• 04. Juli 2016 · 08:31 Uhr

Büffeln in der Nacht: So glückte Hamilton ein Taktikcoup

Mercedes setzte auf eine Einstoppstrategie, die er mit strategischer Glanzleistung im ersten Stint auf den Weg brachte - Warum Plan B für Hamilton aber besser war

(Motorsport-Total.com) - Auf den ersten Blick sorgte Lewis Hamiltons Strategie beim Österreich-Grand-Prix am Sonntag für Kopfkratzen. Auf den zweiten Blick glückte dem späteren Rennsieger insbesondere im ersten Stint in Spielberg ein taktisches und fahrerisches Meisterstück - obwohl Mercedes tatsächlich keine optimale Option gewählt hatte und im laufenden Betrieb umdisponierte. Denn ursprünglich war es geplant, Hamilton nur zu seinem Stopp reinzuholen: "Es war Plan A, ab Runde 23 durchzufahren", bestätigt er.

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Lewis Hamilton durfte auch dank seiner Qualitäten als Reifenflüsteter jubeln Zoom Download

Hamilton, der im zweiten Qualifying-Teil am Samstag kein Risiko eingegangen war und nicht wie die Ferrari-Piloten seine schnellste Runde auf Supersoft gesetzt hatte (starten müssen die Fahrer in den Top 10 mit dem Pneu, mit dem in Q2 die schnellste Zeit erzielt wird), musste mit Ultrasoft starten. "Plötzlich sollte ich also 23 Runden mit diesem Reifen fahren, obwohl ich davor gerade vier Umläufe zusammengebracht hatte", betont der Brite vor dem Hintergrund der Wetterkapriolen am Freitag.

Im zweiten Freien Training waren im strömenden Regen keine Volltank-Tests möglich. Also blieb Hamilton nichts anderes übrig, als Theorie zu büffeln. "Es gibt unterschiedliche Fahrstile, mit denen man die Reifen schonen kann", erklärt er. "Im Training habe ich alle Mischungen probiert und einen gewissen Weg gefunden. Aber ich habe auch noch Samstagnacht sehr lange studiert, welche Linie ich fahren kann, wo ich vielleicht früher vom Gas gehe. Und es sah dann sehr gut aus", sagt Lewis Hamilton.

Safety-Car-Einsatz brachte alles durcheinander

Denn der Weltmeister fuhr mit dem Ultrasoft nach gutem Start von der Spitze weg gute Zeiten und verschaffte sich ein komfortables Polster auf den Rest des Feldes. Obwohl die Gummis deutliche Gebrauchsspuren hatten, brach Hamilton nur leicht ein. "Ich blieb cool und war wirklich zufrieden, wie ich die Reifen im Griff hatte", sagt er. "Ich tat, was ich tun musste." Das Problem: Auf frischen Ultrasoft, die er in Runde zehn aufgezogen hatte, verkleinerte Teamkollege Nico Rosberg die Lücke immer weiter.


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In Runde 21 war der Vorsprung auf unter 20 Sekunden geschmolzen - nicht genug für einen Stopp und erst recht nicht für einen verkorksten, wie ihn Hamilton beim Wechsel auf den Soft erlebte. Rosberg schlüpfte vorbei, als es am anderen Silberpfeil klemmte. "Dann kam auch noch das Safety-Car, mit dem ich Pech und Nico Glück hatte", ergänzt Hamilton. Zwar dampfte es seinen Rückstand ein, machte es Rosberg aber wesentlich einfacher, die Pneus zu schonen und erneut an der Spitze wegzuziehen.

Renningenieure lügen nicht

Denn der Ultrasoft kam schneller auf Temperatur als der Soft, insbesondere in der mit nur 15 Grad Celsius nicht gerade sommerlichen Steiermark. "Unter kühleren Bedingungen war es nicht einfach, die Reifen warmzufahren", moniert Hamilton, hatte jedoch die Haltbarkeit der härtesten Mischung als Ass im Ärmel. "Danach habe ich einfach aus allen Rohren gefeuert und bin auf das Gaspedal getreten, wie ich nur konnte." Mercedes' Versuch, mit einem Stopp durchzufahren, scheiterte an den Reifen.

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Lewis Hamilton mit stehenden Reifen: Solche Schnitzer waren eine Seltenheit Zoom Download

In Runde 54 kam Hamilton erneut, um sich einen weiteren Satz Soft abzuholen. Sein Kontingent der schnelleren Supersoft, welches Rosberg einen Umlauf später anzapfte und damit wie der sichere Sieger wirkte, war bereits aufgebraucht. Also blieb nur noch ein gebrauchter Satz der Gelben, was bei 18 verbleibenden Runden eigentlich zu konservativ war - doch die Sache ging auf, wie es sein Ingenieur ihm im Funk prophezeit hatte: "Das sind Reifen, um bis zum Ende zu fahren, Lewis", hieß es.

Ein Beweis für die Klasse Hamiltons? Rosberg widerspricht und sagt, dass er im ersten Stint auch später stoppen hätte können: "Ich hatte noch 70 Prozent Gummi übrig, ich hätte also noch lange weiterfahren können", so der Deutsche. Doch Mercedes hatte die Strategie gesplittet, um Hamilton für alle Eventualitäten - etwa Regen oder weitere Safety-Car-Einsätze - an der Spitze zu halten. "Das war einfach die Strategie: Er blieb vor allen anderen. Ich war auf zwei Stopps angesetzt", so Rosberg.

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