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Toto Wolff: Lewis Hamiltons Sieg hing am seidenen Faden
Wieso Lewis Hamilton bereits in der Aufwärmrunde ein Startdrama befürchtete, Mercedes einen Crash riskierte und Paddy Lowe an 2005 dachte
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamiltons Sieg in Mexiko sah abgesehen von seinem Abschneider in der ersten Kurve wie eine Spazierfahrt aus. Was die meisten nicht wissen: Der WM-Herausforderer und sein Mercedes-Team mussten lange um das Auto Hamiltons zittern und gerieten sogar in einen Interessenskonflikt. "In jedem anderen Rennen hätten wir ihn an die Box geholt und das Rennen verloren", gesteht Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Aber wir wollten, dass er die WM nicht verliert."
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Eine verglaste Bremse hätte Hamiltons Sieghoffnungen beinahe zunichte gemacht Zoom Download
Das Problem begann bereits vor dem Start: Hamilton kämpfte in der Aufwärmrunde mit einer verglasten Bremse - ein Phänomen, das bei niedrigen Temperaturen bei Karbon-Bremsen auftreten kann. Im Normalfall ist damit das Rennen erledigt, da die Bremse unwirksam wird und auch die Reifentemperaturen in den Keller fallen.
"Ich konnte meine verglaste rechte Vorderbremse einfach nicht aufwecken", erzählt der dreimalige Weltmeister. "Links vorne betrug die Temperatur 500 Grad und rechts vorne nur 150 bis 200 Grad." Beim Anbremsen der ersten Kurve wurden Hamiltons Befürchtungen wahr: "Die rechte Vorderbremse hat einfach nur blockiert." Der Brite raste mit Geschwindigkeitsüberschuss über die Wiese und kürzte die Strecke ab.
Hamilton fürchtete Mauercrash
"Ich war so schnell, dass ich Glück hatte, nicht in die Mauer zu krachten", sagt Hamilton. Die Aktion ging gut, und der Mercedes-Pilot kam mit einem klaren Vorsprung auf Titelrivale Nico Rosberg auf die Strecke zurück. Doch die Probleme waren noch lange nicht ausgestanden. "Ich hatte massive Vibrationen", schildert er. "Ich wusste nicht einmal, ob ich den ersten Stint damit schaffe, denn in der Bremszone zur ersten Kurve konnte ich kaum etwas sehen."
Am Mercedes-Kommandostand sah man währenddessen das gesamte Ausmaß des Problems. Die Vibrationsmatrix war von Anfang an beängstigend", bestätigt Wolff. Um eine Lösung zu finden, steckten der leitende Streckeningenieur Simon Cole, der Technikverantwortliche Paddy Lowe und Wolff die Köpfe zusammen. "Wir besprachen, Lewis aus Sicherheitsgründe hereinzuholen."
Böse Erinnerungen: Lowes Nürburgring-Trauma
Unter normalen Umständen hätte man nicht lange überlegt, denn das Problem hätte zu einem bösen Unfall führen können. Bei Ex-McLaren-Mann Lowe wurden Erinnerungen an das Rennen auf dem Nürburgring im Jahr 2005, als bei Kimi Räikkönen kurz vor Schluss die Radaufhängung zu Bruch ging. Der Sieg war damit dahin. "Das war schmerzhaft, und es geschah unter ähnlichen Umständen", bestätigt der Brite.
Und Wolff wirft ein: "Wir mussten die Gefahr, dass er den Titel verliert, mit der Gefahr eines Aufhängungsbruchs abwägen." Im Cockpit spitzte sich die Situation währenddessen zu, wie Hamilton beschreibt: "Es wurde immer schlimmer, obwohl ich vorsichtig war. Ich musste unterschiedliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um das Auto um den Kurs zu tragen."
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Die Daten bestätigten Hamiltons Wahrnehmung. "Wir haben seinen Boxenstopp dann ein bisschen vorgezogen, weil die Vibrationsmatrix in den Himmel schoss", erklärt Wolff die Entscheidung, ihn in der 17. Runde hereinzuholen. "Es hätte leicht zu einem Aufhängungsbruch kommen können. Das war aber der frühestmögliche Boxenstopp. Alles andere hätte sein Rennen zerstört. Wir befanden uns in keiner angenehmen Situation, als wir ihn hereinholten."
Ausgleichende Gerechtigkeit?
Danach durften alle Beteiligten aufatmen. "Mit den frischen Reifen lief alles viel glatter", bestätigt Hamilton. Und Wolff weiß: "Nach all dem Pech, das Lewis diese Saison hatte, hat er heute etwas zurückbekommen." Denn das Szenario hätte genausogut in einem Ausfall enden können. Hamilton fuhr mit dem Medium-Pneu einen sicheren "Gras-Ziel-Sieg" ein, wie er später scherzt. An der Einstopp-Strategie gab es aus Mercedes-Sicht nie ernsthaft Zweifel. "Und als wir an Ricciardos Auto sahen, wie robust der Medium-Reifen ist, war klar, dass das der richtige Weg ist", ließen sich die Silberpfeile laut Wolff vom direkten Konkurrenten inspirieren.
Nur Hamilton, der laut eigenen Angaben "deutlich schneller" hätte fahren können, traute dem Braten bis zum Schluss nicht so recht. "Ich habe auf den Motor gehört", sagt er. "Ich musste nie pushen, und es war recht entspannt. Ich habe also wirklich versucht, den Motor zu schonen, und ich habe meinen Fahrstil in den Kurven angepasst, also habe ich viel mehr Sprit gespart als normal."