Mercedes-Strategiepanne forderte Stallcrash heraus
Warum es ohne die Fehler an der Mercedes-Box in Spielberg nicht zum Stallcrash gekommen wäre und Lewis Hamilton überlegte, den Funkbefehl zu missachten
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Grand Prix von Österreich ist klar: Unter normalen Umständen wäre es nie zur Kollision zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg in der letzten Runde auf dem Red-Bull-Ring gekommen. Denn der britische Pole-Setter wurde Opfer einer Strategieumstellung während des Rennens, durch die er erst hinter seinen von Platz sechs gestarteten Teamkollegen zurückfiel. "Meine Strategie war, in Runde 23 zu stoppen und dann bis zum Ende durchzufahren", erklärt Hamilton.
© xpbimages.com
Schlechte Strategie, zu lange Standzeiten: So fiel Hamilton hinter Rosberg zurück Zoom Download
Nach einem langsamen Stopp kam er hinter Rosberg, der schon in Runde elf gestoppt hatte, auf die Strecke zurück und jagte den Stallrivalen. "Ich wusste, dass er noch einmal stoppen musste", sagt Hamilton. Umso überraschter reagierte der Mercedes-Star, als sein Team ihn eine Runde vor Rosberg zum zweiten Stopp hereinholte. "Das habe ich nicht wirklich verstanden, denn meine Reifen waren eigentlich noch in gutem Zustand."
Einen Moment lang überlegte Hamilton sogar, sich dem Boxenbefehl zu widersetzen. "Einen Sekundenbruchteil dachte ich daran", erklärt er nach dem turbulenten Rennen. Zumal Red Bull und Ferrari mit einer Einstoppstrategie durchfuhren. "Sie haben gezeigt, dass man mit den Reifen über die Distanz kommt. Ich weiß nicht, ob wir das auch geschafft hätten, aber im Nachhinein hätte ich es wahrscheinlich probiert, draußen zu bleiben. Dann wäre aber vielleicht auch Nico draußen geblieben."
Warum Mercedes bei Hamilton von einem auf zwei Stopps umstellte
Doch warum hat sich Mercedes während des Rennens entschieden, die Strategie des sich auf Siegkurs befindenden Hamilton zu ändern? "Wir haben zuerst geglaubt, dass er mit einer Einstoppstrategie durchkommt", erklärt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gegenüber 'Sky Sports F1'. "Deswegen haben wir ihn länger draußen gelassen. "Man hat aber gesehen, dass es bei Sebastian zu dem Reifenschaden geführt hat", spielt er auf den Reifenplatzer des Ferrari-Piloten in Runde 29 an.
Mercedes hatte sich schon davor entschieden, bei Hamilton auf Nummer sicherzugehen. "Es war die sichere Lösung. Deswegen haben wir umgestellt, wodurch Lewis dann hinter Nico zurückgefallen ist", sagt der Österreicher. "Das war Pech, aber that's Racing. Du kannst nicht Schach spielen."
Auch Hamiltons Undercut beim zweiten Stopp misslang
Nach der Safety-Car-Phase lag Hamilton direkt hinter dem Stallrivalen, und als Hamilton dann in Runde 55 eine Runde vor Leader Rosberg an die Box gerufen wurde, sah es zunächst so aus, als wollte Mercedes mittels Undercut die ursprüngliche Rangordnung wieder herstellen. Doch auch das vereitelte die Mannschaft selbst: Wie beim ersten Mal misslang auch der zweite Stopp, Hamilton stand eine Sekunde länger als Rosberg an der Box und blieb auch nach dem Boxenstopp des WM-Leaders einen Rang dahinter.
Hamiltons Unmut stieg und er beschwere sich über Funk, dass Rosberg für die 16 verbleibenden Runden die weicheren Supersoft-Reifen erhielt, während er mit der Soft-Mischung abgefertigt wurde. "Je weicher die Mischung, desto schneller", erklärt Hamilton, warum er sich beschwerte. "Ich habe den genauen Zeitunterschied nicht im Kopf, aber der sollte zwischen Supersoft und Soft eine halbe Sekunde pro Runde betragen. Ich schien also im Nachteil und musste an ihm auch noch vorbei. Zum Glück habe ich dann alle Register gezogen und nicht aufgegeben..."
Hamilton-Beschwerde trotz Reifenvorteil?
Hätte Hamilton nicht auch Supersoft-Reifen anfordern können? "In diesem Fall muss man sich auf den Ingenieur verlassen, denn er hat ein besseres Verständnis für die Situation, er sieht all die anderen Fahrer, hat alle Fakten", argumentiert der spätere Sieger dagegen. "Das fehlt mir, um eine qualifizierte Einschätzung abgeben zu können."
Fotostrecke: GP Österreich, Highlights 2016
Lewis Hamilton gewinnt 2016 endlich den Grand Prix von Österreich, wird auf dem Podium aber gnadenlos ausgebuht. Im Gegensatz zu 2001 (Schumacher vor Barrichello) ist diesmal keine Stallorder daran schuld. Vielmehr nehmen ihm die Fans die Kollision mit Teamkollege Nico Rosberg in der letzten Runde übel. Fotostrecke
Außerdem relativierte sich später sein anfänglicher Unmut: "Es war schwierig, die Soft-Reifen aufzuwärmen, aber dann war die Performance gut." Interessant ist, dass Rosberg klar dementiert, bei den Reifen gegenüber Hamilton im Vorteil gewesen zu sein. Ganz im Gegenteil: "Das war für ihn ein großer Vorteil. Deswegen hatte er am Ende gegen mich eine Chance."
Ursache dafür war, dass Hamilton im Freien Training am Freitag wegen des Regens einen Satz Soft-Pneus sparte. "Mir war bewusst, dass er mir diesbezüglich überlegen ist. Das ist aber kein Problem, denn am Ende war es einfach Glück wegen der Umstände."