• 28. August 2016 · 15:50 Uhr

Formel 1 Belgien 2016: Nico Rosberg nutzt Favoritenrolle

Nico Rosberg verwertet den "Elfmeter" und gewinnt in Spa, Lewis Hamilton fährt von P21 auf P3 - Kevin Magnussen überlebt Horrorcrash in Eau Rouge

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg hat seine günstige Ausgangsposition beim Grand Prix von Belgien genutzt und das 13. Saisonrennen in Spa-Francorchamps gewonnen. An einem chaotischen Nachmittag hielt sich der Mercedes-Fahrer aus allen Problemen raus, lieferte eine fehlerfreie Leistung ab und verkürzte damit seinen Rückstand in der Weltmeisterschaft von 19 auf zehn Punkte. Denn sein Rivale Lewis Hamilton wurde nach einer von äußeren Umständen begünstigten Aufholjagd Dritter.

Entscheidend für den Ausgang des Rennens war letztendlich schon die erste Kurve. Rosberg erwischte einen perfekten Start, doch neben ihm kam Max Verstappen (Red Bull) auf den ersten Metern schlecht weg. Der "halbe Lokalmatador" sah innen eine Chance, sich wieder an den Ferraris vorbeizuschwindeln, und löste damit eine Kettenreaktion aus, die sowohl Kimi Räikkönen als auch Sebastian Vettel jede Chance auf einen Podestplatz kostete.

Vettel und Räikkönen mussten nach der ersten Runde zur Reparatur an die Box, bei Räikkönen begann sogar das Auto zu brennen. Die Rennleitung machte für die Aktion keinen Schuldigen aus; wenn, dann wäre das aber noch am ehesten Vettel gewesen. Der zog nämlich von außen nach innen und sorgte so dafür, dass Räikkönen im Duell mit Verstappen der Platz ausging. Die beiden Ferraris berührten sich bereits, noch bevor Verstappen Räikkönen touchierte.

"Dass noch ein Auto innen ist und Kimi nicht reinziehen kann, um mir Luft zu lassen, kann ich klarerweise nicht riechen", rechtfertigt sich Vettel und attackiert Verstappen dafür, vom vierten, fünften Platz aus zu meinen, man müsse als Zweiter durch die erste Kurve fahren - eine Kritik, die vom 18-jährigen Niederländer abprallt: "Kimi hat mir keinen Platz gelassen." Was die anderen sagen, sei ihm sowieso "egal".

Das emotionalisierte Duell Ferrari gegen Verstappen war damit noch lange nicht beendet. Richtig sauer wurde Räikkönen, als Verstappen jenseits der 300 km/h Zentimeter vor seiner Nase die Spur wechselte. Auch dafür gab's keine Strafe. "Die FIA scheint andere Vorstellungen als ich davon zu haben, was faires Racing ist", tobt Räikkönen. "Wenn du dich auf den anderen nicht mehr verlassen kannst, wird es irgendwann einen bösen Unfall geben."

Mercedes-Boss Niki Lauda findet sogar, Verstappen gehöre "in die Psychiatrie", und auch Formel-1-Experte Marc Surer stuft den Spurwechsel bei Kemmel als "gefährlich" ein. Aber auch das tangiert Verstappen wenig: "Ich glaube, es war fair. Sonst hätten die Stewards eine Strafe ausgesprochen." Das taten sie ebenso wenig wie später bei seinem mit harten Bandagen geführten Duell gegen Vettel, den er einmal unter frenetischem Jubel auskonterte, ehe er klein beigeben musste.

Verstappen beendete den Grand Prix als Elfter, 5,3 Sekunden hinter Felipe Massa (Williams). "Er ist mit einem echt krummen Auto mit Müh und Not ins Ziel gekommen", sagt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko. Vettel wurde Sechster, Räikkönen Neunter. Begünstigt wurde die Ferrari-Aufholjagd durch eine Unterbrechung wegen eines Unfalls von Kevin Magnussen. Der Renault-Pilot flog in Eau Rouge ab und musste mit einer Knöchelverletzung ins Krankenhaus gebracht werden.

Bereits vor der roten Flagge hatte Nico Hülkenberg (Force India) Reifen gewechselt. Der Deutsche fiel dadurch vom zweiten auf den dritten Platz zurück, schien aber zunächst vom Safety-Car zu profitieren. Sein Pech: Die Regel, wonach bei Rennabbruch nicht mehr Reifen gewechselt werden darf, greift erst 2017. "Die rote Flagge war frustrierend", ärgert er sich. "Ich hatte eine mega erste Runde. Ich profitierte von dem Clinch zwischen Max und den Ferraris."

"Nico konnte sich von mir absetzen, aber ich mich von denen hinter mir", so Hülkenberg. In der Tat hatte er schon mehrere Sekunden Puffer auf Platz drei, als er zum Reifenwechsel kam, dessen Vorteil durch den Magnussen-Crash zunichte gemacht wurde. Am Ende lag Hülkenberg nach dem letzten Hamilton-Boxenstopp kurz auf Podiumskurs, aber gegen den Silberpfeil mit frischeren Reifen war letztendlich kein Kraut gewachsen.

Beifall erntete Hülkenberg (der seinen Teamkollegen Sergio Perez auf Platz fünf verwies), als er sich in der Boxenausfahrt in einem harten Duell gegen Fernando Alonso (McLaren) behauptete. Der Spanier lag nach dem Restart sensationell vor Hamilton an vierter Stelle und beendete das Rennen als Siebter. Achter wurde Valtteri Bottas, der vom Williams-Team im Finish an Massa vorbeigewinkt wurde, um Jagd auf Alonso zu machen. Massa verlor dadurch eine Position an Räikkönen.

Die sensationelle Aufholjagd von Hamilton (P21 auf P3) war begünstigt durch den Rennverlauf. Zuerst kam der Mercedes-Star sauber durch die erste Runde und profitierte von der Startkarambolage zwischen Verstappen und den Ferraris; danach kamen Safety-Car und Rennunterbrechung zum für ihn optimalen Zeitpunkt. Beim Restart war er noch Fünfter, Alonso und Hülkenberg hatte er aber schnell bezwungen.

Von da an war Platz drei abgesichert, auch wenn er kurzzeitig hinter Hülkenberg zurückfiel. "Ich kann nicht glauben, dass ich so weit nach vorne gekommen bin", jubelt er über die Schadensbegrenzung in der WM-Wertung. "Das ist das beste Ergebnis, das ich mir erhoffen durfte. Ich hatte so mit Platz zehn gerechnet. Dass es Platz drei wurde, lag auch am Safety-Car. Und unsere Performance war heute besser als erwartet."

Von P20+ auf das Podium, das hat Hamilton heute zum dritten Mal nach Deutschland und Ungarn 2014 geschafft. In der Fahrer-WM führt er nun nur noch zehn Punkte vor Rosberg. Der freut sich über seinen zweiten Sieg in den vergangenen neun Rennen: "Auf dieser legendären Strecke zu gewinnen, ist echt cool", strahlt Rosberg, der heute einen Teddybär von Töchterchen Alaia als Glücksbringer dabei hatte.

Den zweiten Platz sicherte sich Daniel Ricciardo (Red Bull), ebenfalls einer der Profiteure der chaotischen Startrunde. Ohne Safety-Car wäre der Australier wohl nicht auf dem Podium gestanden, weil seine Frontpartie beschädigt war und während der Rotphase gewechselt werden konnte. "Er hat wahnsinnig viel Abtrieb verloren", bestätigt Marko und ist angesichts dessen sehr zufrieden: "Mehr als der zweite Platz war nicht drin."

Bitter aus deutscher Sicht: Pascal Wehrlein schied nach einer Kollision mit Jenson Button (McLaren) früh aus. "Vor ihm hatten sich zwei Fahrer verbremst. Ich wollte erst außen vorbei. Sie sind dann aber zurück in die Spur gekommen. Ich wollte dann innen vorbei, aber es hat eben nicht mehr gereicht. Dann bin ich hinten drauf gefahren", analysiert der Manor-Rookie und ergänzt: "Ich bin sehr enttäuscht. Das hätte unser Rennen werden können."

In der Weltmeisterschaft hat Hamilton nun 232 Punkte und führt vor Rosberg (222) und Ricciardo (151). Vettel (128) liegt an vierter Position. Bei den Konstrukteuren haben nur noch drei Teams Titelchancen: Mercedes ist praktisch durch (455 Punkte), Red Bull (274) und Ferrari (252) fighten um den zweiten Platz. Weiter geht's bereits am kommenden Freitag mit dem Grand Prix von Italien in Monza, dem Europa-Finale der Formel 1 2016.

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