Gelbe Flaggen: Fahrer sehen gefährlichen Präzedenzfall
Die Fahrer verstehen nach Rosbergs Pole bei Doppelgelb die Regeln nicht mehr - einer glaubt sogar, dass die FIA bewusst mit zweierlei Maß misst
(Motorsport-Total.com) - Wie weit dürfen die Piloten bei doppelten gelben Flaggen gehen? Diese Frage spaltet nach Nico Rosbergs Pole-Position in Ungarn, die unter diesen Umständen zustande kam, die Formel 1. Am Freitag soll bei der Fahrerbesprechung darüber diskutiert werden und eine einheitliche Lösung gefunden werden, denn ein Unfall unter doppelter gelber Flagge hatte vor zwei Jahren bei Jules Bianchi in Suzuka zu tödlichen Verletzungen geführt.
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Hat Rosberg auf seiner Pole-Runde bei gelben Flaggen ausreichend verlangsamt? Zoom Download
Wurde durch Rosberg also ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen? "Absolut", sagt Lewis Hamilton, der sich um die Pole betrogen fühlte. "Wenn wir morgen in der Fahrerbesprechung nichts anderes hören, dann ist mir seit dem Hungaroring klar, dass ich trotz doppelter gelber Flagge Bestzeit fahren kann."
Der Brite fragte nach dem umstrittenen Zwischenfall sogar extra bei der Rennleitung nach - um Rosberg anzupatzen? Rosberg nimmt es mit Ironie: "Es ist interessant, dass Lewis plötzlich so ein Sicherheitsfanatiker ist und direkt zu den Verantwortlichen geht, wenn ich im Qualifying die gelben Flaggen 'ignoriere'."
Abtrocknende Strecke als Erklärung? "Blödsinn!"
Doch nicht nur Hamilton ist angesichts des Zwischenfalls aufgebracht. Der WM-Leader bekommt von Romain Grosjean Rückendeckung: "Das habe ich noch nie gesehen, dass jemand bei doppelten gelben Flaggen schneller ist als in der Runde davor und die Pole erzielt. Das kann es nicht sein, außer es handelt sich um eine abtrocknende Strecke. Und es wurde nicht bestraft, also werden die Piloten nun immer weiter gehen."
Tatsächlich war die Strecke zu Beginn des Qualifyings feucht, doch Jenson Button schließt aus, dass das auf Rosbergs Runde einen Einfluss hatte. "Blödsinn, dass die Strecke nur in der entscheidenden Runde trocken war", schimpft der McLaren-Routinier, der in Q3 selbst mitfuhr. "Beide Versuche in Q3 fanden bei komplett trockenen Bedingungen statt. Da kann man nicht schneller fahren, außer man hat beim ersten Versuch einen großen Fehler gemacht. Das ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes. Die Runde sollte weg sein!"
Alonso: FIA macht, was sie will
Noch weiter geht Stallrivale Fernando Alonso. Er wirft der FIA sogar vor, die Regeln so anzuwenden, dass die Weltmeisterschaft spannend bleibt. "In meinen 16 Formel-1-Jahren gibt es solche Zwischenfälle jedes zweite Rennen, und normalerweise passiert gar nichts. Es hängt immer davon ab, um wen es geht und wie die WM steht." Und er nützt die Gelegenheit, um auf seinen Erzrivalen Sebastian Vettel zu schießen: Der habe beim WM-Finale 2012, als Alonso den Titel verlor, bei doppelter gelber Flagge sogar überholt.
"Es gab zwar ein bisschen Polemik, aber nach zwei Wochen war alles okay", gießt Alonso Öl ins Feuer, obwohl der Fall damals aufgeklärt wurde. Sein damaliger Teamkollege Felipe Massa bestätigt, dass ein Missachten der doppelten gelben Flaggen früher nicht geahndet wurde, seit dem Bianchi-Unfall habe sich das Verhalten der Piloten aber geändert.
"Man musste seitdem extrem verlangsamen, sodass man anhalten kann", erklärt der Brasilianer. "Das war zumindest meine Interpretation." Er fordert daher eine konkrete Regelung, die im Fahrerbriefing festgelegt werden soll. "Es ist wichtig, dass die Fahrer 100-prozentig wissen, was zu tun ist. Ich will in so einer Situation wissen, ob eine halbe Sekunde ausreicht. Oder eine Sekunde? Ich weiß es nicht. Offensichtlich reichen zwei Zehntel, denn Nico hat seine Rundenzeit behalten. Ich will eine Zahl hören."
Minisektoren verschleiern mögliche Verstöße
Vettel führt das Problem vor allem darauf zurück, dass im Gegensatz zur Vergangenheit nicht mehr die drei Sektoren als Gradmesser herangezogen werden, sondern zum Beispiel der Hungaroring in 16 Minisektoren unterteilt ist. "Da gab es diese Richtlinie, dass man bei doppelter gelber Flagge in einem Minisektor um fünf Zehntel verzögern muss, aber das war eine mündliche Abmachung. Das steht in keinem Regelbuch." Dazu kommt, dass diese Minisektoren unterschiedlich lang sind, weshalb man nicht den gleichen Zeitverlust einfordern kann.
"Das war in der Vergangenheit klar", findet Vettel. "Wenn die Sektorzeit grün oder lila aufleuchtet, dann war das ein Regelverstoß. Heute muss man überlegen, wie viel Zeit man verlieren muss. All das müssen wir morgen besprechen." Rosberg macht er keinen direkten Vorwurf: "Wir hätten vielleicht alle gleich wie er gehandelt. Er fuhr aus der Kurve, sah, dass die Strecke frei ist und hat es riskiert."
Dieser Ansicht ist auch Sergio Perez: "Jeder hätte es so gemacht wie er. Und die FIA hat entschieden, dass es in Ordnung war." Und Teamkollege Nico Hülkenberg findet auch, dass die Streckenpassage Rosberg recht gibt: "Wenn man in Ungarn aus Kurve 8 herauskommt, dann sieht man Kurve 9. Einige haben gesehen, dass Fernando auf dem Randstein stand. Da war klar, dass man lupfen muss, weil er auf der Ideallinie stand. Bei Nico war es anders, also hat er sich anders verhalten."