Lewis Hamilton: Wieso die Pole-Taktik fast nach hinten losging
Wie Lewis Hamilton nach den mäßigen Trainings im Qualifying mit einer Harakiri-Taktik die Pole holte und seine Mechaniker das Wochenende des Stallrivalen retteten
(Motorsport-Total.com) - Was für Showdown um die Pole in Spielberg: Wegen der abtrocknenen Strecke fief die Entscheidung auf Slicks in den letzten Sekunden - und Lewis Hamilton düpierte die Konkurrenz mit einer Bestzeit von 1:07,922 Minuten (hier geht's zum Gesamtklassement). Der Brite war damit um 0,543 Sekunden schneller als Teamkollege Nico Rosberg, und über eine Sekunde vor dem Rest der Formel 1. "Ich war mit meiner Runde zufrieden, aber Lewis hat eine Super-Runde hingekriegt", muss Rosberg anerkennen.
Doch beinahe wäre Hamiltons Pole-Attacke komplett schiefgelaufen. Der dreimalige Weltmeister, der Situationen vor allem bei unberechenbaren Wetterbedingungen oft richtig antizipiert, war in seiner vorletzten Runde gut unterwegs, brach seinen Versuch aber abrupt ab. "Wenn ich bis zum Ende gepusht hätte, dann wäre ich in der letzten Runde hinter Daniel Ricciardo festgesteckt", schildert der Brite. "Also habe ich nachgelassen."
Ein enormes Risiko, wie er selber weiß: "Hätte es in meiner letzten Runde eine gelbe Flagge gegeben, hätte ich die Pole nicht geholt." Und das wäre bei so schwierigen Bedingungen im Showdown keine große Überraschung gewesen. Hamilton atmet durch: "Es hat sich dann doch ausgezahlt, dabei bin ich hier noch nie im Regen gefahren."
Wie Hamilton Rosberg übertrumpfte
Für den Briten eine große Überraschung, denn bis zum Qualifying schien er in Spielberg im Schatten Rosbergs zu stehen, doch der WM-Leaders geriet mit seinem unverschuldeten Crash im dritten Freien Training außer Tritt. Durch den Getriebewechsel startet der Zweitplatzierte nur von Startplatz sieben. "Das tut uns leid, denn Nico war bis zum Qualifying der schnellste Mann", bestätigt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Doch wie gelang es Hamilton, sich doch noch an die Spitze zu arbeiten? "Ich habe mich heute konstant verbessert", sagt der Brite. "Schritt für Schritt, Kurve für Kurve. Zuerst war ich in fünf Kurven langsamer, dann in vier Kurven, dann zwei, und dann nur mehr eine. Als es dann auch noch regnete, wurde mir bewusst: Mann, jetzt kann ich gegen Nico um die Pole kämpfen! Das hat es etwas einfacher, denn im Regen geht es darum, wer die meisten Risiken eingeht."
Als in den Schlussminuten alle hereinkamen, um auf Slicks zu wechseln, wollte Rosberg zunächst weiter auf Intermediates bleiben: "Ich habe nicht erwartet, dass es dann schon mit Trockenreifen geht, aber am Ende hat es ganz gut geklappt." Was am Ende den Unterschied gemacht hat? "Am Ende ging es nur um diese eine Runde, und Lewis war in diesem Umlauf schneller - ganz einfach", bringt es Wolff auf den Punkt.
Wie die Mechaniker des Feindeslagers Rosberg retteten
Dass Rosberg aber überhaupt am Qualifying teilnehmen konnte, hat er aber Hamiltons Mechanikern zu verdanken. Die legten sich ordentlich ins Zeug, damit der Bolide des Wiesbadeners nach dem Getriebewechsel einsatzbereit war. "Drei Minuten vor Beginn des Qualifyings bestand Nicos Auto nur aus Einzelteilen", verrät Wolff. "Drei Minuten nach dem Start wurde alles zusammengeschraubt, und dann fuhr er auch noch die schnellste Zeit in Q1. Hut ab!"
Rosberg bedankt sich bei der Mannschaft für den Einsatz, vor allem bei den Mechanikern des Titelrivalen: "Vielen Dank an alle meine Jungs. Sogar die Mechaniker von Lewis sind rübergekommen zu meinem Auto, sonst wären wir nicht rechtzeitig fertiggeworden." Dass er nun von Platz sieben ins Rennen geht, ist ein heftiger Dämpfer für Rosberg, der in Österreich in den vergangenen zwei Jahren gewonnen hat. "Die fünf Plätze tun weh", gibt er zu.
"Der Start von Platz sieben macht die Sache schon sehr viel schwieriger."Zumal die DRS-Wirkung in Spielberg geringer ist als auf anderen Strecken, was das Überholen noch schwieriger macht. " Ich werde aber versuchen, so weit wie möglich nach vorne zu kommen", verspricht Rosberg.