• 24. November 2016 · 18:14 Uhr

Verbaler WM-Schlagabtausch: Kein Handshake bei Mercedes

Bei der Pressekonferenz in Abu Dhabi bekommen Nico Rosberg und Lewis Hamilton die große Bühne: Kein Handshake, dafür viele Worte vor dem letzten Duell

(Motorsport-Total.com) - Da sind sie nun, die beiden WM-Kontrahenten 2016. Vor dem großen Finale in Abu Dhabi bekommen die beiden Anwärter noch einmal die große Bühne. Die übliche Formel-1-Pressekonferenz ist mit Kimi Räikkönen & Co. an diesem Donnerstag nur das Vorgeplänkel. Alles wartet auf Nico Rosberg und Lewis Hamilton, die ihre eigene Show im Anschluss bekommen: den ersten verbalen Schlagabtausch vor dem Duell auf der Strecke.

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Nico Rosberg und Lewis Hamilton posieren ohne Handshake für das Foto Zoom Download

Als Hamilton und Rosberg den Raum betreten, riecht es schon wieder nach Eklat: Ein vorher abgemachter Handshake wird verweigert, was die Journalisten natürlich auf den Plan bringt und das Klischee des Hassduells befeuert. Doch eigentlich ist alles harmloser als gedacht: Zwar war der Handschlag für die Fotografen ursprünglich abgemacht, doch dann empfand man die gestellte Szene als zu kitschig und ließ den Plan wieder fallen.

"Es wurde so angeordnet, dass wir nur so dastehen für ein Bild. Das wurde so vorgegeben", erklärt Nico Rosberg im Anschluss und hätte auch kein Problem damit gehabt, seinem Konkurrenten die Hand zu reichen: "Warum nicht? Es ist jetzt nicht so, dass wir das irgendwie vermeiden wollten", winkt er ab. Dann geht es eben ohne Handschlag zur Pressekonferenz, in der beide Piloten Platz nehmen - Rosberg links, Hamilton rechts.

Rosberg gelassener durch Erfahrung im Titelkampf

Die erste Frage geht an Nico Rosberg. Ob er jetzt bessere Nerven habe, weil er das WM-Duell in Abu Dhabi schon 2014 erlebt hat, will ein Journalist wissen. Rosberg antwortet kurz und knackig: "Es hilft definitiv, dass ich schon einmal in der Situation war. Wir kämpfen zum dritten Mal um den WM-Titel, mittlerweile kann ich damit gelassener umgehen", sagt der Deutsche und lächelt dabei. Na gut, dann muss eben die nächste Frage beide aus der Reserve locken.

Das Geheimrezept dabei: Lobe deinen Konkurrenten! "Welche Rennen von Lewis haben dich in dieser Saison am meisten beeindruckt?", wird Rosberg gefragt, der erst einmal überlegen muss: "Oh, da brauche ich eine Weile, weil ich nicht zurückdenke", weicht er aus. "Er hat eine großartige Saison geleistet. Es gab viele tolle Rennen. Er war ein harter Gegner, aber das konnte man erwarten. Ich fokussiere mich auf das Wochenende."

Konkurrent Lewis Hamilton bekommt die gleiche Frage zu Rosberg gestellt. Doch der Brite scheint ebenfalls ein Meister des Herauswindens zu sein und macht sich einen Spaß daraus: "Ich habe keine Rennen von ihm in diesem Jahr gesehen, von daher... Ich kann mich nicht erinnern", lacht er, um seinen Gegner dann aber doch noch zu loben - so halb: "Er war bei vielen Rennen schnell, es gibt nichts, was wirklich heraussticht."

Hamilton fährt auf Sieg

Vielleicht hat es Hamilton lieber, wenn man über ihn und einen anderen Deutschen spricht. Mit seinem 52. Sieg hat der Mercedes-Pilot in Brasilien Alain Prost überholt und liegt nun nur noch hinter dem Deutschen, dessen Rekorde Hamilton laut Meinung einiger Experten knacken kann. Doch auch hier winkt Hamilton ab: "Michael ist noch ganz weit weg, von daher würde ich einen Millimeter weiter an ihn herankommen", sagt er auf einen 53. Sieg in Abu Dhabi angesprochen - Schumacher steht bei 91.

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Lewis Hamilton möchte seinen vierten Sieg in Folge einfahren Zoom Download

Doch natürlich möchte der Brite beim Saisonfinale gewinnen, um die Chancen auf seinen vierten WM-Titel zu wahren. Allerdings weiß er, dass Rosberg auf dem Yas Marina Circuit nicht so einfach zu knacken sein wird: "Nico war in den vergangenen Rennen hier ziemlich schnell, von daher wird es eine Herausforderung. Aber die kann ich erhobenen Hauptes angehen und gut bestreiten", so der WM-Zweite.

"Was die WM angeht: Die lief bislang generell nicht so, wie ich es mir erhofft hatte", erzählt er weiter. "2016 war kein spektakuläres Jahr, aber es gab viel Positives, das man herausziehen kann, und ich werde das mit ins nächste Jahr nehmen." Damit hat Hamilton auch gleich ein Thema angerissen, um das man im WM-Kampf 2016 nicht herumkommt: sein Technikpech. Speziell zu Beginn des Jahres sorgte dies für herbe Punktverluste, und der Motorschaden von Malaysia war der Knackpunkt.

Pechserie macht Hamilton stärker

Natürlich muss sich Rosberg daher nun Fragen gefallen lassen, was ohne die Technikpannen seines Teamkollegen passiert wäre: "Ich weiß natürlich, wie die Saison gelaufen ist - aber sie ist noch nicht vorbei, deswegen wäre es zu früh, darüber zu sprechen. Ich habe solche Überlegungen im Moment nicht. Für mich geht es nur darum, mich auf dieses Rennen zu fokussieren. Ich freue mich auf das letzte Rennen und darauf, mit Lewis um die WM zu kämpfen. Ich will die Arbeit erledigen und das Rennen gewinnen. Das wäre fantastisch."


Fotostrecke: Spektakuläre Aufholjagden im F1-Titelkampf

Hamilton betont derweil die positiven Aspekte der Pechserie und wie sie ihn stärker gemacht hat: "Es war eine herausfordernde Saison, aber ich habe mittlerweile eine Fähigkeit, Negatives in Positives zu wandeln, und in dieser Saison konnte ich diese Fähigkeit noch einmal verbessern", unterstreicht er. "Ich bin sehr stolz auf das Erreichte. Ich lag 43 Punkte zurück und dachte, dass es unmöglich sei, das wieder aufzuholen. Aber ich habe das Blatt gewendet. Dann war ich 33 Punkte zurück und habe es ebenfalls fast gewendet. Das Jahr hat gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man sich darauf einlässt."

Die gesamte Pressekonferenz über bleibt es beim gleichen Tenor: Beide Piloten spielen die Wichtigkeit des Rennens herunter und versuchen angeblich gar nicht, über die WM zu denken. Vor allem Rosberg will sich nicht anmerken lassen, dass er an diesem Wochenende seinen größten Karriereerfolg einfahren kann - oder ihn eben auch komplett verspielen kann. Nicht umsonst sagt er, dass Abu Dhabi 2016 nicht das wichtigste Wochenende für seine Familie ist. "Das wurde mit der Geburt unserer Tochter klar."

Ein Rennen wie jedes andere?

Abu Dhabi ist für den Deutschen in allererster Linie "ein Rennen wie jedes andere, in dem ich versuche, das Rennen zu gewinne, und alles dafür gebe", wie er sagt. An ein mögliches Scheitern denkt er vor dem Event gar nicht: "Solche Gedanken machen mich nicht schneller. Für mich ist das Hier und Jetzt wichtig. Das hat bislang für mich funktioniert. Aus diesem Grund bin ich in dieser Position."

Allem Anschein nach haben die Reporter jetzt Interesse daran zu erfahren, wie sich Rosberg und Hamilton in die Position gebracht haben. Sie fragen nach dem besten und schlechtesten Rennen der Saison. Rosberg will sich allerdings nur an die guten erinnern und nennt Singapur als seinen Höhepunkt. Die schlechten interessieren ihn nicht - und Hamilton scheint diesbezüglich ebenfalls etwas vergesslich zu sein.

"Könnt ihr mich an die schlechten Rennen erinnern? Ich weiß, dass es da welche gab, aber ich kann mich nicht erinnern", lacht er. Als der Zwischenruf Baku kommt, wo Hamilton nicht auf dem Podest landete und im Qualifying einen Unfall baute, winkt er ab: "In Baku war es nicht wirklich meine Schuld, weil ich da eine seltsame Motoreneinstellung hatte." Im Gegensatz dazu sei sein Sieg in Monaco sein Lieblingsrennen gewesen.

Rosberg: Nix mit konservativ...

Im Gedächtnis blieben vielen aber auch Hamiltons schlechte Starts, die ihn um einige gute Ergebnisse gebracht haben - zumindest um Rennsiege, denn meist konnte er noch auf Rang zwei zurückfahren. "Trotz der ganzen schlechten Starts bin ich immer mit großem Kämpferherz zurückgekommen, und darauf kann ich stolz sein. Trotz der Fehler am Anfang habe ich alles gegeben", betont er und will sich auch an die schlechten Rennen erinnern, "weil es genau die sind, die einen die Siege mehr schätzen lassen."

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Immer nur Zweiter, trotzdem nicht konservativ unterwegs: Nico Rosberg Zoom Download

Doch Schluss mit dem Rückblick: Viel interessanter ist doch der Ausblick auf das Rennen, das an diesem Wochenende einen neuen Weltmeister krönen wird. Die Fans sind schon gespannt darauf, welche Taktik sich die Fahrer zurechtlegen, um am Ende vorne zu sein. Während Hamilton alles auf Sieg setzen muss, reicht Rosberg schon ein dritter Platz für den Titel. Das Zauberwort, das den Deutschen in den vergangenen Wochen begleitete, heißt "konservativ".

Er habe ein wenig Siegeswillen vermissen lassen und es zuletzt auch in Brasilien "konservativ" angehen lassen, weil er wisse, dass er nicht siegen muss, heißt es. Doch darauf angesprochen, kontert Rosberg: "Das würdest du nicht sagen, wenn du mit uns im Rennwagen gesessen hättest. Ich bin hier, um zu gewinnen - und nicht um daran zu denken, wer vielleicht zwischen uns kommen kann oder gleich hinter mir ist. Ich habe ein siegfähiges Auto und die Form, um es zu schaffen."

Bremst Hamilton Rosberg taktisch ein?

Das hat allerdings auch Teamkollege Lewis Hamilton, der drei Siege in Folge gewinnen konnte. Das reicht ihm am Sonntag aber nicht, er braucht auch Gegner zwischen sich und Rosberg: Jetzt packen die Journalisten die Taktikkniffe aus: "Würdest du Rosberg in das Feld einbremsen, wenn du nach der ersten Kurve in Führung liegst?", lautet daher eine Frage aus dem Publikum.

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Lewis Hamilton will sich noch nicht in die taktischen Karten blicken lassen Zoom Download

Hamilton überlegt kurz. "Die Taktik muss am Sonntag kommen. Ich habe noch nicht daran gedacht", sagt er. "Ich möchte so weit wie möglich in Führung liegen. Wenn man eine große Führung hat, ist das für deinen Gegner ein schwerer Schlag. Ohne rote Flaggen wäre ich im vergangenen Rennen 30 Sekunden voraus gewesen, und das ist eine größere Leistung, als den eigenen Teamkollegen aufzuhalten." Außerdem sei das praktisch hier gar nicht umzusetzen: "Man hat zwei lange DRS-Zonen, von daher wäre das nicht weise."

"Ich habe mit meinen Ingenieuren natürlich die Geschichte des Rennens angeschaut. Wo die guten und schlechten Dinge sind und woran ich arbeiten kann", so Hamilton weiter. "Hier gibt es im ersten Sektor nur eine Linie, und es ist schwierig, seinem Vordermann zu folgen. Man braucht einen Vorteil von rund einer Sekunde, um das Auto vor einem zu überholen. Das ist ein ziemlich großes Delta bei diesem Rennen. Ich weiß, wie schwierig es hier ist, aber mit dem gleichen Glauben, mit dem ich die restlichen Rennen gewinnen konnte, gehe ich nun dieses Rennen an."

Letztes Wort vom WM-Führenden

Wie das gelingen kann, hat er ja schon 2014 bewiesen, als er beim Rennen mit doppelten Punkten gegen Rosberg bestehen konnte. Doch darauf angesprochen, wähnt sich der Brite nun in einer anderen Position: "2014 war ein turbulentes Jahr. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen und kamen zum letzten Rennen mit doppelten Punkten. Ich habe die Nacht vor dem Rennen nicht geschlafen - das war das einzige Mal."

"Meine Mechaniker und Ingenieure haben so hart gearbeitet, um beim letzten Rennen zu sein. Wenn man dann durch einen technischen Defekt eine Meisterschaft verliert, die man verdient hat, ist das hart", sagt er. Damals kam er allerdings mit einem Vorsprung in der WM an. "In diesem Jahr ist es anders", sieht er den psychologischen Vorteil. "Wir haben hart gearbeitet, aber wir sind nicht in der Position, für die wir gearbeitet haben. Trotzdem geben wir Gas. Wir sind enorm fokussiert, und ich bin stolz auf meine Jungs."

Übrigens: Hamiltons Monolog setzt sich auch in den kommenden Minuten fort. Er philosophiert über seine gute Freundin Serena Williams und spricht über den Tod seines intimen Arztes Aki Hintsa, für den er das Rennen gewinnen möchte ("Ich bin hier, um ihn stolz zu machen"). Rosberg sitzt derweil etwas unbeobachtet an seiner Seite und hört zu, doch die Ehre der letzten Frage bekommt der derzeitige WM-Führende.

"Was ist dir wichtiger: der Sieg an diesem Wochenende oder der WM-Titel?", wird Rosberg gefragt. "Für mich ist es am wichtigsten, eine tolle Performance zu zeigen, denn das bringt mir beides", antwortet er. "Ich werde alles geben, um die bestmögliche Performance zu zeigen - so wie in den anderen Rennen. Ich werde es einfach halten und alles auf Sieg setzen. Ich denke nicht an das Hätte, Wäre und Wenn. Das wäre für mich nicht der richtige Ansatz." Und damit ist das erste Duell in Abu Dhabi beendet. Wie es ausgeht, steht erst am Sonntag fest.

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