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Am Freitag nur geblufft: Mercedes Favorit auf den Sieg
Mercedes sieht sich selbst für morgen in der Favoritenrolle, blickt aber gebannt auf den Start - Hamilton will nach Qualifying-Fehler im Rennen zurückschlagen
(Motorsport-Total.com) - Mercedes hat seine Favoritenstellung auch auf dem Hockenheimring wieder einmal unter Beweis gestellt. Nico Rosberg holte sich bei seinem Heimspiel die Pole-Position vor Teamkollege Lewis Hamilton und geht daher mit der besten Ausgangslage in den morgigen Großen Preis von Deutschland. Die Konkurrenz von Red Bull wittert aufgrund von nur 0,363 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit Morgenluft, doch sind die Silberpfeile wirklich zu knacken?
Die Longruns geben den Bullen Grund zum Optimismus, denn am Freitag war Red Bull auf Augenhöhe mit Mercedes unterwegs und teilweise sogar konstanter. "Wir machen uns immer Sorgen", erklärt Mercedes' Motorsportchef Toto Wolff vor dem morgigen Rennen, sagt aber auch, dass die Silbernen wohl noch ein Ass im Ärmel haben könnten. "Am Freitag war immer viel Bluffen angesagt, und am Sonntag ist es für uns immer gut gelaufen."
Somit dürfte Mercedes in den Freien Trainings noch nicht alles gezeigt haben und noch Raum für Verbesserung haben. Taktisch hat man mit der ersten Startreihe ohnehin die Vorteile auf seiner Seite, weil man die Konkurrenz so im Zaum halten kann und sie in der verwirbelten Luft dazu zwingen kann, die Reifen schneller aufzubrauchen. "Ich bin ganz optimistisch", sagt Wolff über den Sieg, "aber ich möchte es nicht verschreien."
Hamilton ärgert sich über Qualifying
Ein Sieg wäre beim Heimspiel natürlich ein willkommenes Geschenk für den anwesenden Vorstand und die Fans, und im Normalfall stellt sich in dieser Saison nur die Frage, ob Hamilton oder Rosberg gewinnt. Heute hatte der Deutsche trotz eines Elektronikproblems die Oberhand, weil Hamilton in der entscheidenden Runde patzte. In der Haarnadelkurve verbremste er sich und verlor im Laufe der Runde durch den schlechteren Reifen Zeit um Zeit.
"Ich war zu diesem Zeitpunkt 0,26 Sekunden vorne. Ich denke, dass ich am Ausgang der Kurve vielleicht eine halbe Zehntelsekunde habe liegen lassen. Der große Zeitverlust kam erst später. In Kurve 11 waren es 0,16 Sekunden und ab Kurve 12 wurde es weniger und weniger", schildert der Brite. Über seinen Fehler ärgert er sich sehr: "Ich war Schnellster, Schnellster, Schnellster und locker wieder Schnellster am Ende, aber ich habe es nicht hinbekommen."
"Meine Mechaniker, die am Auto arbeiten, haben alle auf die Pole gehofft, und meine Ingenieure arbeiten jede Nacht bis um 1 oder um 2, von daher ist das schon eine Last, wenn man dann nicht die gleiche Leistung bringt wie sie", sagt er, will das aber nicht als etwas Besonderes sehen: "Es ist wie, wenn ihr Jungs einen schlechten Artikel schreibt, dann seid ihr auch davon angepisst", meint er in Richtung der Journalisten.
Hamilton kündigt Attacke an
Außerdem weiß der dreimalige Weltmeister, dass er morgen im Rennen noch eine Chance bekommt. "Ich schaue jetzt auf morgen, wo ich den Unterschied machen kann - und das werde ich", kündigt der Brite an. Schon in Ungarn war Hamilton nur vom zweiten Startplatz aus ins Rennen gegangen, schob sich dort allerdings bereits vor der ersten Kurve an seinem Teamkollegen vorbei und hielt die Führung bis ins Ziel.
Fotostrecke: Race by Race: Die Wende im Titelduell
Bereits zum dritten Mal in Folge entscheidet sich das Titelduell in der Formel 1 wohl zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Die beiden dominieren die Saison 2016 nach Belieben und schenken sich nichts. Nachdem es für den Deutschen zu Saisonbeginn sehr gut aussah, hat Hamilton das Blatt gewendet. Wir zeigen das Titelduell in Bildern. Fotostrecke
Auf dem Hockenheimring sieht Hamilton sogar eine größere Chance, weil er mehr Möglichkeiten hat, um an seinem Teamkollegen vorbeizugehen. "Das heißt aber nicht, dass es einfach werden wird", so der WM-Führende. Die größte Chance bietet sich für ihn aber wohl wieder einmal am Start, wo das teaminterne Duell in die nächste Runde gehen wird. Natürlich schwebt immer das Damoklesschwert einer Startkollision über dem Team, was beim Heimspiel natürlich besonders bitter wäre.
Hamilton kündigt schon an, nicht zimperlich mit seinem Teamkollegen umzugehen, nur weil die Bosse vor Ort sind: "Wir müssen unsere Arbeit erledigen, und an jedem Wochenende ist es gleich, egal ob unsere Bosse da sind oder nicht. Ich fahre wie immer", winkt er ab und trifft damit den Nerv von Toto Wolff, der dem Heimspiel auch keine Bedeutung beimessen möchte. "Weil alles im Fernsehen zu sehen ist und Millionen von Leuten zuschauen, ist es bei fast allen Rennen das gleiche", sagt der Österreicher.
Keine Angst vorm Startcrash
An den Super-GAU wie in Barcelona, wo sich beide Piloten bereits in der ersten Kurve gegenseitig herauskegelten, glaubt der Motorsportboss nicht: "Ich bin sehr zuversichtlich, weil wir ausführlich darüber gesprochen haben, wie die Konsequenzen aussehen würden. Das hat sich nicht geändert. Sie sind sich dessen bewusst", unterstreicht Wolff und betont, dass es zuletzt in Silverstone und Budapest keine Vorfälle gegeben habe. "Von daher sehe ich positive Anzeichen, dass die Nachricht angekommen ist."
Natürlich wird sich erst morgen beim Start zeigen, ob sich beide im Griff haben. In der ersten Kurve dürfte es ohnehin noch nicht zur Sache gehen, weil im schnellen Rechtsknick kein Platz für zwei Autos ist und Rosberg glaubt, dass er bis dahin ohnehin die Nase vorne haben wird: "Es gibt nur einen kurzen Weg bis zu Kurve 1, und der Asphalt ist älter, also ist Startplatz zwei ein größerer Nachteil. Es gibt also Dinge, die für mich sprechen", lacht er.
Allerdings ist die Sache in Hockenheim nicht nach Kurve 1 ausgestanden, denn vor allem bei der Anfahrt auf die Haarnadelkurve könnte der Hinterherfahrende einen Vorteil haben. Hamilton dürfte wissen, dass es für ihn dort eine Chance gibt, und es möglicherweise in der ersten Kurve ruhiger angehen lassen. "Wer immer als Erster dort hineinfährt", sagt er, wird auch als Erster auf Kurve 2 zufahren.
Sieg vor der Sommerpause wichtig?
"Es wird ein guter Kampf", glaubt Nico Rosberg, der sich natürlich gerne mit einem Heimerfolg und dadurch verbunden auch mit der WM-Führung in die Sommerpause verabschieden würde. Toto Wolff rechnet mit einem engen Duell seiner Piloten. "Sie bleiben sich von der Pace her nichts schuldig. Die haben für morgen den gleichen Speed. Klar, mit einem Sieg in die Sommerpause zu gehen, vor allem mit einer Meisterschaftsführung, ist für den Moment erst mal gut", sagt er.
Nico Rosberg beim Schumi-Benefizspiel
Vor dem Grand Prix von Deutschland gibt sich der Mercedes-pilot an der Seite von Lukas Podolski und Co. in Mainz die Ehre Weitere Formel-1-Videos
Lewis Hamilton hingegen spielt die Bedeutung des Sieges vor der Sommerpause bereits im Vorfeld herunter. "Die Bedeutung ist nicht sonderlich relevant", sagt er und verweist auf den Fakt, dass er fünf der letzten sechs Rennen gewinnen konnte. "Wir hatten einen guten Mittelstint und wenn wir morgen Erster oder Zweiter werden, sind wir immer noch in einer guten Position", so der Brite. "Aber natürlich willst du in jedem Rennen gewinnen."
Sollten sich die beiden Silberpfeil-Piloten morgen nicht in die Quere kommen, dann steht dem elften Saisonsieg im zwölften Rennen wohl kaum noch etwas im Weg. Zwar war Red Bull am Freitag nah dran, doch selbst die rechnen höchstens in Singapur noch mit einer Siegchance aus eigener Kraft - und Ferrari war heute ohnehin zu weit weg. Es bleibt die Hoffnung, dass Mercedes vielleicht ein Problem ereilt, wie heute bei Nico Rosberg. Doch das ist wohl nicht zu befürchten: "Es ist noch nie aufgetaucht, von daher sollte es für morgen in Ordnung sein", beruhigt Rosberg die Mercedes-Fans.