• 09. Oktober 2016 · 15:50 Uhr

Blaue Flaggen: Nur Kimi Räikkönen schäumt noch vor Wut

Sebastian Vettel lässt mit den Hinterbänklern Milde walten und spricht Komplimente aus, doch der Finne ist nach wie vor stinksauer - Strecke in Suzuka als Ursache?

(Motorsport-Total.com) - Das Rennen zum Japan-Grand-Prix hat die Diskussion um das Verhalten überrundeter Fahrer neu entfacht. Sebastian Vettel, der sich im Funk heftig über Manor-Pilot Pascal Wehrlein beklagt hatte, zeigt sich nach der Zieldurchfahrt versöhnlich - nicht aber sein Teamkollege Kimi Räikkönen, der von "verrückten" Konkurrenten spricht. Es geht um die Frage, ob die Kurscharakteristik in Suzuka zu Problemen geführt hätte oder ob es Hinterbänklern an Kooperationsbereitschaft mangeln würde.

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Bedient: Kimi Räikkönen hätte sich mehr Kooperationsbereitschaft gewünscht Zoom Download

Davon ist der Finne überzeugt: "Ich verstehe, dass sie ihren eigenen Kampf austragen, aber es ist nicht so schwierig, jemanden vorbeizulassen", schüttelt Räikkönen dem Kopf, nachdem auch er seinem Renningenieur ins Ohr geflucht hatte. "So eine Strecke mag es schlimmer machen, aber einige von ihnen waren verrückt." Die Begründung, dass in Kurven Platz zu machen ein zu großes Opfer wäre, um einer blauen Flagge gerecht zu werden, will der Ex-Weltmeister nicht durchgehen lassen: "Man wird immer Zeit verlieren. Sie liegen eine Runde zurück - das gehört zum Geschäft."

Das Problem in Japan ist, dass viele schnelle Kurven aufeinanderfolgen und abseits der Ideallinie viel Gummiabrieb liegt. Wer die Innenbahn freigibt, um jemanden durchzuwinken, verliert nicht dann in einem kompletten Abschnitt Tempo und Zeit. Hinzu kommt, dass er besonders stark vom Gas gehen muss und einen Ausrutscher riskiert, weil es auf der Außenseite so wenig Grip gibt.

Nico Rosberg bleibt einfach cool: Beschwerden bringen nichts

Vettel hat Verständnis dafür und lässt mit weniger Testosteron und Pulsfrequenz Milde walten: "Die Jungs vor mir hätten es nicht besser machen können, wirklich!", nimmt er seine Kontrahenten in Schutz und spielt auf die Tücken des Kurslayouts an: "Es gibt so viele aufeinanderfolgende Kurven. Da kann man nicht erwarten, dass jemand zur Seite geht. Sonst verliert man so viel Zeit." Er sei eben häufig zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf Verkehr getroffen - selten auf den Geraden, sondern meistens vor dem schnellen Geschlängel in Sektor eins, wo es keinen Weg vorbei gibt.

Wehrlein hatte den roten Renner bis zur Haarnadelkurve in den Rückspiegeln, als er die Türe aufmachte und die Schelte Vettels per Handzeichen erntete. "Ich habe keine Strafe bekommen. Deswegen glaube ich, dass alles in Ordnung war", sagt der DTM-Champion. Die erhobene Hand erkannte Wehrlein, verstand aber nicht, woher die Aufregung kam. Er ist überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. "Sonst hätte ich eine Strafe bekommen", verweist er auf die Rennleitung, die sogar auf eine Untersuchung verzichtete. Und auch Vettel erteilt ihm Absolution.

Zeit bei Toro Rosso: Vettel kennt die Kehrseite der Medaille

"Die Diskussionen gibt es, seitdem es das Rennfahren gibt. Ich habe auch schon die andere Seite erlebt", erinnert sich der Ferrari-Star an längst vergangene Zeiten bei Toro Rosso und erkennt ein Geben und Nehmen, bei dem niemand dauerhaft einen Nachteil hätte. "Einige verhalten sich besser als andere, aber sie fahren auch ihr eigenes Rennen. Manchmal verliert man mehr, manchmal gewinnt man mehr. Heute haben wir mehr verloren", so Vettel mit Nachsicht, die man ihm tobend im Funk kaum zugetraut hätte. Interessant: Räikkönen, der nach einem guten Sauber-Jahr seine Karriere sofort im Topteam McLaren fortsetzte, gurkte dem Feld nie chronisch hinterher.


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Auch 'RTL'-Experte Timo Glock rät dazu, die Nerven zu bewahren.Als langjähriger Marussia-Fahrer kennt er die Situation, die blaue Flagge gezeigt zu bekommen, sich aber selbst gegen den unter ferner liefen kurvenden Teamkollegen behaupten zu wollen. "Die Frage ist, was musst du für Platz 20 riskieren? Da muss man einen Mittelweg finden", überlegt Glock und spielt den Stars den Ball zu. Sie könnten der Situation per Strategie aus dem Weg gehen.

Eine andere Frage wirft Nico Rosberg auf: Wie sinnvoll ist es, seinem Ärger mit markigen Worten im Funk Luft zu machen? "Ich habe mich über niemanden beschwert", zeigt sich der Deutsche cool. "Das ist alles kein Problem: Auch ich habe Zeit verloren, aber ich glaube nicht, dass es irgendetwas bringt, wenn man sich darüber beschwert." Wohl wahr, denn kurz nach seinem kleinen Ausraster in der Wehrlein-Szene fluchte Vettel schon wieder munter vor sich hin.

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