• 10. Juli 2016 · 15:37 Uhr

Formel 1 Großbritannien 2016: Hamilton siegt vor Rosberg

Auf abtrocknender Strecke siegte Hamilton vor Teamkollege Rosberg und Max Verstappen - Viele Ausrutscher und ein grenzwertiger Funkspruch in Silverstone

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat am Sonntag den Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone für sich entschieden und seinen dritten Heimsieg in Serie gefeiert. Der Mercedes-Star setzte sich in einem Rennen, das im Regen auf nasser Bahn hinter dem Safety-Car begann und auf trockener Strecke zu Ende ging, souverän durch. Zweiter wurde Teamkollege und WM-Rivale Nico Rosberg, was den Briten in der WM-Gesamtwertung auf vier Zähler heranbringt - sofern der Deutsche keine Strafe mehr kassiert.

An Rechenspiele dachte ein extrem emotionaler Hamilton nach der Zieldurchfahrt allerdings nicht. Zu erlöst war er nach dem Rennen, das zunächst sechs Runden hinter dem Safety-Car erlebte, weil nach einem Regenguss zehn Minuten vor dem Start das Wasser auf dem Silverstone Circuit stand. Bei dem Versuch, die Reifen aufzuwärmen, war Hamilton so aggressiv, dass er in Copse fast in das Führungsfahrzeug gerauscht wäre, konnte aber im letzten Moment auf den Randstein ausweichen.

Als es mit - wie es das Reglement vorschreibt - mit Vollregenreifen zur Sache ging, war die Sonne längst draußen. Hamilton zog an der Spitze auf und davon, wechselte bei immer besser werdenden Verhältnissen nach acht Runden - zu seinem Glück während einer Virtuellen Safety-Car-Phase - auf Intermediates und nach 19 Umläufen auf Medium-Slicks. Letzte Schrecksekunde war ein Ausrutscher in Abbey, der nur einige Sekunden Zeitverlust nach sich zog. Sonst kontrollierte er den Abstand an der Spitze und schonte seine Reifen bei dem Mammutstint bis zum Ende gekonnt.

Dennoch sagt Hamilton, dass sein 47. Grand-Prix-Sieg alles andere als ein mit Links eingetüteter Erfolg gewesen sei: "Es war unglaublich schwierig, auch weil es sehr schnell abgetrocknet ist", macht er auf die wechselnden Bedingungen aufmerksam. "Da keinen Fehler zu machen, war für uns alle schwierig." Auf dem Podium verkniff er sich einen Seitenhieb auf die Fans in Österreich, die ihn vor einer Woche mit Pfiffen eingedeckt hatten, nicht: "Das liebe ich an Silverstone. Es ist der beste Grand Prix der Welt, mit den besten Fans. Ich höre hier keine Buhrufe, das ehrt die Fans."

Verstappen glückt Sensations-Manöver gegen Rosberg

Rosberg hatte am Volant deutlich mehr Arbeit. Nach dem Start bekam er auf nasser Bahn wie schon in Monaco Schwierigkeiten und schien die Reifen nicht auf Temperatur zu bringen. Ihm im Heck klebte Max Verstappen im Red Bull, der zunächst keine Attacke setzte. Anschließend absolvierte Rosberg seine Boxenstopps im Parallelflug mit Hamilton. Noch auf Intermediates gelang dem jungen Niederländer ein atemberaubendes Manöver : In Maggots setzte er sich neben den Mercedes und zog in Chapel auf der Außenbahn vorbei. "Sensationell", findet Teamchef Christian Horner.

Auch Rosberg zieht den Hut und gibt sich geschlagen - zumindest, was Hamilton betrifft: "Lewis war insgesamt schneller. Max hat mich auf Intermediates erwischt, als die Strecke immer trockener wurde." Mit Slicks jedoch kämpfte er sich zurück und arbeitete sich mit der Hilfe von DRS wieder vorbei an Verstappen, der trotz seines Topspeed-Mankos immer wieder von der guten Traktion des Red Bull profitierte. In Runde 38 war die Messe am Ende der Hangar Straight aber gelesen.

(Il)legaler Funkspruch nach Getriebeproblem: Rosberg vor Ausfall

Auch wenn beide noch schnellste Rennrunden abfeuerten, blieb das Duell gegen Lewis Hamilton bei sechs bis acht Sekunden Rückstand ein kalter Krieg. "Der zweite Platz ist Schadensbegrenzung, es ist okay", pustet Rosberg durch. Auch, weil er noch um den Silberrang fürchten musste. In der 47. Runde meldete er Getriebeprobleme, denn der siebte Gang blieb stecken. Rosberg erhielt von seiner Crew die Anweisung: "Vermeide den siebten Gang, schalte direkt in den achten Gang!"

Sofort meldete sich die Rennleitung ein: War das eine illegale Fahranweisung im Funk oder eine sicherheitsrelevante Information und damit legal? "Ich wäre auf der Strecke fast stehengeblieben. Deshalb hat mir das Team gesagt, was ich da an den Knöpfen ändern muss, um es zu reparieren", wehrt sich Rosberg, dessen Auto wieder spurte, auch wenn er den betroffenen Gang anschließend nicht mehr nutzen konnte und Einbußen bei der Höchstgeschwindigkeit zu verzeichnen hatte.

Der fast auf DRS-Schlagdistanz herangerückte Verstappen attackierte nicht mehr und fuhr als Dritter sein zweites Podium in Serie nach Hause - sofern die Rennleitung nicht doch noch den Strafenhammer gegen Rosberg auspackt. Horner würde das naturgemäß begrüßen: "Man muss sich auch fragen: Hätte er den Funkspruch nicht bekommen, was wäre passiert?", stichelt er. Kein Grund für Mercedes' Team-Aufsichtsratsboss Niki Lauda, an seinen Fingernägeln zu kauen: "Wir haben die Regeln gelesen. Ich bin überzeugt, dass wir das richtig ausgelegt haben", winkt er ab.

Verstappen: Zu spät auf Slicks, dann kein Risiko mehr

Die Gretchenfrage: War es wirklich ein Sicherheitsproblem, dass Rosberg das Getriebe hätte um die Ohren fliegen können? "Man kann die Anweisung geben, wenn es ein 'terminal failure' (Defekt, der das Rennen beendet; Anm. d. Red.) ist. Wenn das Auto im siebten Gang steckenbleibt, ist es einer", meint Sportchef Toto Wolff. So oder so, Max Verstappen konnte mit dem dritten Rang gut leben.

"Ich denke, dass ich eine Runde zu spät reingekommen bin", moniert der Dreikäsehoch nur den Zeitpunkt des Wechsels auf die Slicks, den er nach den Mercedes unternahm. Er ist mit dem Rückstand auf Silber aber zufrieden: "Wir hatten gutes Tempo. Ich konnte die ersten Zwei noch sehen." In Anbetracht der drohenden Strafe für Rosberg verzichtete Red Bull darauf, Verstappen zum dritten Mal zum Reifenwechsel zu beordern und mit Soft-Pneus angreifen zu lassen.

Vierter wurde Daniel Ricciardo (Red Bull) gefolgt von Kimi Räikkönen (5./Ferrari), der mit einem riskanten Strategiemanöver sofort nach dem Ende der Safety-Car-Phase auf Intermediates ging. Das war weder ein großer Vor- noch ein gewaltiger Nachteil. Der Finne hatte anschließend aber einige Ausritte zu verzeichnen und kämpfte sich erst kurz vor Schluss an Sergio Perez (6./Force India) vorbei. Der Mexikaner hatte beim Wechsel von Regenreifen auf Intermediates das beste Händchen und kam völlig überraschend um sechs Positionen auf Platz vier nach vorne, hielt sich aber nicht.

Gebrauchter Sonntag für Sebastian Vettel

Force-India-Teamkollege Nico Hülkenberg kam als Siebter ins Ziel und war nicht zufrieden. "Ich bin nicht ganz glücklich. Es sind verdrehte Tatsachen, weil ich eigentlich vor meinem Stallgefährten hätte sein müssen - vom Tempo her", schnauft der Deutsche. Noch übler lief es für Sebastian Vettel (9./Ferrari), der ebenfalls früh auf Intermediates wechselte, aber von Startplatz elf nach seinem Getriebewechsel nicht nach vorne kam. Er hatte einen heftigen Highspeed-Dreher, duellierte sich anschließend mit Felipe Massa (11./Williams) und erntete eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe, weil er sich bei seinem Angriff verbremste und den Brasilianer ins Aus drängte.

Schon in der siebten Runde war das Rennen für Pascal Wehrlein gelaufen. Der Manor-Pilot und Mercedes-Youngster rutschte von der Strecke und blieb im Kiesbett stecken. "Aquaplaning und danach die Kontrolle verloren", kommentiert er kurz und knapp. Und übt dezent Kritik an seinem Team: "Ich habe gesagt, dass es noch zu nass ist. Ich wollte auf Regenreifen draußen bleiben, aber da habe ich noch keine Erfahrung mit den Regenreifen und den Intermediates. Daher habe ich auf das Team vertraut und am Ende keine Chance gehabt."

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