits via Boxenfunk und wunderte sich danach: "Es ist eigenartig, dass wir die Runden einfach nicht zusammenbekommen haben. Die erste war ein bisschen unsauber, von meiner Seite nicht ideal."

Auch er ist aber für das Rennen guter Dinge: "Wir haben ein sehr gutes Paket. Melbourne ist eine ungewöhnliche Strecke, die immer wieder Überraschungen bietet. Da muss man noch ein bisschen abwarten." Und wer weiß, was sich vor Räikkönen in der ersten Kurve abspielen könnte. Womöglich ist der Mann mit dem stoischen Gesichtsausdruck am Sonntag der lachende Dritte.

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