"Fantastische Fahrt": Verstappens Stern geht im Regen auf
Max Verstappen erlebte in Brasilien die ganzen Facetten eines Formel-1-Rennens: Von starken Manövern, Schreckmomenten und einem echten Happy End
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen hat es wieder geschafft: Der Niederländer wurde offiziell zum Fahrer des Tages des Formel-1-Rennens von Brasilien gewählt. Bei der Regenschlacht von Interlagos fuhr der Red-Bull-Pilot hinter Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf den dritten Platz. Doch im Gegensatz zu den Silberpfeilen konnte er dafür nicht ruhig an der Spitze brausen, er musste sich nach diversen taktischen Wechseln an der Box immer wieder durch das Feld kämpfen.
"Das war ein unglaubliches Rennen mit den roten Flaggen und den schwierigen Bedingungen", pustet der Youngster nach dem Abenteuer Sao Paulo durch. Stolze fünf Mal war Verstappen im Rennverlauf in der Box - beide Rotphasen mit einberechnet. Dafür sorgte vor allem die Pokerstrategie seines Red-Bull-Teams, denn zweimal schickte man ihn auf Intermediates wieder ins Feld, bevor es wieder stärker zu regnen begann und man wieder wechseln musste.
Doch durch die Situation konnte der 19-Jährige zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist: "Ich konnte ein paar großartige Überholmanöver zeigen, und dann noch bis auf das Podium zu kommen, ist natürlich unglaublich", strahlt er. Für sein Rennen gab es Lob von Teamchef Christian Horner: "Es war eine fantastische Fahrt. Er hat das Podium heute verdient", zollt der Brite dem Youngster seinen Respekt, und selbst Papa Jos muss zugeben: "Ich habe so etwas noch nicht gesehen. Das hat sogar mich überrascht."
Horner: Wolffs Anruf ohne Wirkung
Während seiner Fahrt auf Rang drei sind vor allem zwei Manöver im Gedächtnis geblieben: Das erste war ein Manöver gegen WM-Spitzenreiter Nico Rosberg gegen Mitte des Rennens, als er den Deutschen in Kurve 3 außenherum alt aussehen ließ. "Das ist enorm mutig. Er schaut nach außen und nimmt dann das Momentum dort mit. Das war ein fantastisches Manöver", zeigt sich Teamchef Horner begeistert und gibt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff eine Spitze mit: "Ich glaube, es zeigt, dass Totos Anruf keinen Einfluss darauf hat, wie Max Rennen fährt." Zuvor hatte der Österreicher bei Papa Jos angeklingelt, damit Max nicht in den WM-Kampf eingreift.
Das zweite war eine strittige Situation gegen Sebastian Vettel, den er in der Linkskurve vor der Bergauf-Geraden ein wenig von der Strecke drängte. Der Ferrari-Pilot beschwerte sich zwar, doch die Rennleitung untersuchte den Fall nicht. Außerdem habe Vettel zuvor ein ähnliches Manöver begangen, meint Horner: "Was man nicht sehen konnte: In Kurve 4 der gleichen Runde hat ihn Seb ebenfalls nach außen gedrängt. Das ist Racing zwischen zwei Rennfahrern. Er hat ihm genügend Platz gelassen", so der Brite.
Vor allem fiel auf, wie Verstappen seine Gegner überholte: Immer wieder fuhr er - speziell in Kurve 3 - eine sehr weite Linie, um dann mehr Schwung zu haben. "Er ist viel Kart gefahren. Diese Erfahrung und Linien hat er genutzt", lobt Horner und sagt: "Er war absolut furchtlos in fürchterlichen Bedingungen. Er hat bewiesen, was für ein großartiges Talent er ist."
Erst Schreck, dann Aufholjagd
Eine Schrecksekunde hatte der Red-Bull-Pilot allerdings doch zu überstehen: Nachdem er sich Rosberg geschnappt hatte, drehte sich Verstappen beinahe vor der Boxeneinfahrt, konnte einen Einschlag jedoch vermeiden. "Ich habe den Randstein innen berührt und bin weggerutscht", schildert er den Vorfall. "Ich habe alle vier Reifen blockiert und konnte den Einschlag in die Leitschiene so gerade eben verhindern. Das war 50 Prozent Glück und 50 Prozent Können."
Trotzdem riskierte der Niederländer im Anschluss für den Sieg noch einmal einen Wechsel auf die vermeintlich schnelleren Intermediates, nur um dann festzustellen, dass der Regenreifen die bessere Alternative ist, weil er gegen Rennende im letzten Sektor nicht mehr ordentlich fahren konnte. Aus Sicherheitsgründen habe man während der letzten Safety-Car-Phase entschieden, noch einmal den Platz aufzugeben und auf Regenreifen zu wechseln.
Auf Rang 16 ging es für ihn dann darum, noch so weit wie möglich nach vorne zu kommen. "Ich habe einfach weitergemacht und Gas gegeben", sagt Verstappen und sieht die Entscheidung der Intermediates im Nachhinein als nicht so schlimm an. Zwar habe man dadurch einen möglichen Sieg verspielt, "aber ich hatte dadurch mehr Spaß", lacht er. "Wir fahren in diesem Jahr sowieso nicht um die WM."
Verstappen wie Senna und Schumacher?
Und so mag der Niederländer zwar nicht das Rennen, aber viele Motorsport-Herzen gewonnen haben, wie Teamchef Christian Horner glaubt: "Wie er die letzten 15 Runden gefahren ist, das war unglaublich. Die Reaktionen vom Publikum waren total angeheizt, als er auf Rang drei fuhr." Das Publikum würdigte die Fahrt mit Applaus - und eben mit dem offiziellen Titel des Fahrer des Tages. Und Horner widmet die Leistung dem kürzlich verstorbenen Teamtechniker Mark Simpson: "Auf genau so eine Fahrt wäre er stolz gewesen", sagt der Brite.
Horner geht sogar noch eine Stufe weiter und vergleicht Verstappens Brasilien-Rennen 2016 mit Ayrton Senna in Monaco 1984 und Michael Schumacher in Barcelona 1996, wo beide Legenden ihre ganze Klasse im Regen zeigten: "Man kann das schon mit diesen großartigen Momenten vergleichen", sagt er auf die beiden Grands Prix angesprochen. "Man sieht nicht häufig ein Rennen wie dieses. Was wir heute gesehen haben, war etwas wirklich Besonderes."
Ricciardo im Pech: Boxengasse nicht offen
Etwas unter ging daher die Leistung seines Teamkollegen Daniel Ricciardo. Der Australier erlebte ein ebenso verrücktes Rennen, wurde am Ende aber "nur" wenig beachteter Achter. Laut Teamchef Horner habe der Malaysia-Sieger mit Problemen am Visier gekämpft, die sein Rennen behindert hätten. Der Regen sei nicht richtig abgelaufen, wodurch sein Visier immer wieder beschlug. "Er konnte wenig sehen. Das müssen wir verstehen", kündigt Horner an.
Zudem wurde Ricciardo durch eine Fünf-Sekunden-Strafe gehandicapt, weil er nach dem Unfall von Marcus Ericsson (Sauber) an die Box kam, obwohl diese geschlossen war - Verstappen hatte die Einfahrt zuvor noch knapp unter Grün erwischt. Ein vermuteter Plattfuß durch Trümmerteile habe sich allerdings als falsch herausgestellt. "Er hat die Lichtsignale nicht gesehen, und wir haben es auch verpasst. Es ist schade, dass er die fünf Sekunden bekommen hat, aber er hat gut zurückgeschlagen", so Horner.