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Toto Wolff zum Mercedes-Crash: "Habe persönliche Meinung"
Mit Schuldzuweisungen ist man bei Mercedes nach der dritten Kollision zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg vorsichtig geworden
(Motorsport-Total.com) - Spa-Francorchamps 2014, Barcelona 2016 und jetzt Spielberg: Zwischen den Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg ist es im Titelkampf bereits zum dritten Mal zu einer folgenschweren Kollision gekommen. Doch nachdem in Belgien sofort gegen Rosberg gewettert wurde und in Spanier zunächst Hamilton der Schwarze Peter zugeschoben wurde, scheint man bei den Silberpfeilen zumindest in Sachen Schuldzuweisungen dazugelernt zu haben.
Die Stimmung im Lager des aktuellen Weltmeisterteams ist dennoch zum wiederholten Male unterirdisch. Hamiltons Sieg beim Grand Prix von Österreich kann kaum darüber hinwegtrösten, dass Mercedes einmal mehr "wie Idioten" dastand, wie es Motosportchef Toto Wolff ausdrückt. Der Ärger des Österreichers richtet sich zunächst auf beide Piloten. Er sagt: "Es braucht zwei, um einen Kontakt zustande zu bringen."
"Ich glaube nicht, dass man es schwarz und weiß sehen kann", erklärt Wolff. "Nico hat mit einem Auto, das ein Handicap hatte, versucht, spät zu bremsen. Dabei war er vielleicht nicht auf der normalen Ideallinie. Und Lewis kam von außen, als der erste Kontakt entstand. Jedes Mal, wenn man sich die Videos anschaut, gibt es neue Informationen. Man kann nicht klar sagen, wer mehr Schuld hat als der andere."
Dennoch: Zwischen seinen Erklärungen lässt Wolff den Satz fallen: "Ich habe meine persönliche Meinung, der ich aber keinen Ausdruck verleihen werde." Eine Vorsichtsmaßnahme, um die Fahrer zu schützen? Denn wie schnell unter den Zuschauern Stimmung gegen einen vermeintlichen Übeltäter entstehen kann, hat man in damals in Spa gesehen, als Rosberg auf dem Podium ausgebuht wurde. In Spielberg war es Hamilton, der offensichtlich den Zorn der Fans auf sich gezogen hat.
Bei Mercedes will man die Lage in Ruhe sondieren. Eine Ausnahme ist wie immer der Aufsichtsratsvorsitzende des Teams, Niki Lauda. "Nico war in einem toten Winkel", analysiert der den Kontakt in der letzten Runde bei 'RTL'. "Er hat gewusst, dass Lewis rechts neben ihm ist und ist fast bis an den Streckenrand rausgefahren, hat ihm Platz gelassen. Nur bei Nico war der Geschwindigkeitsüberschuss ohne Bremsen so groß, dass Lewis das gar nicht sehen konnte. Deswegen sage ich, dass Nico mehr Schuld ist. Lewis eigentlich gar nicht, um es auf den Punkt zu bringen."
Der ehemalige Formel-1-Pilot und TV-Experte Anthony Davidson hat bei 'Sky Sports F1' noch einmal genau hingeschaut. "Man sieht, dass er ein Bremsproblem hat, und er verpasst den Scheitelpunkt", sagt er. "Bei der Onboard-Aufnahme sieht man aber, dass er nicht einmal versucht, die Kurve zu kriegen. Als es zur Berührung kam, hatte er gerade mal einen halben Lenkradeinschlag. Lewis versucht auf der Außenbahn die Kurve zu kriegen. Und er rechnet damit, dass das auch Nico versucht."
Fotostrecke: GP Österreich, Highlights 2016
Lewis Hamilton gewinnt 2016 endlich den Grand Prix von Österreich, wird auf dem Podium aber gnadenlos ausgebuht. Im Gegensatz zu 2001 (Schumacher vor Barrichello) ist diesmal keine Stallorder daran schuld. Vielmehr nehmen ihm die Fans die Kollision mit Teamkollege Nico Rosberg in der letzten Runde übel. Fotostrecke
"Wäre ich also in seiner Situation, würde ich fragen: 'Warum hast du nicht einmal versucht, den Scheitelpunkt zu erwischen?'. Nun ja, vielleicht weil es Lewis in der Vergangenheit auch schon mit ihm gemacht hat, wer weiß...", spielt Davidson auf Situationen wie zum Beispiel in Austin 2015 an, als Hamilton Rosberg schon in Kurve 1 des Weltmeisterschaft-entscheidenden Rennens rausdrängte. In Montreal gab es vor drei Wochen eine ähnliche Szene.
Was noch gegen Rosberg spricht: der Fehler, der ihm bereits in Kurve 1 passierte und der zu der Kollision in Kurve 2 führte. "Rosberg berührt dort den inneren Randstein, wodurch das Auto aus der Balance kommt und er am Kurvenausgang schlechte Traktion hat", erklärt Davidson. "So kommt Hamilton in den Windschatten. In der entscheidenden Kurve lässt er auch mehr als eine Wagenbreite Platz. Und dann hat Nico Lewis nicht einmal erlaubt, auf die Strecke zurückzufahren. Ich verstehe also, warum die Rennkommissare Nico vorgeladen haben."
Die Rennleitung hat Rosberg schließlich auch die Schuld gegeben. Wegen der Verursachung einer Kollision bekommt er eine Zehn-Sekunden-Strafe und eine Verwarnung, behält damit aber seinen vierten Platz und verliert nicht noch mehr WM-Punkte von seinem geschmolzen Abstand auf seinen Teamkollegen (153:142, vorher 141:117). Das Titelduell bleibt damit weiter heiß.
"Man kann ihm keinen Vorwurf dafür machen, dass er die Führung verteidigen wollte", meint Martin Brundle, "aber letztendlich war es sein Fahrfehler, der die Berührung ausgelöst hat. Und er hatte noch Glück, dass es in der letzten Runde passiert ist, sonst wäre er womöglich aus den Punkten geflogen."
Spielbergs Drama in der letzten Runde wird den Formel-1-Zirkus jedenfalls weiter beschäftigen. Die Fragen nach dem Verhältnis der Teamkollegen untereinander und möglichen Teameingriffen in das Renngeschehen, wie Wolff sie bereits andeutete, müssen noch geklärt werden. Österreich-Experte Gerhard Berger sagt: "Ich sehe kein falsches Verhalten, weder auf Nicos noch auf Lewis' Seite. Wenn man eine solche Situation vermeiden will, muss man ihnen sagen, dass sie die Positionen zu halten haben. Aus Rennfahrersicht würde ich es vorziehen, wenn man sie so weitermachen lassen würde."