Formel 1 Singapur 2016: Überragender Rosberg auf Pole
Nico Rosberg deklassiert Lewis Hamilton im Qualifying in Singapur - Daniel Ricciardo mit Strategie-Vorteil - Technik-Drama um Sebastian Vettel in Q1
(Motorsport-Total.com) - Mit einer überragenden Vorstellung im Nacht-Qualifying zum Grand Prix von Singapur (Formel 1 2016 live im Ticker) hat sich Nico Rosberg seine siebte Pole-Position der Saison gesichert und im Stallduell gegen Lewis Hamilton auf 8:7 gestellt. "Eine unglaubliche Runde", staunt selbst Mercedes-Sportchef Toto Wolff über den Kraftakt seines Fahrers. "Wir hätten nicht gedacht, dass wir 1:42.5 fahren können. Das war ein Knaller!"
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Nico Rosbergs Lächeln ist ehrlich, jenes von Lewis Hamilton eher aufgesetzt Zoom Download
Rosberg deutete schon in Q2 an, dass der Weg zur Pole heute nur über ihn führen kann, als er eine Bestzeit von 1:43.020 Minuten vorlegte und Hamilton eine halbe Sekunde aufs Auge drückte. In Q3 betrug der Abstand zwischen den beiden dann sogar 0,704 Sekunden - und weil sich beide in ihrem zweiten Run nicht mehr steigern konnten, schlüpfte Daniel Ricciardo (Red Bull/+0,531) noch auf den zweiten Platz durch.
Hamiltons letzte Runde begann mit einem Fehler im ersten Sektor. Nach Ausreden sucht er nicht: "Es war bisher nicht mein Wochenende. Ich habe einfach keine Runde zusammenbekommen, und Nico hat einen super Job gemacht", gesteht er. Wolff nimmt ihn ein wenig in Schutz: "Es ist weniger auf der Fahrerseite. Sein Auto liegt schon das ganze Wochenende nicht. Wenn's nicht rund läuft, gerade auf einem Stadtkurs, wird es umso schwieriger."
Bei Rosberg trat genau der gegenteilige Effekt auf: Nach der Freitagsbestzeit lag er auch im dritten Freien Training voran - und war dann im Qualifying eine Klasse für sich. "Das war eine meiner drei besten Runden überhaupt", jubelt er, "noch dazu zu meinem 200. Grand Prix!" Fast wie ein Hohn klang es, als er nach seiner Pole-Runde am Funk meckerte: "Ich habe starkes Übersteuern am Kurveneingang, besonders im letzten Sektor."
Somit wurde es nichts mit der insgeheim erhofften Red-Bull-Pole. "Immerhin einen Mercedes geschlagen", seufzt Ricciardo, der sich mit seiner letzten Runde noch von P4 auf P2 katapultierte. Teamkollege Max Verstappen (4./+0,744) schob sich im Finish ebenfalls an Kimi Räikkönen (5./Ferrari/+0,956) vorbei. Zufrieden ist er damit nicht: "Wir waren das ganze Wochenende so stark, aber im Quali hat die Balance nicht gepasst."
Das hatte zur Folge, dass Verstappen seine Reifen nicht auf die optimale Betriebstemperatur brachte, obwohl in Q3 ohnehin mit den ultraweichen Pirellis gefahren wurde. "Der Abstand zu Rosberg ist relativ groß", bedauert Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko. Immerhin: Ricciardo und Verstappen qualifizierten sich auf Supersoft für Q3 und haben damit morgen am Start die härteren Reifen als Rosberg und Hamilton.
Vielleicht ein taktischer Vorteil? "Das sollte uns mehr Flexibilität für die Rennstrategie geben", glaubt Marko, der mit dem Qualifying "alles in allem zufrieden" ist. Und Ricciardo hofft: "Ich glaube, das ist eine gute Sache. Wir werden sehen, ob es morgen etwas bringt." Räikkönen fehlten auf die zweite Reihe indes mehr als zwei Zehntelsekunden. "Meine erste Runde war okay", sagt er. "In der zweiten hatte ich einen Fehler in der ersten Kurve und im letzten Sektor."
Immerhin steht der "Iceman" viel besser da als Vorjahressieger Sebastian Vettel. Für den Deutschen war das Qualifying ohne eine einzige Rundenzeit schon nach Q1 zu Ende. "Ich denke, dass der Stabi gebrochen ist", erklärt er. Damit war er völlig chancenlos, weil nicht alle Räder Bodenkontakt hatten. Als ihn Ferrari bat, trotzdem auf eine schnelle Runde zu gehen, motzte er nur: "Das war dumm! So verlieren wir nur Zeit."
Vettel könnte nun - weil er ohnehin schon ganz hinten steht - den gleichen Trick anwenden wie Hamilton in Spa-Francorchamps und bei dieser Gelegenheit ein paar neue Antriebseinheiten in seinen Pool für den Rest der Saison ziehen. Das würde zumindest das Risiko einer späteren Grid-Strafe eliminieren. Aber zunächst einmal gilt es, ausgerechnet auf dem physisch anspruchsvollen Stadtkurs eine gewaltige Aufholjagd zu starten.
Ob ihn die in die Top 6 führen wird, ist mehr als fraglich. Denn in Singapur überraschten heute Außenseiter wie Carlos Sainz (6./+1,613) und Daniil Kwjat (7./beide Toro Rosso/+1,885), die ihre starke Trainingsform bestätigen konnten, oder auch Fernando Alonso (9./McLaren/+1,969), der mit ein bisschen Glück in die Top 10 rutschte. Glück deshalb, weil ihm eine Gelbphase am Ende von Q2 zu Hilfe kam.
Alonso war an der Unfallstelle von Romain Grosjean (15./Haas) schon vorbei, einige seiner direkten Konkurrenten aber nicht. Und so schieden zum Beispiel die beiden Williams aus - Valtteri Bottas nur um 0,003 Sekunden gegen Nico Hülkenberg (Force India), der am Ende guter Achter wurde. Gegen den zehntplatzierten Hülkenberg-Teamkollegen Sergio Perez läuft noch eine FIA-Untersuchung: Er hat unter gelber Flagge überholt.
Für das Manor-Team war Q2 diesmal in weiter Ferne. Und so ging es für Pascal Wehrlein in erster Linie darum, Esteban Ocon im dritten Qualifying zum dritten Mal zu schlagen. Das gelang ihm eindrucksvoll: 0,629 Sekunden Vorsprung. "Mehr war nicht möglich. Ich hatte zwar in meiner Runde einen kleinen Fehler drin, aber ansonsten war sie super", sagt er. Dabei fuhr er mit den alten Aero-Teilen, weil nach dem FT3-Crash nicht genug Ersatzteile parat waren.
Rosberg glaubt nun, eine gute Ausgangsposition zu besitzen, morgen eventuell die WM-Führung zu übernehmen. Momentan fehlen nur zwei Punkte. "Hier ist das Qualifying schon sehr wichtig", sagt er. Aber er betrachtet Hamilton nicht als seinen einzigen Gegner: "Red Bull war im Rennspeed am Freitag noch schneller, und sie fahren auch mit den härteren Reifen los. Die müssen wir bis zum ersten Boxenstopp im Auge behalten."